"Irre Pflege der Schrebergärten"

Werbung
Werbung
Werbung

Ein Interview mit Gerhard Hirschmann, in dem das Wort "EStAG" nicht vorkommt, sollte es - von uns aus, nicht als Vorgabe Hirschmanns - werden. Einmal ist es dann doch hineingerutscht. Ansonsten aber drehte sich das Gespräch um Bundesländer, -rat und -präsidenten, das Profil konservativer Parteien - und ein Kompliment von Andreas Khol.

Die Furche: "Gerhard Hirschmann ist ein Mensch, von dem bekannt ist, dass er für eine witzige Bemerkung sehr große Opfer zu bringen bereit ist." Können Sie sich vorstellen, von wem dieses Zitat stammt?

Hirschmann: Könnte von Bernd Schilcher (steirischer VP-Querdenker, der sich zuletzt in der Auseinandersetzung zwischen Hirschmann und Landesrat Herbert Paierl vehement für Paierl eingesetzt hat; Anm.) sein...

Die Furche: ... ist aber von Andreas Khol (Furche Nr. 8/03).

Hirschmann: Vom größten Zyniker der Republik so geadelt zu werden, freut mich.

Die Furche: Das Khol-Zitat war die Antwort auf meine damalige Frage nach Khols Meinung zu Ihrem Sager, die steirische VP sei "in ihrem Herzen immer schon eine kommunistische Partei gewesen" (mit diesen Worten hatte Hirschmann, damals noch Landesrat, nach der Grazer Gemeinderatswahl 2003, bei der die KP sensationelle 21 Prozent erreichte, Sympathien für den Grazer KP-Chef Ernst Kaltenegger erkennen lassen; Anm.). Was haben Sie damit gemeint?

Hirschmann: Ich bin überzeugt, dass jede konservative Partei in unserer Massendemokratie auch ein Gespür für die sozialen Erfordernisse einer Gesellschaft braucht. Die steirische Volkspartei hat sich immer sowohl als kulturell-intellektuelle Bewegung als auch als Partei für die kleinen Leute, im guten Sinne, verstanden. Das habe ich gemeint, und damit ist es mir sehr ernst.

Die Furche: Die steirische VP pflegte lange Jahre ihr Querdenker-Image. Nun hat die steirische Grün-Politikerin Edith Zitz kürzlich "Feudalismusgehabe" und "Folklorestimmung" in der Landespolitik beklagt. Liberale Persönlichkeiten wie Erich Edegger, Hermann Schaller oder Kurt Jungwirth (ehem. Grazer Vizebürgermeister, ehem. Umweltlandesrat, ehem. LH-Stv.; Anm.) hätten heute keinen Platz mehr in der Partei...

Hirschmann: Zunächst einmal kränkt es mich, dass sie mich hier nicht genannt hat, aber wie auch immer: Edegger, Schaller - das waren schon außerordentliche Exponenten einer Politik, wie ich sie vorhin beschrieben habe. Aber dass das heute fehlt, kann ich nicht sehen. Die neue Mannschaft von Waltraud Klasnic hat alle Entwicklungsmöglichkeiten vor sich. Und vor allem ÖAAB-Obmann und Landesrat Hermann Schützenhöfer verkörpert sehr stark jene Haltungen, für welche die vorhin genannten drei Personen gestanden sind; (nach kurzer Pause) von der Frau Landeshauptmann gar nicht zu reden.

Die Furche: Vielfach wird heute - ganz generell - die Entpolitisierung der Politik beklagt, eine Entkernung zu Gunsten von Inszenierung und Event. Stimmen Sie dem zu?

Hirschmann: Teilweise schon. Ich sehe jedenfalls als eines der Hauptprobleme der gegenwärtigen Massendemokratie, dass Regierungen - egal ob in Paris, Berlin, London oder Wien - offensichtlich kaum mehr in der Lage sind, der Gesellschaft in den großen Themen der Zukunftsgestaltung einen Kompass zu geben.

Die Furche: Wenn Sie nach wie vor für die steirische VP Modellcharakter beanspruchen - was könnte denn die Bundespartei von den Steirern lernen?

Hirschmann: Wolfgang Schüssel braucht von mir sicher keinen Ratschlag; er würde auch keinen annehmen, der weiß alles.

Die Furche: Waren Sie enttäuscht, dass Schüssel sehr kühl-distanziert auf Ihren Hinauswurf bei der EStAG reagiert hat?

Hirschmann: Ja. Hätte er mit mir auch nur eine Minute gesprochen, hätte er anders reagiert.

Die Furche: Sie haben nie mit Schüssel darüber gesprochen?

Hirschmann: Ich mit ihm sowieso nicht, aber er mit mir auch nicht.

Die Furche: Sie haben vor längerer Zeit einmal mit einem Vorstoß für die Reduktion der Bundesländer auf drei Regionen Furore gemacht. Nun gibt es einen Österreich-Konvent, der Vorschläge für eine Neuordnung der Republik vorlegen soll. Wie beurteilen Sie die Chancen für dieses Projekt?

Hirschmann: Das Gute am Konvent ist der Vorsitzende, Franz Fiedler; daneben gibt es einige wenige mutige Mitstreiter. Problematisch ist, dass zuviele Besitzstandwahrer in dem Konvent sitzen. Noch problematischer aber scheint mir, dass verabsäumt wurde, ein Zielergebnis festzuschreiben. Also etwa dass das gesamte Verwaltungssystem um, sagen wir, 20 Prozent kostengünstiger gestaltet werden muss. Daher denke ich, dass man dort, wo es ans Eingemachte geht, kaum zu nennenswerten Ergebnissen kommen wird.

Die Furche: Der Föderalismus gilt dabei als einer der Knackpunkte...

Hirschmann: Ich habe nichts gegen die historisch-kulturelle Eigenständigkeit der Bundesländer. Das soll man sogar noch stärken. Aber das Problematische am Föderalismus ist die wirklich ungeheure Pflege der Schrebergärten. Es muss nicht alles auf Wien konzentriert sein, es könnten etwa bestimmte Institutionen aus Wien in die Bundesländer verlagert werden. Aber die Kompetenzzersplitterung, die wir haben, ist absurd. Über 90 Prozent aller Regeln werden heute nicht mehr in Wien gemacht, sondern in Brüssel. Trotzdem arbeitet das Parlament mehr denn je auf Hochtouren, die Landtage überschlagen sich in legislativer Tätigkeit. Das ist ja völlig irr. Wir leisten uns da Maschinerien, die auf Dauer nicht finanzierbar sind.

Die Furche: Braucht man die Landtage noch?

Hirschmann: Selbstverständlich soll man die Landtage beibehalten. Es geht um die Frage, was die tun: Landtage sollen eine Regierung wählen, sie kontrollieren, ein Budget machen - und gemeinsam mit den Kollegen in den angrenzenden Ländern Projekte entwickeln, im Bereich des Verkehrs, der Umwelt, der Kultur.

Die Furche: Soll man den Bundesrat aufwerten oder abschaffen?

Hirschmann: Gott bewahre uns vor einer Aufwertung des Bundesrats!

Die Furche: Auch über die Rolle des Bundespräsidenten wird im Rahmen des Konvents diskutiert...

Hirschmann: Ich denke, die letzten beiden Perioden haben den unwiderlegbaren Nachweis erbracht, dass das Amt völlig verzichtbar ist. Da wäre mir ehrlich gesagt so eine kleine Monarchie lieber, das hätte wenigstens einen touristischen Effekt. Natürlich könnte ein Bundespräsident, der eine charismatische Figur ist, eine gewisse Wirkung auf das politische Leben ausüben - aber ich sah und ich sehe diese Figur nicht.

Das Gespräch führte Rudolf Mitlöhner.

Enfant terrible - heller Kopf, scharfe Zunge

Er war der ewige Kronprinz neben Landeshauptmann Josef Krainer, Aushängeschild des "Modell Steiermark": jenes Versuchs, in der steirischen Volkspartei maximale Breite mit intellektuell-kultureller Offenheit zu verbinden, zu zeigen, dass "Heimat" nicht "Enge, sondern Tiefe" (H. Koren) bedeutet. Begonnen hat der 1951 im oststeirischen Gnas geborene Gerhard Hirschmann seine berufliche Laufbahn im Grazer Afro-Asiatischen Institut, einer diözesanen entwicklungspolitischen Einrichtung - etwas, das er als prägend für seinen Zugang zur Politik beschreibt; nach wie vor auch könne er sich vorstellen, seine Karriere im Bereich der Entwicklungspolitik zu beschließen, erzählt er im Gespräch mit der Furche. Zu seiner rhetorischen Schärfe und intellektuellen Prägnanz, mit der er sich auch über die Steiermark hinaus Gehör verschaffte, kam auch stets der latente Hang zum Zynismus - eine Eigenschaft, die, wie er wohl selbst wusste, mit der Rolle als Landeshauptmann nicht wirklich vereinbar gewesen wäre: Auch nach Krainers Abgang 1995 blieb er Landesrat, unter der Ägide der landesmütterlichen Waltraud Klasnic. 2003 wechselte er in den Vorstand der Landesenergie-Holding EStAG, bei der er alsbald seiner Meinung nach gravierende Missstände öffentlich anprangerte. Der gesamte Vorstand - einschließlich Hirschmann - wurde gefeuert, der darauf folgende heftige Streit Hirschmanns mit VP-Landesrat Herbert Paierl als Eigentümervertreter bei der EStAG wurde zur schweren Belastungsprobe für die gesamte steirische VP, die vorerst mit Paierls Rückzug aus der Politik entschärft wurde.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung