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Wieder Krainer-Wahlen

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Die Propaganda der Sozialisten für diese Wahlen ist auf Moll gestimmt. Es scheint, als hätten sie gar nicht die Ambition, in der Steiermark die Mehrheit zu erringen. Die Stimmung in den Führungsschichten der Partei könnte am besten mit „einsichtiger Resignation“ gekennzeichnet werden. Man hat, durch viele Wahlschlachten zermürbt, offensichtlich die Hoffnung aufgegeben, in „Krainer-Wahlen“ erfolgreich zu bestehen.

Es sind auch zu ungleiche Gegner, die einander gegenüberstehen: Auf der einen Seite der noch immer robuste und vitale Krainer, den es in Rage bringen kann, wenn er kämpfen möchte und sich der Gegner nicht stellt. Krainer, ein Vollblutpolitiker und gewiegter Taktiker, der dazu die physische Ausdauer mitbringt, einen auf sein Maß zugeschnittenen Wahlkampf auch durchzustehen; Krainer, unterstützt von einer geschickten Propaganda, die, wie es Landesparteisekretär Doktor Rainer formulierte, „die Unterschiede und Gegensätze klar herausarbeitet“. Er lüge nicht in der Propaganda, sagte Krainer, aber es sei selbstverständlich, daß vereinfacht werden müsse: „Man muß den Leuten die Entscheidung leichter machen“, resümiert der ÖVP-Propa-gandachef. Die ÖVP-Propaganda steht unter dem Motto „Die Zukunft gestalten“.

Auf der anderen Seite steht eine Gruppe Männer, deren Stärke nicht so sehr die Politik als die Verwaltung ist. Vor allem gilt das für den Landesparteivorsitzenden Doktor Schachner-Blazizek, der als Landes-finanzreferent ausgezeichnete Figur macht, aber durchaus nicht der Typ eines dynamischen politischen Führers ist, der in Wahlkämpfen, wo es nun einmal auch auf politisches Gespür, Taktik und notfalls auch auf eine Brise Demagogie ankommt, seine Partei zum Sieg führen könnte. Es hat oft den Anschein, als seien Wahlkämpfe den steirischen Sozialisten überhaupt unangenehm, nur deshalb, weil solche Auseinandersetzungen die Arbeit unterbrechen. Während sich Krainer im wildesten Kampfgetümmel erst so richtig wohl fühlt, scheinen die Sozialisten manchmal von der harten politischen Auseinandersetzung richtig angewidert. „Das ist einfach unanständig“, diese Redewendung kehrt im Gespräch mit ihnen sehr oft wieder.

Sieht man von diesen Blüten ab, ist der Wahlkampf derzeit noch in einem embriyonalen Stadium, obwohl auch schon Bundeskanzler Dr. Klaus und Finanzminister Doktor Schmitz aufgeboten wurden, um in das Geschehen einzugreifen. Diese Bundesschützenhilfe wurde selbstverständlich nicht als Wahlkampfunterstützung deklariert. Der Bundeskanzler besuchte verstaatlichte Betriebe und soll dort, wie es heißt, „recht gut angekommen sein“. Mit einigem Erstaunen wurde von objektiven Beobachtern vermerkt, daß Klaus zu einem Zeitpunkt, als noch nicht über die Verjährungsfrist für Kriegsverbrechen entschieden war, auf entsprechende Fragen sehr unpopulär aber mit unmißverständlicher, erfreulicher Klarheit antwortete. Eine würdigenswerte Haltung, die manchem Nur-Taktiker in der steirischen ÖVP Schauer über den Rücken jagte.

Auch außerhalb der Steiermark wurde wachsam registriert, daß die Sozialisten diesmal, zumindest programmatisch, einmal eine betont föderalistische Linie einschlugen. Dazu muß erläutert werden, daß die steirische SPÖ wegen ihres angeblich allzu treuen Pittermaren-Kurses von der ÖVP heftig attackiert wird. Bei der Budgetdebatte im Landtag forderte der Generaldebattenredner der ÖVP zum Beispiel nicht mehr und nicht weniger, als daß sich die steirischen Sozialisten von Dr. Pittermann distanzieren sollten. Dazu stellte nun Dr. Schachner-Blazizek beim jüngsten außerordentlichen Landesparteitag folgendes fest: „Wir sind ein Teil der Gesamtpartei und durch nichts von ihr zu trennen. Daß unsere Gegner in der Steiermark daran mitunter etwas auszusetzen haben, stört uns nicht im geringsten. Daß wir dessen ungeachtet auch an die Gesamtpartei Wünsche und Forderungen haben, ist nicht zu leugnen. Dazu gehört der keineswegs auf die Steiermark beschränkte und durchaus nicht im Licht einer Kirchturmpolitik verstandene Wunsch nach Vertretung, namentlich in der sozialistischen Regierungspolitik, auf Bundesebene.

Wir glauben, daß es dem gesamtstaatlichen Interesse und dem Gesamtinteresse der Partei nur von Nutzen wäre, wenn die Interessen der Bundesländer und das erlebte Verstehen ihrer Belange und ihrer besonderen Verhältnisse stärker zum Ausdruck käme. Die Partei darf die Verlagerung der Interessen sowohl als auch das Gewicht der Wirtschaft und der Verwaltung und die Kraf und die zunehmende Stärke der Bewegung in den Bundesländern nicht übersehen. Eine daran vorübergehende Politik könnte der Partei schaden, eine Politik, die darauf Rücksicht nimmt, wird ihr nutzen.“

Diese aus sozialistischem Mund etwas ungewöhnlichen Worte waren auch an die richtige Adresse gerichtet, denn Vizekanzler Dr. Pittermann befand sich unter den Ehrengästen des außerordentlichen Landesparteitages.

Die Propaganda der beiden Parteien ist ebenso verschieden wie ihre Mentalität. Die ÖVP stellt Krainer in den Vordergrund, was sie um so leichter kann, weil sie sicher ist, daß ihn der Gegner nicht angreifen wird. Angriffe gegen den Landeshauptmann haben sich nämlich, diese Erfahrung mußten die steirischen Sozialisten schon öfter machen, meist als Bumerang erwiesen. Dazu kommt eine aggressive und gezielte Propaganda gegen Vizekanzler Dr. Pittermann, den man sich zum attraktiven Hauptgegner dieses Wahlkampfes erkoren hat. Pittermann, so argumentiert man. sei der eigentliche Gewinner, wenn die Sozialisten in der Steiermark Erfolge erzielen sollten. Und das müsse verhindert werden. Außerdem ist es tatsächlich leichter, einen Wahlkampf zu führen, bei dem der Vizekanzler das Hauptangriffsobjekt ist, als einen Wahlkampf gegen die steirischen Sozialisten. Eine Begründung für diese besondere Note eines Landtagswahlkampfes ist auch die Feststellung: „Der Landeshauptmann ist eben über seine politischen Gegner im Land hinausgewachsen.“

Die Sozialisten befleißigten sich bisher einer fast selbstverleugneri-schen Zurückhaltung. Die Postwurfsendungen sind von einer hintergründigen Dezenz, die so weit geht,daß es dem unbefangenen Leser, der es verabsäumt, einen Blick auf das Impressum zu werfen, schwerfällt, die Herkunft dieses „Steirischen Bildtelegramms“ zu ergründen.

Die FPÖ wird diesmal mit einer neuen Mannschaft in den Landtag einziehen. Von dem bisherigen Trio Stephan-Hueber-Scheer wird wahrscheinlich nur noch der letztere im neugewählten Landtag vertreten sein. Der Grazer Vizebürgermeister und Landesparteiobmann der steirischen Freiheitlichen, Vizebürgermeister Dipl.-Ing. DDr. Götz, wird nun auch in die Landstube einziehen, und mit ihm aller Voraussicht nach der bisherige Grazer Gemeinderat Fla-discher. Bei der 5. Landestagung der freiheitlichen Gemeinderäte in der Steiermark kam Götz auch auf die Landtagswahlen zu sprechen und meinte: „Wir haben ein Zukunftsbild aufzustellen und nicht nur im politischen Tageskram herumzuwühlen. Österreich geht dem Nihilismus entgegen, wenn nicht neue Ordnungskräfte auftreten. Wir haben die Brücke zwischen alten und neuen Werten zu schlagen. Daher unsere Wahlparole: .Bewährtes erhalten — Neues gestalten.' “

Das Abschneiden der Freiheitlichen ist eines der großen Fragezeichen dieser Wahl. Die Kommunisten, die sich sehr aktiv in den Wahlkampf einschalten, streben fast „mit G'walt“ nach einem zweiten Mandat. Sie befragten die Wahlarithmetik und kamen zu dem Ergebnis: Ein Gewinn von etwa 2000 Stimmen würde uns ein Mandat bringen, das die FPÖ verliert. Die Möglichkeit, daß die Kommunisten vor allem in der industrierei-chen Obersteiermark Stimmen gewinnen könnten, wird auch von den Sozialisten erkannt. Mit einer gewissen Besorgnis hat man nämlich festgestellt, daß wegen mancher Preiserhöhungen die Stimmung in den Betrieben nicht sehr gut ist.

Der steiermärkische Landtag besteht derzeit aus 48 Abgeordneten. Erst kurz vor den Wahlen wurde diese Zahl auf 56 erhöht, wobei neben durchaus plausiblen und sachlichen Argumenten auch die Tatsache entscheidend gewesen sein dürfte, daß zum Beispiel bei einem Anhalten des Trends, der sich bei den Wahlen im Burgenland und in Salzburg zeigte, die FPÖ wahrscheinlich nicht mehr im neuen Landtag vertreten wäre. Die Erhöhung der Mandatsanzahl kommt allerdings auch den Kommunisten zugute. Derzeit hat die ÖVP im Landtag 24 Abgeordnete, die SPÖ 20, die FPÖ drei, und ein Kommunist sitzt ebenfalls in der Landstube. ÖVP und SPÖ hoffen, von den nun zu vergebenden acht neuen Mandaten je vier zu gewinnen, doch die Unsicherheitsfaktoren sind so groß, daß man keine Prognosen abzugeben wagt.

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