Gast-Kommentare

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Brigitte Quint über vorlaute Gäste und Verwandte, die den Mund nicht halten können.

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Brigitte Quint über vorlaute Gäste und Verwandte, die den Mund nicht halten können.

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Eine Freundin von mir hat Zoff mit ihrer Schwägerin. Den Ausschlag gab ein Naserümpfen. Ihre Schwägerin hatte ihr erzählt, dass ihr 14-jähriger Sohn nach der Mittelschule eine Lehre als Kellner beginnen wird. Anscheinend hatte sie erwartet, meine Freundin würde ihr oder ihrem Sohn oder beiden zu dieser Entscheidung gratulieren. Doch das Gegenteil war der Fall, was meine Freundin mittels ihres Gesichtsausdruckes kundtat.

„Was schaust du so?“, soll dann die Schwägerin angriffslustig gefragt haben. Darauf fielen Sätze wie: „Der Bub ist hochintelligent, der kann was Besseres werden.“ Oder: „Du muss dein Kind doch fördern.“ Mehr hatte es nicht gebraucht. Sie werde sich in ihrem Haus nicht erklären lassen, wie sie ihre Kinder zu erziehen habe, meinte die Schwägerin und deutete auf die Tür. Meine Freundin empört sich bis heute.

Zum Namenstag meiner Mutter kam regelmäßig der Onkel Leopold vorbei. Sein Besuch fiel mit der Heuernte zusammen. Daher war mein Vater sowieso schon gestresst. Aber der Onkel Leopold – ein Bankbeamter – erklärte ihm pedantisch, dass er seine Landwirtschaft effizienter führen könnte. Mein Vater ärgerte sich mächtig, aber er wahrte stets Contenance. Ob die Ratschläge des Onkels allesamt Unfug waren? Ich fürchte, nein. Was keine Rolle spielt. Er wusste nicht, wann es Zeit ist, den Mund zu halten.

In der Sache kann ich nachvollziehen, dass meine Freundin eine Lanze für ein hohes Bildungsniveau bricht. Aber es tickt eben nicht jeder gleich. Und missioniert werden wollen die Leute auch ungern. Der Onkel Leopold spielte Jahr für Jahr mit dem Feuer. Rausgeworfen wurde er nie. Ob ihn das geläutert hätte? Mag sein. Meine Freundin jedenfalls hat beschlossen, sich bei ihrer Schwägerin zu entschuldigen.

Lesen Sie auch die Quint-Essenz "Trump als Liebeselixier" oder "Der Generationenkonflikt".

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