Bewahrung der Liebe

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Die Diskussion über Verhütung wird - auch unter dem Druck von außen - früher oder später wieder aufbrechen.

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Die Diskussion über Verhütung wird - auch unter dem Druck von außen - früher oder später wieder aufbrechen.

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Vor 30 Jahren sah sich Paul VI. in seinem Gewissen als Papst verpflichtet, der gesamten Welt sein zunächst einsames Nein zu einem der empfindlichsten Themen der modernen Welt ins Gesicht zu sagen: Die direkte Verhinderung einer Zeugung, von Abtreibung gar nicht zu reden, ist "absolut zu verwerfen". Es geschah, was geschehen mußte, und was der Papst vorausgeahnt hatte: Bei ihrem Erscheinen löste die Enzyklika "Humanae vitae" ein geistiges Erdbeben aus. Das Zentrum des Bebens lag bekanntlich im Rom der Katholischen Kirche, seine Wellen aber gingen um die Erde. Während deren ungläubiger Teil nicht recht wußte, ob er über soviel Unverfrorenheit lachen oder weinen sollte, erhob sich in der Kirche selbst, nach einer ersten Schrecksekunde, ein weltweiter Protest. Diejenigen, die als die "führenden" Moraltheologen galten (welche Qualifikation dieses "führend" auch sein mag), machten sich daran, eine Moraltheologie zu konzipieren, von der her eine solche Fehlentscheidung (wie sie es sahen) nicht mehr möglich wäre. Nicht prompt, aber doch kam die Antwort auf diese "Neuansätze" in Gestalt einer anderen Enzyklika, nämlich in "Veritatis splendor" von Johannes Paul II., der in der neuen Theorie nicht wirkliche Reform, sondern eine Katastrophe der Moraltheologie überhaupt diagnostizierte und sie darum verwarf.

Was die Familien-Pastoral betrifft, ist eine Patt-Stellung eingetreten, die mehr oder weniger konsequent tabuisiert wird: Einerseits weiß man, wo der andere steht, andererseits gilt es von Seiten der Ablehner von "Humanae vitae" fast als unanständig, die moralische Qualität der modernen Verhütung ernsthaft zum Thema machen zu wollen. Ähnlich in der Wissenschaft: Schon vor Jahren sagte auf einem Moraltheologen-Kongreß ein Teilnehmer zu einem Kollegen, und ich erinnere mich genau an das Gespräch: "Stellen Sie sich vor, der Kollege X hat dem Kollegen Y unterstellt, âHumanae vitae' zu verteidigen! So etwas tut man doch nicht!"

Besorgniserregend ist auch dies: Auf der Seite der Kritiker und der Verteidiger von "Humanae vitae" gab es immer wieder Veranstaltungen zum Thema. Nur - man blieb unter sich, sei es, daß man bezüglich eines Gespräches mit den "anderen" resigniert hatte, sei es, daß diese nicht wollten, sei es, daß die Berührungs-Ängste schon zu groß geworden waren. Alles in allem, ein trauriges Bild und eine Sackgasse.

Was die Bischöfe betrifft, haben sie damals die bekannten "Erklärungen" abgegeben: die von "Königstein" in Deutschland und die "Mariatroster Erklärung" in Österreich. Vom Gewissen war viel die Rede, aber wenig davon, was der objektive Inhalt des Gewissensspruches sein müßte. Ohne hier die Argumente im einzelnen ausfalten und die Positionen genau erörtern zu können: unter dem Strich wurden beide Erklärungen als bischöfliche Erlaubnis gelesen, vielleicht mit einem irrenden, jedenfalls aber mit "gutem" Gewissen zu verhüten. Die später von Rom geforderten Korrekturen fielen nicht viel klarer aus. Erlebnisse bestätigen das Bild: In einem Gespräch, das auch die Verhütungs-Frage berührte, sagte mir schon vor Jahren eine besonders intelligente Maturantin: "Humanae vitae, das ist doch die Enzyklika, bei der man dem Papst widersprechen darf - das haben wir in Religion gelernt."

Bis zum heutigen Tag hat sich, so scheint es, nicht allzuviel geändert. "Humanae vitae - ja oder nein?" ist ein oder das Hauptkriterium der kirchenspaltenden Einteilung geworden, ob jemand "konservativ" ist oder "progressiv". Kreuzt man, bildhaft gesprochen, auch noch sonst einige typische Fragen (bezüglich der Wiederheirat von Geschiedenen, des Frauen-Priestertums etc.) "falsch" an, gehört man zur hoffnungslos-gefährlichen Kategorie der Fundis.

Hoffnungslos? Nein, die Diskussion wird früher oder später neu aufbrechen. Vielleicht auch unter dem Druck von Entwicklungen von außen, die überraschende Perspektiven ergeben: In "Noi donne", einer feministischen Zeitung Italiens, war neulich zu lesen: Die natürlichen Methoden der Empfängnisregelung sind im Interesse der Frauen, wir sollten sie nicht den Katholikinnen überlassen.

Viele Feministinnen haben die UNO-Programme für Bevölkerungs-Kontrolle scharf kritisiert, weil sie durchschauten, wie frauenfeindlich viele Verhütungsmittel sind und wie sehr sie den Frauen, vor allem den farbigen, von Leuten (Männern?) aufgedrängt werden, die ganz andere Interessen verfolgen als die der Frauen.

Irgendwann werden auch die "Grün-Denkenden" die Unlogik ihrer offiziellen Partei-Führungen entdecken: Froschteiche müssen Chemie-frei bleiben (richtig!), aber in die Frauen - in sie kann man hineinpumpen, soviel nur nötig ist, um den Männern ihr geliebtes "grünes" Licht zu geben? Vielleicht bedarf es erst einer öffentlichen Diskussion über die verspätete Rückwirkung der Pille auf die Männer und ihre Potenz, damit bestimmte Leute begreifen.

Sowenig grüne oder feministische Argumente für die Moraltheologie an erster Stelle stehen können, sie werden früher oder später Betroffenheit auslösen und damit auch einen Denk-Prozeß. Die Folge könnte die Entdeckung sein: Paul VI. war nicht nur weltfremd, sondern hat der Welt gesagt, was dringend nötig ist: für die Liebe von Mann und Frau und überhaupt für die Bewahrung der Schöpfung namens Mensch.

Der Autor ist Moraltheologe und Weihbischof der Erzdiözese Salzburg.

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