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Die Strukturen wandeln sich

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Als Landeshauptmann Josef Krainer am 6. November im Brauhaus Puntigam zum Landesparteiobmann der steirischen ÖVP gewählt wurde, war mit dieser Wahl ein interessantes machtpolitisches Spiel zu Ende, das manchen Einblick in die Struktur der Kräfte innerhalb der Partei gewährte.

Krainer erhielt von insgesamt 356 Delegierten 284 Stimmen (47 Stimmzettel waren leer und auf 25 standen andere Namen). Rund ein Fünftel der Delegierten gaben also Krainer nicht ihre Stimme. Dennoch ein respektabler Vertrauensbeweis für den Landeshauptmann. Allerdings zeigt das Stimmenverhältnis auch das für steirische Verhältnisse ungewohnte Symptom einer kleinen Opposition. Eine Erscheinung, die der Demokratie nicht abträglich ist, ja sogar zu ihrem Wesen gehört. Vielleicht sollte man sich in der ÖVP im allgemeinen damit abfinden, daß die Beachtung bestimmter demokratischer Erscheinungsformen die Weiterentwicklung der Partei durchaus nicht hindert. Zu diesen notwendigen Erscheinungsformen gehört auch die Auseinandersetzung mit anderen Meinungen.

Es ist sicher, daß Krainer das Amt des Landesparteiobmannes nicht anstrebte, ja daß er sich bis zum Schluß dagegen wehrte, es zu übernehmen. Der „Landesvater“ Krainer hat immer Wert darauf gelegt, für olle Steirer da zu sein, er lehnte daher die nominelle Betrauung mit der Führung der Partei ab. Das fiel ihm um so leichter, als er faktisch die steirische ÖVP in der Hand hatte. In dieser Position konnte er sich natürlich auch aus parteiinternen Streitigkeiten heraushalten und dann, wenn sich die Fäden allzusehr verwirrten, sein Machtwort sprechen. Nach außen hin wahrte Krainer Distanz. Das ging so weit, daß er zum Beispiel an Wahltagen höchst selten, und dann nur kurz, in der Parteizentrale anzutreffen war. Erst nachdem -das Ergebnis feststand, pflegte er am Grazer Karmeliterplatz aufzutauchen. Es ist kaum anzunehmen, daß sich an dieser Haltung etwas Grundsätzliches ändern sollte, außerdem weiß der Durchschnitts-steirer in spätestens einem halben Jahr kaum noch, wer nun eigentlich der ÖVP-Landesparteiobmann ist. Nur das parteiinterne „Heraushalten“ wird dem Landeshauptmann nun etwas schwerer fallen.

Das „Wer-wird-Obmann-Spiel“ zeigte auch Stärken und Schwächen der Bünde in der Steiermark auf. Man kann sagen, daß der Ausgang dieses Ringens hinter den Kulissen die Macht des steirischen Bauernbundes und vor allem die Macht des Bauernbundpräsidenten Wallner wieder einmal dokumentiert hat. Der Wirtschaftsbund, der die Kandidatur Gorbachs für den Posten des Parteiobmannes noch kurz vorher „freudig und dankbar“ in einer Presseaussendung begrüßt hatte, und der ÖAAB erlitten eindeutige Prestigeeinbußen. Die steirische Landesgruppe des Arbeiter- und Angestelltenbundes hatte sich nämlich in einer Vorstandssitzung eindeutig für die Wahl Doktor Gorbachs ausgesprochen. Franz Wegart als ÖAAB-Chef erhoffte sich eine Stärkung seiner ohnedies wohlausgebauten Position, wenn sein einstiger Förderer Gorbach in dem wichtigen Amt des Landesparteiobmannes bestätigt wurde und dieser das Amt nun auch ausüben könnte, da er nicht mehr mit der Kanzlerwürde belastet war. Die Wahl Gorbachs schien also eine „gmahte Wiesn“ zu sein. Da trat Wallner auf den Plan. In einer Sitzung des Bauernbundpräsidiums in Graz wandte er sich heftig gegen eine Kandidatur Gorbachs, und schließlich ersuchte der Bauernbund Landeshauptmann Krainer, das Amt des Landesparteiobmannes zu übernehmen. Krainer sagte unter der Bedingung zu, daß sich alle drei Bünde auf seine Kandidatur einigen müßten. Und das geschah dann auch. Gorbach, der wieder in ein Abenteuer gehetzt worden war, zog unter dem Eindruck dieser neuen Situation seine Kandidatur zurück, und so standen der Wahl Krainers und dem Motto des Parteitages („Durch Einigkeit stark“) nichts mehr im Wege.

Als eindeutiger Sieger dieses „Rangeins“ ging also Wallner mit seinem Bauernbund hervor. Mit Interesse wurde noch vermerkt, daß neben Wallner auch der Bauern-bundabgeordnete Lackner als enra-gierter Sprecher gegen Gorbach aufgetreten war. Lackner stammt aus dem Ennstal, wo auch Landesparteisekretär Dr. Alfred Rainer sein politisches Hinterland hat...

Nach eigenen Angaben hat der Bauernbund in der Steiermark 51.295 Mitglieder (Stand 1964) und ist damit der weitaus stärkste Bund.Bemerkenswert ist, daß der Bauem-bund innerhalb von drei Jahren, von 1961 bis 1964, 1623 neue Mitglieder gewinnen konnte. Dieses Phänomen ist um so erstaunlicher, als sich langsam, aber deutlich eine Verlagerung des ÖVP-Wählerpotentials von den Landgemeinden in die Städte zeigt. Aus einer Dokumentation der ÖVP-Landesleitung Steiermark geht hervor, daß bei der Landtagswahl 1965 rund ein Drittel aller ÖVP-Stimmen aus den 22 städtisch strukturierten Gemeinden kommen. Bei der Landtagswahl im Jahre 1961 waren es nur 31 Prozent, bei der Nationalratswahl 1959 30,7 Prozent, bei der Nationalratswahl 1953 waren es 27,9 Prozent und bei der Nationalratswahl 1949 sogar nur 24,9 Prozent. Zwar lag das Schwergewicht der steirischen Volkspartei auch 1965 noch in den ländlichen Gemeinden, aus denen Gemeinden 1962 noch zu 42,7 Prozent am ÖVP-Gewinn beteiligt waren, wiesen sie 1965 einen Verlust von 799 Stimmen aus. Von den 11.693 Stimmen, die die ÖVP gegenüber der Landtagswahl im Jahre 1961 bei den Landtagswahlen 1965 dazugewann, entfielen etwas mehr als ein Drittel auf Graz, der Rest auf die übrigen städtischen Gemeinden.

Man sollte nun meinen, daß sich dieser Umschichtungsprozeß vor allem für den ÖAAB auswirkt, Aber dem ist nicht oder zumindest noch nicht so, obwohl der steirische AAB eine ständige Aufwärtsbewegung durchmacht und derzeit 28.167 Mitglieder (Stand 1965) hat. 1955 waren es 23.305 Mitglieder. Das heißt: Innerhalb von zehn Jahren wuchs die Mitgliederzahl um 4862. Im gleichen Zeitraum, in dem der Bauernbund 1623 neue Mitglieder verzeichnen konnte, nämlich von 1961 bis 1964, stieg die Mitgliederzahl des Arbeiter- und Angestelltenbundes um 1391. Der „Zuzug“ beim aufstrebenden ÖAAB war also weniger als beim Bauernbund, der sich auf Grund der Verlagerung der Bevölkerungsstruktur eigentlich auf dem absteigenden Ast befinden sollte.

Dieses Kräfteverhältnis fand auch darin seinen Ausdruck, daß ÖAAB-Chef Landesrat Wegart das Amt des Landesparteifinanzreferenten verlor, das seit dem Parteitag nun der bisherige Geschäftsführende Landesparteiobmann, Unterrichtsminister Dr. Piffl, innehat. Dr. Piffl ist Bauernbündler.

Der zahlenmäßig schwächste Bund ist in der Steiermark mit 23.057 Mitgliedern (davon 1228 außerordentliche) der Wirtschaftsbund. Uberraschend hoch allerdings ist die Zuwachsrate, die angegeben wird: In den Jahren 1962 bis 1965 verzeichnet der Wirtschaftsbund 7597 neue Mitglieder (davon 342 außerordentliche). Von Kennern der Situation wird dieses rasante Anwachsen der Mitgliederzahl mit einer etwas eigenwilligen Zählmethode erklärt, die eine Mitgliedschaft bei diesem Bund auch auf Familienmitglieder ausdehnt, ein Verfahren, das auch beim Bauernbund nicht unbekannt sein soll. Mit Politikern, wie Landesrat Peltzmann, Vizebürgermeister Staffier oder dem Landtagsabgeordneten Heribert Pölzl, hat der Wirtschaftsbund einige politisch aktive Exponenten in der Landes- und Kommunalpolitik. Wie es heißt, soll sich auch Stadtrat Kaufmann als neuer Geschäftsführender Obmann schon einigermaßen eingelebt haben.

Die Tatsache, daß sich in einer Partei, die um Modernität und Fortschrittlichkeit bemüht ist, für die Position des Landesparteiobmannes nur die Alternativen eines in der Bundespolitik gescheiterten alten Mannes und eines ebenfalls nicht mehr ganz jungen Landeshauptmannes boten, der auf den Posten gar nicht erpicht war — allein diese Konstellation beweist, daß das Nachwuchsproblem in der steirischen ÖVP nach wie vor da ist.

In den Bünden schaut es mit diesem Nachwuchs nicht sonderlich rosig aus. Hier zeigen sich deutlich die Nachteile der „Persönlichkeitspolitik“, die für die ÖVP so kennzeichnend ist. Nicht nur in der Steiermark. So notwendig die Persönlichkeit in der Politik ist, so hemmend ist sie oft für die ebenfalls notwendige Heranbildung des Nachwuchses. Eine Persönlichkeit läßt kaum andere Persönlichkeiten neben sich aufkommen. Das geht gut, solange es sich um eine echte Persönlichkeit handelt. Die Gefahren dieses Prinzips werden aber offenkundig, wenn zum Beispiel in den Bünden, Bezirksparteiorganisationen usw. der Mittelmäßige nach oben rutscht. Der hat noch mehr Angst vor der „Konkurrenz“ als die wirkliche Persönlichkeit und umgibt sich sorgsam mit Paladinen, die noch mittelmäßiger sind als er. Vor diesen Gefahren, die zu einer mittelmäßigen Politik und zu einer Überwertung der Taktik vor den Ideen führt, bleibt keine Partei verschont 56,9 Prozent aller ÖVP-Stimmen stammen, aber ein dauernder, merkbarer Rückgang ist nicht zu übersehen. Vor allem in den 360 Kleinstgemeinden. Während die ländlichen

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