Irakischer Karfreitag

Werbung
Werbung
Werbung

Die Eliminierung der Christen gehört zu den größten und vergessenen Tragödien im Irak.

Die Meldungen könnten bedrückender nicht sein: Die religiösen, nichtmuslimischen Minderheiten im Irak gehören zu den am meisten betroffenen Opfern der Gewalt im Land - ohne dass sich eine Verbesserung der Lage abzeichnet. Schon Mitte 2006 alarmierte ein Bericht des UN-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR: Von den 1,4 Millionen Christen hätten in den Jahren seit dem Irakkrieg 700.000 das Land verlassen. Heute fliehen pro Tag (!) 2000 Irakis ins benachbarte Syrien, der Anteil der Christen darunter ist überproportional hoch, der UNHCR-Bericht spricht etwa von 44 Prozent der sich im Großraum Damaskus aufhaltenden Flüchtlinge.

Als "Komplizen" verdächtigt

Die Christen im Irak sind dabei keine "Zugereisten", sondern "Alteingesessene": Denn seit den ersten Jahren des Christentums gibt es im Zweistromland christliche Gemeinschaften. Doch heute finden viele keine Existenzmöglichkeit mehr vor - es wird ihnen von radikalen muslimischen Predigern "unislamische Lebensweise" vorgeworfen, vor allem aber müssen sich Christen mit dem Vorwurf herumschlagen, Komplizen der Amerikaner zu sein, wie Johann Marte, der Präsident der Stiftung Pro Oriente, weiß. Marte erklärt die prekäre Lage der Christen auch damit, dass die Minderheit keinerlei Möglichkeit hat, selbst für ihre Sicherheit zu sorgen: Sunniten wie Schiiten würden sich auf ihre jeweiligen Milizen verlassen, Christen hätten aber keine eigenen Sicherheitskräfte, und die öffentliche Hand sei schlicht und einfach nicht fähig, den Schutz der Minderheit zu gewährleisten.

Marte ist äußerst pessimistisch, was eine Verbesserung der Lage der Christen im Irak anbelangt. Vor allem, wenn der Verfassungsentwurf von 2005 wirklich in Kraft treten sollte, stehe das Schlimmste zu befürchten. Der Verfassungsentwurf greife auf die Scharia zurück - unter anderem würde die Todesstrafe für Konversionen wieder im Raum stehen. Aber auch in den weniger "dramatischen" Bestimmungen sieht Marte die (Rechts-) Sicherheit der Christen gefährdet: So würden die islamischen Stiftungen unter den Schutz des Gesetzes gestellt, die nichtislamischen dagegen nicht.

Keine (Rechts-)Sicherheit

Eine Pro Oriente-Delegation wird nach Ostern den Nordirak besuchen, darunter auch den chaldäisch-katholischen Erzbischof von Kirkuk, Louis Sako, der im Oktober anlässlich eines Wien-Besuchs auch der Furche ein Interview gegeben hat, in dem er meinte, der Irak stehe vor einer Spaltung in drei Entitäten - eine schiitische, eine sunnitische sowie eine kurdische. Der kurdische Norden, zu dem ein Gutteil von Sakos Diözese gehört, gilt als relativ "sicher". Erst im Jänner übersiedelte das Babel College aus Bagdad nach Ankawa in der Nähe der kurdischen Stadt Erbil. Monatelang war die einzige christliche theologische Hochschule im Irak, die von der chaldäisch-katholischen Kirche getragen wird, geschlossen, weil die Lage in Bagdad unhaltbar geworden war. Von der "vorübergehenden" Verlegung der theologischen Ausbildungsstätte erhofft man sich, den Studienbetrieb einigermaßen aufrecht erhalten zu können.

Allerdings wird auch im Norden des Irak die Lage für Christen schwieriger. In der Nacht zum 26. März wurden zwei Christinnen, 79 und 85 Jahre alt, in ihrer Wohnung nahe der Kathedrale von Kirkuk ermordet. Die Furche erreichte Erzbischof Louis Sako via E-Mail und fragte nach den Hintergründen und der Situation der Christen. Die beiden Frauen waren, so Sako, Opfer eines Raubüberfalls, der nichts mit dem religiösen und politischen Konflikt zu tun habe. Aber es sei keine Frage, dass solch ein Vorkommnis die Menschen und insbesondere die Christen in Schrecken versetze.

Die Armen kommen

Generell bestätigt Sako die Einschätzung, wie prekär die Lage der Christen im Irak ist: "Die Christen in Bagdad oder Mossul sind mit Mord und Kidnapping unter hohen Lösegeldforderungen konfrontiert. Diejenigen, die aus dem Land können, gehen nach Syrien, Jordanien, sogar nach Europa." Die Ärmeren hingegen, so der Erzbischof, kommen ins Kurdengebiet: "Aber sie haben hier nichts: keinen Job, keinen Strom, keine Seelsorge durch die Kirche, das Leben ist sehr teuer für sie!" Daher würden auch sie das Land verlassen, wenn nichts geschehe.

Was schlägt Louis Sako vor? Der Erzbischof meint, die Ortskirche müsse neue politische Gespräche führen, um mit kirchlichen Hilfsorganisationen sowohl für Bagdad als auch für Mossul und für den Norden kleine Projekte zu entwickeln, "um die Menschen zum Bleiben zu bewegen, sie zu beschäftigen und ihnen Hoffnung zu geben". Sako nennt konkret kleine Fabriken, Landwirtschaftsprojekte, Krankenhäuser, Schulen.

Und der Erzbischof macht klar, was gerade für die Christen dringlich ist: "Wir brauchen eine Strategie für die Zukunft. Wenn wir diese nicht entwickeln, wird der Irak ohne Christen sein!"

Hilfsaktion

Mitte April wird eine Delegation von Pro Oriente in den Nordirak reisen. Die Reise soll ein Zeichen der Solidarität sein: "Wir wollen den bedrängten Christen zeigen, dass wir im Westen sie nicht vergessen haben", so Johann Marte, der Präsident von Pro Oriente. Die Fahrt wird auch als Fact Finding Mission dienen, um die Möglichkeiten konkreter materieller Hilfe zu erkunden, denn die aktuellen Ressourcen der Christen reichen bei weitem nicht aus.

Pro Oriente ist daher auf Spenden angewiesen, um die Christen im Irak auch finanziell unterstützen zu können.

Die Furche schließt sich diesem Appell an und bittet ihre Leserinnen und Leser um Spenden auf das Konto der "Stiftung Pro Oriente", Konto Nr. 251850 beim Bankhaus Schelhammer & Schattera (BLZ 19190), Verwendungszweck: "Hilfsaktion für Christen im Irak (F)" oder mittels beiliegendem Zahlschein.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung