KatzeHeizen Heizkörper - © Foto: iStock / Larisa Stefanuy

Erneuerbare Wärme: Aufgeschoben, aber nicht aufgehoben

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Es war einmal – eine Regierungsvorlage für hundert Prozent erneuerbare Wärme bis 2040. Nun gibt es nur Förderungen. Was fehlt, sind Klarheit und Planbarkeit. Ein Gastkommentar.

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Es war einmal – eine Regierungsvorlage für hundert Prozent erneuerbare Wärme bis 2040. Nun gibt es nur Förderungen. Was fehlt, sind Klarheit und Planbarkeit. Ein Gastkommentar.

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Der 2. November 2022 war ein besonderer Tag für all jene, die jahrelang an diesem Gesetz gearbeitet hatten: Im 35. Ministerrat haben die beiden Koalitionspartner ÖVP und Grüne das Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWG) beschlossen. Im Paket: Der Ausstieg aus Öl- und Gaskessel bis 2035 bzw. 2040. Auf den Titelseiten der Zeitungen wurde zugleich das Ende der fossilen Heizung verkündet: Aufregung aus der Bevölkerung war kaum zu vernehmen. Denn mit dem Umstieg auf Wärmepumpen, Biomasseheizungen sowie Nah- und Fernwärme liegen Alternativen auf dem Tisch – auch wenn die konkrete Umsetzung in vielen Fällen eine Herausforderung ist.

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Die Regierungsvorlage von damals bestand im Wesentlichen aus drei Teilen: Der eine enthielt ein schlankes Verbot für den Einbau von Kohle-, Öl- und Gasheizungen im Neubau; der zweite ein klares Datum für das Ende von fossilen Heizungen und der dritte eine umfassende Regelung dafür, wie mit den 1,7 Millionen Anlagen in bestehenden Gebäuden zu verfahren sei, um die Raumwärme bis spätestens 2040 auf klimafreundliche und energieeffizientere Heizsysteme umstellen zu können.

Das Gesetz konnte im Nationalrat nicht allein mit den 97 Mandaten der schwarz-grünen Koalition verabschiedet werden, sondern brauchte mindestens 122 zustimmende Abgeordnete – wie so oft im Energiebereich, wenn Regelungen in den Kompetenzbereich der Länder eindringen. In den darauffolgenden Monaten wurde verhandelt. Lange hörte man nichts mehr vom EWG.

Am 17. Oktober 2023 war mit der Präsentation des „Wärmepakets“ klar: Vom ursprünglichen Gesetzesentwurf bleibt ein Drittel übrig. Der größere Teil mit Regelungen zum Gebäudebestand und das konkrete Enddatum für fossile Heizungen wurde gestrichen. Vorgestellt wurde das Verbot von Gasheizungen im Neubau – eine Ergänzung des bereits seit 1. Jänner 2020 gültigen Ölkesseleinbauverbotsgesetzes, das Öl- und Kohleheizungen im Neubau untersagt. Besitzer und Besitzerinnen der fossilen Heizungen im Bestand sollen mit höheren Förderungen zum Umstieg bewegt werden: Kombiniert man die unterschiedlichen Unterstützungsleistungen von Bund und Ländern, sollen künftig bis zu 75 Prozent der Kosten einer neuen, klimafreundlichen Heizung bezuschusst werden.

Die Erhöhung der Förderungen wird vor allem dort einen zusätzlichen Schwung bringen, wo die Hürden für den Öl- und Gasausstieg generell niedriger und der finanzielle Spielraum größer ist – in Ein- und Mehrfamilienhäusern. Profitieren werden von den Förderungen auch Installateure und Heizungshersteller. Ihre Dienstleistungen und Produkte werden eine höhere Nachfrage erfahren. Dennoch – auch aus der Perspektive der Professionisten – wäre ein langfristig orientierter, klarer Plan für den Ausstieg aus Öl- und Gasheizungen eine bessere Grundlage für den Aufbau von Fachkräften und Produktionskapazitäten gewesen als ein Paket, das auf dem Weg bis 2040 vieles offenlässt.

60 Prozent der Immobilienbesitzer(innen) wollen ihr Wärmesystem erst erneuern, wenn es nicht mehr anders geht. Erst klare Vorgaben lösen einen Handlungsimpuls aus.

Zwar zeigt die Regierung mit dem geplanten Verbot von Gasheizungen im Neubau klar, dass die Technologie in der Raumwärme ein Auslaufmodell ist. Für die vielen hunderttausenden Gasheizungen, die in bestehenden Gebäuden im städtischen Bereich verbaut sind, werden Förderungen aber nicht ausreichen. Allein in Wien gibt es mehr als 550.000 Gasheizungen – 300.000 davon als Gasetagenheizungen in unsanierten Gebäuden.

In diesen Bestandsobjekten gibt es oft komplizierte Eigentümerstrukturen, was Sanierungs- und Heizungsprojekte erschwert. Mieter(innen) tragen die laufenden Kosten einer Gasheizung, während Vermieter nur geringe Anreize haben, die Wärmeverteilung im Haus gemeinsam mit den anderen Besitzer(inne)n zu zentralisieren oder das Gebäude zu sanieren, um schlussendlich ein neues Heizsystem einzubauen oder – wohl oft die geeignetste Alternative – das Haus an die Fernwärme anzuschließen.

Die freiheitsliebende Schweiz als Vorbild

Änderungen im Gaswirtschaftsgesetz, das derzeit eine für den Gasausstieg kontraproduktive Anschluss- und Erhaltungspflicht für Gasnetzbetreiber vorsieht, sowie Anpassungen im Mietrechts- und Wohnungseigentumsgesetz sind notwendig, um Hürden zu entfernen. Bindende Vorgaben für die Energieraumplanung, die die Entwicklung von Alternativen wie Fernwärme oder Anergie-(Niedertemperatur)-Netze synchronisiert mit der Stilllegung von Gasleitungen vorantreibt, sind unerlässlich.

Auch die Empirie zeigt die Grenzen von Förderungen auf: 2021 haben die Österreichische Energieagentur und SORA im Auftrag des Klimaministeriums die Motive von 1400 Immobilienbesitzer(inne)n unter die Lupe genommen. Für 50 Prozent sind attraktive Förderungen ein gewichtiges Argument für eine Heizungsmodernisierung. 60 Prozent wollen ihr Wärmesystem aber erst dann erneuern, wenn es nicht mehr anders geht, etwa weil ein Gesetz den Tausch vorschreibt. Auch, wenn diese Erkenntnis politisch nicht besonders populär sein mag: Klare Vorgaben mit einem kalkulierbaren zeitlichen Horizont wirken – und bei vielen Menschen lösen erst diese einen Impuls zum Handeln aus.

Wie es funktionieren könnte, zeigt ausgerechnet die freiheitsliebende Schweiz: Zürich will bis 2040 klimaneutral sein. Derzeit werden noch rund zwei Drittel der Wärmeversorgung durch Gas und Öl abgedeckt. 2022 hat der Gemeinderat die Wärmeversorgungsverordnung verabschiedet. Sie legt fest, dass ab 2040 in Gebäuden kein fossiles Gas mehr für Warmwasser und Beheizung verwendet werden darf. Die Stilllegung von konkreten Abschnitten des Gasnetzes wird mindestens fünf Jahre im Voraus angekündigt. Der Rückbau erfolgt abgestimmt mit dem Ausbau der thermischen Netze. Hausbesitzer(innen) müssen dem Plan entsprechend ihre Gebäude zeitgerecht umrüsten und können dabei auf ein Unterstützungsangebot der Stadt zurückgreifen.

Zürich zeigt: Langfristig orientierte Regelungen sorgen für Klarheit, Planbarkeit und Sicherheit. Früher oder später wird es sie auch in Österreich brauchen.

Die Autoren sind Geschäftsführer sowie Strategie- und Business-Developer der Österreichischen Energieagentur.

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