6816633-1973_13_01.jpg
Digital In Arbeit

Eine tragische Stunde der ÖVP?

Werbung
Werbung
Werbung

Die Gemeinderatswahlen in Kärnten sind für die SPÖ ungünstig ausgefallen. Ebenso wie vor kurzem die Wahlen in Graz und wie vor einiger Zeit die Wahlen in der Stadt Salzburg. In Graz betrugen die Verluste der SPÖ rund 8 Prozent, in Kärnten rund 6 Prozent. Nach Graz und Salzburg war es Klagenfurt, wo die SPÖ die absolute Mehrheit verlor. Obwohl die SPÖ, und auch die anderen Parteien, immer wieder versicherten, daß es bei diesen Gemeinderatswahlen nur um kommunale Fragen gehe, sind sie dennoch ein sehr deutlicher Test gegen die Politik der Bundesregierung.

Die Wahlergebnisse besagen, daß die Aufwärtsentwicklung der SPÖ nicht nur gestoppt ist, sondern daß sie sich in rückläufiger Bewegung befindet. An sich ist so eine Erscheinung nicht verwunderlich. Eine Partei, die allein die Last der Regierung trägt, muß nach einer gewissen Zeit Abnützungserscheinungen aufweisen. In einer Koalitionsregierung sind die Gewichte anders verteilt und jede der regierenden Parteien kann sich auf die andere ausreden.

Die Wahlen in Salzburg, Graz und Kärnten, zu denen man auch noch di* Wahlen im Burgenland und, wenn man will, auch noch die Wahlen in die burgenländische Landwirt-schaftskaimmer am letzten Sonntag zählen kann, spiegeln nur zu deutlich das Unbehagen wider, das in der Bevölkerung seit kurzem gegenüber der Regierung Kreisky besteht. Da ist zunächst die enorme Teuerung, die allen Bevölkerungsschichten zu schaffen macht. Als unter der Regierung Klaus die Preise um 3 Prozent stiegen, warf ihr Kreisky inflationistische Tendenzen vor. Jetzt sind die Preise um mehr als 8 Prozent gestiegen, und Österreich befindet sich unter jenen europäischen Ländern, die von der Inflation am stärksten erfaßt sind. Vor allen Dingen hat die Bevölkerung das Gefühl, daß diese Preissteigerunigen noch nicht zu Ende sind und nicht etwa Luxusartikel, sondern die lebensnotwendigen Dinge betreffen. Dazu kommt das Gefühl, daß die Regierung auf der anderen Seite das Geld mit vollen Händen hinauswirft — wie etwa bei der Schulbuchaktion. Die ewigen Versuche der Regierung Kreisky, den ORF umzufunktionieren, das heißt, ihn der Regierung gefügig zu machen, haben ein weiteres Unbehagen in der Bevölkerung verursacht. Die Österreicher spüren, daß eine objektive Berichterstattung einfach unmöglich gemacht werden soll. Seitdem vor den Wahlen im Jahr 1966 die Sozialisten die „Kronen-Zeitung“ ihren Besitzern zu entreißen versuchten, sind die Österreicher für solche Manipulationen eben hellhörig geworden, auch wenn Bruno Kreisky vorsichtiger vorgeht als einstmals Bruno Pittermann. Auch die Demontage des Bundesheeres liegt vielen Österreichern in den Knochen.

So ist es nur zu begreiflich, daß die Österreicher diese Kommunalwahlen dazu benützten, Bundeskanzler Kreisky und seinem Team einen Denkzettel zu erteilen.

Der erste Sieger in diesen Denkzettelwahlen ist allerdings die kleine FPÖ und nicht die große ÖVP, die verhältnismäßig schlechter abschnitt. Der Index der Gewinne der ÖVP bebewegt sich in den drei Städten Salzburg, Graz und Klagenfurt bei durchschnittlich 112 — der der FPÖ bei 134 —, in Klagenfurt gewann die FPÖ sogar 63 Prozent zu ihrem bisherigen Potential dazu. Und hier stoßen wir auf einen tragischen Aspekt der Politik der heutigen ÖVP. Sowohl die Sozialisten als auch die ÖVP können mit den eigenen Stammwählern niemals eine Mehrheit erringen. Man muß sich um jene Wähler bemühen, die nicht direkt zum eigenen Lager gehören. Niemand hat dies besser verstanden als Bruno Kreisky. Seine Erfolge 1970 und 1971 sind darauf zurückzuführen, daß seine Persönlichkeit viele nichtsozialistische Wähler faszinierte und sie hoffen ließ, er habe aus der SPÖ so etwas wie eine linksliberale Volkspartei gemächt. Auch die ÖVP weiß, daß sie heute Randschichten gewinnen muß. Aber unter ihrem Führungsteam ist heute niemand, der, wie einst Raab, Figl, Krainer, Gleißner oder Hartmann, die österreichischen Wähler auf eine ähnliche Weise faszinieren könnte, wie dies Bruno Kreisky immer noch vermag. Das schönste Parteiprogramm nützt nichts, wenn die führenden Persönlichkeiten, die es vertreten, keinen persönlichen Erfolg bei den Wählern erzielen.

Und viele Wähler haben eben das Gefühl, daß die ÖVP gar nicht die führende Oppositionsroll spielt. Dazu kommt der Glaube einiger ÖVP-Funktionäre, man könne die SPÖ dadurch überrunden, daß man links von ihr marschiere.

Gerade die Testwahlen in Kärnten, Salzburg und Graz beweisen, daß weite Teile der Bevölkerung eben nicht eine Politik links von der SPÖ wünschen. So haben etwa die Verstaatlichungspläne eines Vizekanzlers Häuser tiefstes Mißtrauen in der nichtsozialistischen Bevölkerung hervorgerufen. Aber es war die FPÖ, die sich immer wieder gerade die Pläne dieses Politikers zum Ziel ihres Angriffes auswählte; ebenso, wie sie immer wieder den Gesundheitsminister, Frau Leodolter, den Landesverteidigungisminister Lütgendorf und den Landwirtschaftsminister Weihs angreift. Mit sicherem Instinkt erkannte sie, daß hier die verwundbarsten Stellen der Regierung Kreisky sind: und sie hatte den sicheren Instinkt, daß die Bevölkerung gerade auf diesen Gebieten nicht links marschieren will, schon gar nicht links von den Sozialisten. Dies nicht genügend erkannt zu haben, ist die Tragik der ÖVP.

Wenn jemand Lehren aus diesen Testwahlen zieht, dann wird es wahrscheinlich Bruno Kreisky sein. Der politische Kommentator der „Kronen-Zeitung“ plauderte in einer der letzten Nummern aus der Schule, als er sagte, die FPÖ wolle die absolute Mehrheit der SPÖ brechen, um dann mit Kreisky eine Kleine Koalition zu bilden. Dem Zauberer Kreisky ist diese Tendenz vielleicht gar nicht so unrecht, wie ihm auch wahrscheinlich die Niederlagen nicht ganz so unwillkommen sind. Mit der FPÖ kann er die extremen Pläne seiner Linksaußen verhindern, er kann wahrscheinlich Frau Leodolter abhalftern, ebenso die Minister Weihs und Lütgendorf. Und in einer Kleinen Koalition kann er weiterhin den Nimbus der linksliberalen sozialistischen Volkspartei propagieren. Die ÖVP kann dieser Gefahr nur entrinnen, wenn sie endlich aufhört, links von den Sozialisten zu marschieren und zu jenen grundsatzpolitischen Grundlagen zurückkehrt, mit denen sie durch Jahrzehnte in Österreich Wahlsiege errungen hat.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung