Jus-Vorlesung & Gerichtsverfahren

Werbung
Werbung
Werbung

An diesem Samstag finden in der Synagoge auch eine Jus-Vorlesung und ein Gerichtsverfahren statt. Im ersten Teil geht es um Mord, Totschlag und fahrlässige Tötung, im zweiten Teil um einen Scheidungsprozess. Aber eigentlich geht es um die Frage, wie Menschen die Nähe zu Gott finden können.

Gegen Ende der Tora-Lesung (Num 35,9-34) erhalten die Israeliten die Anweisung, denjenigen, die unabsichtlich einen Menschen töten, Schutz vor Blutrache zu gewähren. Mehrere Fallbeispiele sollen illustrieren, wer ein Mörder ist und wer nicht. Weiteres Blutvergießen soll so vermieden werden. In der darauf folgenden Prophetenlesung (Jer 2,4-28) wird die Streitsache "Gott gegen das Volk Israel" aufgerufen. Gott geht mit seiner Braut Israel ins Gericht und will sich wegen ihrer Untreue scheiden lassen. Seine Anklage lautet, dass sich die Israeliten "von mir entfernten, nichtigen Göttern nachliefen und so selber zunichte wurden." Mit der Anbetung fremder Götter hätten sie ihre Heiligkeit für den Gottes-Dienst verloren.

In beiden Fällen geht es um die Beziehung der Menschen zu Gott. Vergossenes Blut kontaminiert Orte, sodass Gott dort nicht anwesend sein kann (Num 35,33). Moralisches Verhalten und die Einhaltung der rituellen Vorschriften sind Voraussetzungen für die Reinheit, die Gottes Präsenz möglich macht. Sie steht als Ziel hinter den Regeln und Ritualen, die die Hebräische Bibel festlegt. Das gilt auch beim Opferkult im Tempel. Die Religionsphilosophen Martin Buber und Franz Rosenzweig übersetzen das hebräische Wort korban im Buch Levitikus daher nicht als "Opfer", sondern als "Darnahung." Das Ritual drückt spirituelle Bedürfnisse aus, vor Gericht wird eine Beziehung verhandelt und in der Jus-Vorlesung geht es um Theologie - immer mit dem Ziel der Gottesnähe.

Der Autor ist Wissenschafter am Institut für Jüdische Theologie der Universität Potsdam

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung