Denkzettel für Europa

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Die ersten Wahlen in der erweiterten Europäischen Union der 25 - und nicht einmal die Hälfte der Wähler (44 Prozent) nehmen daran teil. Sind die Europäer nicht europareif, sind sie europamüde oder ist die Wählerabstinenz das Zeichen einer tieferen Krise? Zunächst ist die geringe Wahlbeteiligung wohl primär ein Zeichen für die unterentwickelte Demokratie der EU. Das Parlament hat bisher nur geringe Entscheidungskompetenzen gehabt; die großen Fragen, die allgemeine Ausrichtung der Politik und die Verteilung des Geldes, wurden anderswo, im Rat und in der Kommission, entschieden. Die EU-Parlamentarier blieben in ihren Herkunftsländern relativ unbekannte Wesen.

Österreichs Schmuddelwahlkampf um Spesenritter und Landesverräter stand nicht ganz allein, auch wenn er in der Schlussphase zur Farce ausartete. Auch in anderen Ländern wurden die EU-Wahlen zum Protest gegen die jeweilige Regierungspolitik. Von Renationalisierung oder Enteuropäisierung zu reden, wäre dennoch falsch. Die jeweiligen nationalen Regierungen betreiben ja, unabhängig von ihrer politischen Zusammensetzung, eine ähnliche Makropolitik, den von Brüssel vorgegebenen Sparkurs samt Privatisierung, Liberalisierung und Deregulierung. Dass damit weder die Arbeitslosigkeit geringer noch das Wirtschaftswachstum größer wird, nehmen die Wähler mit Wahlverweigerung oder Protest zur Kenntnis. Besonders krass zeigt sich diese Haltung in den neuen Mitgliedsländern. Dort betrug die durchschnittliche Wahlbeteiligung 28,7 Prozent.

Der Slogan vom "Denkzettel" stimmt schon, aber die EU-Wahlen waren kein Denkzettel für nationale Regierungen, sie waren ein Denkzettel gegen den Wirtschaftskurs der Union, der das europäische Sozialmodell zu unterminieren droht.

Die Autorin war ORF-Journalistin und Dokumentarfilmerin.

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