Spießrutenlauf zur Staatsbürgerschaft

Werbung
Werbung
Werbung

Mit Schleppern kam der Sudanese Amir al-Amin 1990 nach Österreich. Jetzt hat er die Staatsbürgerschaft. Den turbulenten Weg dorthin dokumentiert er in einem Buch.

Amir al-Amin ist islamischer Religionslehrer, Seelsorger und Vorbeter in einer Moschee in Klagenfurt. Im Jahr 1990 kam der gebürtige Sudanese nach Österreich. Als er fast zwanzig Jahre später auch auf dem Papier Österreicher werden wollte, wurde sein Fall zu einem zermürbenden Politikum. Über seine Erfahrungen erzählt er in seinem neuen Buch und im Gespräch mit der FURCHE.

Die Furche: Sie sind 1990 nach Österreich gekommen. Jetzt haben Sie Ihre Erlebnisse als dunkelhäutiger Muslim niedergeschrieben. Was hat Sie dazu bewogen?

Amir al-Amin: Ich bin überzeugt davon, dass meine Erzählungen nützlich sind, weil man von den Erfahrungen anderer Menschen lernen kann. Ich habe Dinge erlebt, die einem durchschnittlichen Österreicher gar nicht in den Sinn kommen. Davon zu erfahren, hilft, ein Bild vom Leben der Ausländer und Muslime in Österreich zu bekommen.

Die Furche: Mittlerweile haben Sie die österreichische Staatsbürgerschaft, aber der Weg dorthin war steinig. Fünf Jahre haben Sie darum gekämpft. Schlussendlich hat der Verfassungsgerichtshof dafür entschieden, nachdem das Land Kärnten den Antrag zwei Mal abgelehnt hat. Der damalige Landeshauptmann Jörg Haider ließ Ihnen durch die Medien ausrichten, er wolle keine Islamisten und Hassprediger in Kärnten. Warum ist Ihr Fall so eskaliert?

Amir al-Amin: Weil ein Rechtspopulist damit Progapanda machen wollte. Der damalige Chef der Staatsbürgerschaftsbehörde in Kärnten meinte, dass es keinen Grund gäbe, den Antrag nicht positiv zu erledigen. Aber Jörg Haider sagte ihm direkt, dass er das nicht unterschreiben werde. Er hat mir über die Medien Vorwürfe gemacht, wollte mich als schlechten Menschen darstellen. Für seine Anschuldigungen gab es keine Grundlage, das hat auch der Verfassungsgerichtshof bestätigt. Haider wollte mit mir für Aufmerksamkeit sorgen, weil ich Ausländer und Muslim bin. So einfach ist das.

Als Sie Jörg Haider ein paar Jahre zuvor kennengelernt haben, hat er Sie um Unterstützung im Wahlkampf gebeten. Warum haben Sie sich darauf eingelassen?

Amir al-Amin: Weil ich damals schon Prediger war in Kärnten, schickte mir Haider einen Freund aus Ägypten vorbei. Der versuchte mich zu überzeugen, dass Haider nicht gegen alle Ausländer sei, sondern nur gegen schlechte, kriminelle. Da dachte ich mir: Daran ist ja nichts falsch. Haider war damals nicht so direkt gegen Ausländer und Muslime, ich hoffte auf einen Dialog der Kulturen. Erst um 2005 ist er, wie auch andere Rechtspopulisten in Europa, sehr hart gegenüber Muslimen geworden. Die volle Härte habe ich während meinem Staatsbürgerschaftsverfahren zu spüren bekommen.

Die Furche: Im Zuge dessen wurde Ihnen mehrmals mangelnde Integration vorgeworfen. Sie erzählen auch von einer Vermieterin, die Ihnen rät: "Du musst dich integrieren! Du sollst essen und trinken, was auf den Tisch kommt, auch wenn es Schweinefleisch ist.“ Ihre Schlussfolgerung ist, dass viele Menschen in Österreich "Integration“ mit "Assimilation“ verwechseln. Wo verläuft die Grenze?

Amir al-Amin: Integration heißt, dass man wirtschaftlich und kulturell in der österreichischen Gesellschaft integriert ist. Man arbeitet, lernt die Sprache, lebt nicht isoliert von der Gesellschaft. Man pflegt Kontakte, kümmert sich um das Land, leistet positive Dinge. Das ist Integration. Assimilation ist etwas ganz anderes. Es heißt zum Beispiel, dass man die Religionsfreiheit aufgeben muss. Manche Menschen, vor allem Rechtspopulisten, vertauschen die Begriffe auch absichtlich. Sie reden von Integration aber meinen Assimilation. Jörg Haider hat sogar während meines Staatsbürgerschaftsverfahrens in einer Aussendung verkündet, dass Integration nicht genug sei, er wolle die totale Anpassung.

Die Furche: Nationalistische Arroganz sei in Österreich Ihre treue Wegbegleiterin geworden, schreiben Sie. Gleichzeitig kritisieren Sie eine Vermieterin, die "das Fremde interessant findet, wie eine Fernreise, angezogen von der Andersartigkeit“. Wie soll man Zuwanderern begegnen?

Amir al-Amin: Es ist nicht immer nationalistische Arroganz, viele falsche Reaktionen liegen am geringen Wissen über Fremde und an Vorurteilen. Die Leute kennen persönlich keine Ausländer, lesen von ihnen nur in der Zeitung und verallgemeinern. Darin, und in der Propaganda, die diesen Zustand ausnützt, liegt das Problem. Unser Verein in Kärnten hat das Motto: "Durch Wissen erreichen wir das friedliche Zusammenleben.“ Das ist der Schlüssel. Man muss Ausländer als Menschen sehen, sich über ihre kulturellen und religiösen Angelegenheiten informieren. Wenn man über den Islam Bescheid weiß, beeinflusst das auch die Beziehung zu Muslimen.

Die Furche: "Eine gute Ausländerpolitik könnte viele Probleme lösen“, schreiben Sie. Wie sollte die aussehen?

Amir al-Amin: Sie muss sicherstellen, dass Leute nicht hängen bleiben. Viele Menschen bei uns haben keinen Aufenthaltsstatus. Sie werden nicht abgeschoben, aber sie bekommen auch keine richtigen Papiere. Das ist ein furchtbarer Zustand, sie dürfen keine Arbeit annehmen, viele werden kriminell. Die Lösung: Entweder, man muss sofort abgeschoben werden, oder man bekommt Papiere. Außerdem muss die Politik sehr aktiv gegen Diskriminierung und Rassismus auftreten. Das wird momentan nicht ernsthaft bekämpft.

Die Furche: Sie selbst haben nach Ihrer Ankunft in Österreich einen Antrag auf Asyl gestellt, den Sie nach einigen Monaten wieder zurückgezogen haben, weil Sie ein Visum bekommen haben. In der populistischen Debatte wird gerne von "Scheinasylanten“ gesprochen und alle Asylwerber werden unter den Generalverdacht gestellt, in Wahrheit "nur Wirtschaftsflüchtlinge“ zu sein. Können Sie diesen Vorwurf nachvollziehen?

Amir al-Amin: Das stimmt so nicht. Meine Ankunft hat nichts mit wirtschaftlichen Interessen zu tun. Aber wenn es politische Probleme in einem Land gibt, ist man gezwungen, das Land zu verlassen. Die allermeisten Menschen, die zu uns kommen, haben in ihren Ländern große Probleme. So war das auch bei mir. Ich habe den Antrag dann zurückgezogen, weil ich eine andere Lösung als Asyl gefunden habe. Mit dem Visum konnte ich arbeiten und Steuern zahlen. Das heißt aber nicht, dass ich keinen Schutz und keine Hilfe gebraucht habe.

Die Furche: Sie sind mit Schleppern über die grüne Grenze nach Österreich gebracht worden. Was denken Sie, wenn Sie jetzt von Schlepperbanden hören?

Amir al-Amin: Schlepper machen das aus finanziellem Interesse, und nicht um zu helfen. Natürlich muss man das stoppen. Aber gleichzeitig muss man eine andere Lösung für Menschen finden, die Hilfe brauchen.

Die Furche: In Ihrer Moschee predigen Sie schon seit Jahren auf Deutsch. Befürworten Sie ein Gesetz, dass das vorschreibt?

Amir al-Amin: Die muslimische Gruppe in Kärnten ist sehr heterogen. Es gibt Bosnier, Makedonier, Araber, Afghanen, Pakistani, Tschetschenen... Deutsch ist unsere gemeinsame Sprache und ein Zeichen von Integration. Ich hoffe, dass es viele Imame in Österreich so machen. Aber das muss aus Ermutigung geschehen und nicht aus Zwang. Ein Gesetz, dass Menschen vorschreibt, in welcher Sprache sie predigen müssen, ist eine Verletzung der Freiheit des Menschen. Es wird immer viel gefordert, aber was bekommt man zurück? Bei uns wird auf Deutsch gepredigt, aber Lob, Dank oder Unterstützung haben wir nie dafür bekommen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung