Wir kennen das Spiel

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Aussichten auf die politische Landschaft Österreichs - und ein Plädoyer für eine Wahlrechtsänderung.

Dass die Grünen nun doch knapp den dritten Platz ergattern konnten und somit erstmals vor den Freiheitlichen liegen, ist außerordentlich erfreulich. An der wenig erfreulichen Ausgangslage für die Regierungsbildung ändert diese kleine Stimmen-und Mandatsverschiebung freilich nichts.

Dass der ÖVP vor einer Großen Koalition graut, ist aus ihrer Sicht absolut verständlich. In langen dreißig Jahren hatten es ja vermutlich auch viele ÖVP-Funktionäre und-Sympathisanten schon für eine Art ungeschriebene Präambel der österreichischen Verfassung gehalten, dass der Bundeskanzler Sozialist bzw. Sozialdemokrat zu sein und die Volkspartei sich mit dem zweiten Platz (direkt oder indirekt, via Sozialpartnerschaft, mitregierend) abzufinden habe. Aber seit Schüssels Coup von 1999/2000 hat man natürlich Blut geleckt, man weiß wieder, wie die wirkliche Macht schmeckt. Wäre also der neuerliche Eintritt in eine Große Koalition wiederum der Anfang einer lange währenden SP-Herrschaft? Wohl nicht mehr für drei Jahrzehnte, auch die Politik ist kurzlebiger geworden; aber ob die Rechnung aufgeht, den Routinier Molterer brav das Tagesgeschäft verrichten zu lassen, um dann vor den nächsten Wahlen Josef Pröll als - im Gegensatz zu Molterer weitgehend unverbrauchten - Strahlemann zu präsentieren und mit ihm den Kanzlersessel rückzuerobern, erscheint doch mehr als fraglich.

Was sonst? Die VP könne kein Interesse an Neuwahlen haben, da diese vermutlich eine deutliche Mehrheit für Rot-Grün ergäben, meint Herbert Lackner im profil. Nun ist schon richtig, dass die Opposition kein Honiglecken ist; man kann auf deren Bänken auch mehr oder weniger verkümmern, wie die ÖVP aus der Erfahrung der Jahre 1970 bis 1986 nur zu gut weiß. Die Chance zur Schärfung des Profils - diesfalls natürlich gleich mit einem von der Spitze abwärts erneuerten Team - wäre in dieser Konstellation indes deutlich höher denn in einer Partnerschaft mit der SPÖ.

Soll man aber deswegen durch taktische Verweigerung eine rot-grüne Minderheitsregierung erzwingen, für deren programmiertes Scheitern man dann natürlich verantwortlich gemacht würde? Die ÖVP, die ihre eigenen Interessen einmal mehr vor jene der Republik gestellt hat, während es der SPÖ einzig um das Wohl des Landes zu tun war: Diesem Bild, genüsslich an die Leinwände der Öffentlichkeit projiziert, wirksam etwas entgegenzusetzen, käme einem kommunikationstechnischen Husarenstück gleich.

Überdies stellte sich auch im Falle einer späteren Ablöse von Rot-Grün durch die ÖVP für diese dann erneut - und noch schmerzlicher - die Frage der Partnerwahl. Ein Wechsel von Rot-zu Schwarz-Grün brächte den Grünen gravierende Glaubwürdigkeitsprobleme und entsprechende interne Verwerfungen. Das "Ich-kann-prinzipiell mit jedem" hat etwa auch der deutschen FDP imgagemäßig nicht gerade gut getan, schnell ist das böse Wort vom "Mehrheitsbeschaffer" zur Hand. Womit wieder die beiden - vielleicht dann refusionierten? - Pfui-Parteien übrig blieben ...

Keine guten Aussichten, das: nicht nur für die ÖVP, für das Land insgesamt. Denn unter der Voraussetzung, dass Blau/Orange auf mittlere Sicht aus dem Spiel bleiben, haben wir - abgesehen von den jeweiligen Mehrheitsverhältnissen - prinzipiell nur die Möglichkeit einer Großen Koalition unter roten oder schwarzen Vorzeichen und einer Regierung von SP oder VP mit den Grünen. Jetzt kann man - zurecht - beklagen, dass es in Österreich keine weitere, (rechts)liberale, Partei gibt; man kann historisch analysieren, warum das so ist. Man sollte aber auch nach Auswegen suchen.

Ein Ausweg jedenfalls wäre die Schaffung eines mehrheitsfördernden Wahlrechts, welches dennoch Kleinparteien das parlamentarische Überleben sichert. Die möglichen Einwände - freies Spiel der Kräfte, Vielfalt etc. - liegen auf der Hand. Aber die Parteienlandschaft in Österreich ist eben so, wie sie ist. Und nach zwanzig Jahren ebenso peinlichen wie zermürbenden, zunehmend auch von der Skandalisierung bedrohten Sondierens, Verhandelns und Regierungsbildens, möchte man sagen: Danke, wir kennen das Spiel, es reicht.

rudolf.mitloehner@furche.at

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