Heuer fallen das jüdische Pesach-Fest und Ostern zusammen. Am Abend des Karfreitag feiern Juden mit dem Seder-Mahl die Erinnerung an den Auszug aus Ägypten. Aus dem Buch Exodus wird auch am Samstag in der Synagoge gelesen -und in der Osternacht in vielen Kirchengemeinden, die manchmal am Gründonnerstag auch ein Pesach-Mahl nachstellen.Die geteilten historischen Quellen und liturgischen Parallelen sollten nicht über die theologischen Konflikte zwischen Juden und Christen hinwegtäuschen, die in diesen Tagen besonders deutlich werden. Die von Papst Benedikt XVI. rehabilitierte
Vor 100 Jahren, im Februar 1919, wurde eines der einflussreichsten Werke des modernen jüdischen Denkens vollendet: "Der Stern der Erlösung" von Franz Rosenzweig. Es erschien 1921 und bewegt bis heute die Geister -durch seine manchmal bis an die Grenze der Unverständlichkeit reichende Tiefe, aber auch durch seine Entstehungsgeschichte und die Lebensgeschichte des Autors.Rosenzweig, der 1886 in Kassel geboren wurde, entwarf den "Stern" auf Feldpostkarten, die er während des 1. Weltkriegs nach Hause schickte. Daraus wurde eine neo-romantische, existenzialistische Philosophie des Judentums.
Wir sind im "Rembrandt-Jahr", denn 2019 jährt sich zum 350. Mal der Tod des weltberühmten Malers. Bevor die Gedenkfeiern, Würdigungen und Ausstellungen ihren Höhepunkt zum eigentlichen Todestag im Oktober 1669 erreichen, bleibt Zeit für eine nur scheinbar abseitige Frage von Rembrandts Leben und Werk: Wie war sein Verhältnis zu den Juden, vor allem in Amsterdam, wo im 17. Jahrhundert eine der bedeutendsten jüdischen Gemeinden lebte? Ein romantischer Mythos stellt Rembrandt als Freund der Juden dar, die er in seinen Bildern biblischer Szenen würdevoll dargestellt habe. Forscher machen
Weil Juden nicht Weihnachten feiern, können sie an Glühweinständen, Christbäumen und Lebkuchenstapeln vorbei schon aufs neue Jahr schauen. Und obwohl entgegen landläufiger Zuschreibung nicht jeder Jude ein Prophet ist, kann man ein paar Themen erahnen, die 2019 nicht nur für Juden wichtig sein sollten. Rechtspopulismus: Die Europawahl im Mai wird zeigen, wie stark rechtspopulistische Parteien sind. Die EU ist zum Feindbild dumpf-verdrossener Wutbürger geworden, die sich an die glorreiche Vergangenheit ihrer Nation klammern. Sie könnten offen antisemitische Parteien ins EU-Parlament
Antisemitismus in Amerika: Das ist eine Glaubensfrage, die spätestens seit den tödlichen Schüssen in einer Synagoge in Pittsburgh Ende Oktober die Fundamente des amerikanischen Judentums erschüttert. Zu diesen Fundamten gehörte lange Zeit die Überzeugung, dass Amerika anderssei als alle anderen Gemeinwesen und besser für die Juden: keine Staatskirche, aber von Religion getragen; der religiösen Vielfalt und Toleranz verpflichtet. Dieses Sonderbewusstsein definierte die USA seit ihrer Gründung gegen die "Alte Welt": das dunkel-mittelalterliche Europa mit seinen undemokratischen
Am Sonntagabend beginnt für religiöse Juden Sukkót, das "Laubhüttenfest". Es verbindet die Erinnerung an ein biblisches Ereignis mit dem Erntefest. Während der Wüstenwanderung lebten die Israeliten in improvisierten Unterkünften, so wie die späteren Pilger, die für eine Woche nach Jerusalem kamen und im Tempel zum Dank für die Ernte Opfer darbrachten. Sie folgten damit dem Gebot im Buch Levitikus, das zum Laubhüttenfest schreibt: "Sieben Tage hindurch sollt ihr ein Feueropfer für den Herrn darbringen."(23,36)Anders als in heidnischen Kulten sollten im Judentum Opfer nicht die
Erinnerung ist im Judentum ein religiöses Gebot. "Sachór" lautet der hebräische Imperativ für "Gedenke!" Dieses Gedenken fand in der Geschichte in vielen Formen statt: Der Liturgie und dem Festkreis sind Riten eingeschrieben, die an die Volkwerdung Israels im Exodus aus Ägypten ebenso erinnern wie an die Massaker, die Kosaken in 1648/49 unter Juden in Osteuropa anrichteten. Nach der Schoa wurden von Überlebenden "Yiskor-Bücher" verfasst; der Begriff kommt von der hebräischen Wurzel für "gedenken". Diese Bücher halten die Erinnerungen an jüdische Gemeinschaften fest, die von den
An diesem Sabbat hören Beter in der Synagoge die Zehn Gebote -schon wieder. Am ersten Februarwochenende wurde die Passage aus dem Buch Exodus (20,1-14) vorgetragen; nun ist im Tora-Lesezyklus der später entstandene Text aus Deuteronomium (5,6-18) an der Reihe. Die beiden Versionen weisen theologische Unterschiede auf, etwa beim vierten (nach christlicher Zählung dritten) Gebot: den Sabbat zu halten. Die frühere Quelle bezieht sich auf den Schöpfungsbericht. Der Mensch ehrt Gott durch Nachahmung, indem er am siebten Tage ruht (Ex 20,11). Im Verlauf der biblischen Geschichte rückte dann
Fußball ist Glaubenssache. Auch deshalb ist Israel nicht bei der Fußball-WM in Russland dabei. Das Land hat bisher nur ein Mal, 1970, an einer WM teilgenommen. Davor und danach scheiterte es in der Qualifikation -nicht immer aus sportlichen Gründen. Denn Fußball ist auch eine politische Glaubenssache, vor allem für Länder, die den jüdischen Staat ablehnen. So traf Israel 1958 in der Qualifikation auf Sudan und Indonesien, die sich weigerten, zu den Spielen anzutreten. 1974 schloss der Asiatische Fußballverband Israel auf Vorschlag Kuwaits aus. 1994 wurde Israel in die UEFA aufgenommen.
Kein Nachruf auf Philip Roth, der vergangene Woche starb, hat verabsäumt, ihn als bedeutenden "jüdischen" Schriftsteller zu würdigen, obwohl Roth selbst dieses Etikett stets ablehnte. Das Thema seiner literarischen Kreativität sei "Amerika". Warum diese Ablehnung, obwohl sein ganzes literarisches Werk von jüdischen Figuren und Themen geprägt ist?Roths früheste Werke erschienen in den 1950er Jahren, als viele Juden in den USA die Chance sahen, endlich in der weißen Mittelschicht akzeptiert zu werden. In "Goodbye, Columbus"(1959) und anderen Texten hielt Roth ihnen einen Spiegel vor.
Ich habe Anlass, mir über Kindernamen Gedanken zu machen. Ein ebenso dankbares wie heikles Thema, wie Eltern, Verwandte, Freunde und nicht zuletzt die Kinder selbst als Betroffene wissen. Wenn man Originalitätsdrang und Modetrends, religiöse Prägung, Lese-und Fernsehgewohnheiten, Wohlklang und Fürsorge in einen Cocktailmixer gibt und schüttelt, kommt beim einen eine Chantal, beim anderen ein Uthred, beim dritten eine Annika und beim vierten ein Kevin heraus.Biblische Namen gehen immer, denken viele, bis sie auf Hephzibah (2 Kön 21,1) und Hallochesch (Nehemia 3,12) stoßen, was immerhin
In diesen Tagen lassen sich weltweit tausende Juden von einer Gruppierung zum Pessach-Mahl einladen, mit der sie theologisch Probleme haben. Die Lubawitscher sind eine orthodoxe Strömung, benannt nach dem russischen Ort, in dem sie 1775 entstand. Sie firmiert auch unter dem Namen "Chabad", der sich aus den Anfangsbuchstaben der hebräischen Worte für Weisheit, Wissen und Erkenntnis zusammensetzt. Die Gruppe gehört zum Chassidismus, einer Erneuerungsbewegung, die sich mit ekstatischer Alltagsfrömmigkeit gegen die vergeistigten Rabbinereliten ihrer Zeit wandte.Heute unterhält die Gruppe,
Nicht nur die jüngste Grippewelle wird viele an den Wert mitmenschlicher Hilfe bei Krankheit erinnert haben. Wie in anderen Religionen, so ist auch im Judentum die Unterstützung von Kranken eine religiöse Pflicht. Die Tradition gebietet Krankenbesuche und Gebete um Genesung. Aber sie stellt auch Regeln auf, die nicht nur von den praktischen Bedürfnissen des Kranken oder dem Glauben an göttliche Heilung bestimmt werden. Sie sind ein Beispiel dafür, wie eine alte religiöse Tradition moderne psychologische Erkenntnisse vorweggenommen hat.So ist ein Krankenbesuch wichtig, weil er nach
Viele haben von Gruppen wie "Jews for Jesus" und ähnlichen "messianischen Juden" gehört. Sie verstehen sich als Juden und halten viele Gebote des Judentums ein, etwa den Sabbat und seine Liturgie. Zugleich halten sie Jesus für den Messias, in dessen Ankunft sich das Judentum erfüllte.- Warum lösen messianischen Juden bei mir heftige Aversionen aus? Sollte man sie nicht als Brücke zwischen den Religionen sehen? Liegen solch hybride Formen nicht im Trend?Messianische Juden rühren gleich an mehrere empfindliche Stellen der jüdischen Erfahrung mit dem Christentum, denn sie sind der
In katholischen Gemeinden wird am kommenden Sonntag die Passage des Johannesevangeliums gelesen, in der Jesus die ersten Jünger beruft (Joh 1,35-42). Dabei knüpft der Text immer wieder an den jüdischen Kontext an. Die Jünger sprechen Jesus mit dem Ehrentitel "Rabbi" an, ein Fremdwort im griechischen Originaltext (Vers 38). Zudem sagt ein Jünger: "Wir haben den Messias gefunden." Dieser Begriff ist die griechische Form des aramäischen meschicha - der Gesalbte, auf Griechisch christos. Auch Kephas ist aramäisch: der Fels, der Schimon den Namen Petrus gibt (42).Jüdische Bezüge sind
Am Anfang stand eine Erkenntnis, die schon die Bibel als Problem beschreibt: Die Menschen haben ihre gemeinsame Sprache verloren und damit das Band, das sie einte. Was für ein fantastischer Plan, die babylonische Sprachverwirrung (Genesis 11) und den oft blutigen Streit der Menschen durch die Schaffung einer einzigen Sprache zu beenden! Der bekannteste Versuch dazu ist Esperanto, die vom polnischen Juden Eliezer Ludvik Zamenhof ersonnene Sprache. 2017 bietet mehrere Anlässe, über Zamenhof und seine Idee nachzudenken.Zamenhof erblickte 1859 im damals russischen Białystok das Licht der
Dieser Freitag ist ein Tag überschwänglichen Feierns im Judentum: Simchat Tora -das Fest der Tora-Freude. Damit geht der in den meisten Gemeinden verwendete einjährige Lesezyklus der Tora zu Ende. In der Synagoge werden die letzten Verse des Buchs Deuteronomium gelesen, die von Moses' Tod berichten -und direkt im Anschluss die ersten Verse des Buchs Genesis. Der Tradition zufolge soll dies den Teufel und seine Unterstellung widerlegen, die Juden feierten nur aus Erleichterung über das Ende des Lesejahrs, aber ohne Vorfreude auf den Wiederbeginn.Gefeiert wird mit großem Aufwand: Im
Manchmal bündeln sich große geschichtliche Themen in einem Leben -und überschatten es dann durch ihre Größe. Ein solches Leben begann vor 140 Jahren. Am 15. September 1877 wurde Jakob Ehrlich geboren, einer der wichtigsten Akteure des österreichischen Judentums. Die Rolle der Juden als Minderheit, Antisemitismus und Zionismus prägten sein Leben.Schon als Gymnasiast engagierte sich Ehrlich für den Zionismus, bevor dieser eine weltpolitische Bewegung und Wien seine Hauptstadt wurden. 1912 wurde er als einer der ersten Zionisten in die Führung der Wiener Kultusgemeinde gewählt, die
Zu seinem 80. Geburtstag im August wird Dustin Hoffman als großer Schauspieler gefeiert. Schließen Kinogänger von seinem markanten Gesicht, dass Hoffman Jude ist? Für ihn selbst war der Zusammenhang klar. In einem Interview sagte er, dass er sein Aussehen als "zu jüdisch" empfand für die Hauptrolle in der "Reifeprüfung". Vom Vorsprechen erwartete er eine Absage. "Von meiner subjektiven Perspektive spürte ich, dass sich die ganze Crew fragte,'Warum bewirbt sich dieser hässliche kleine Jude überhaupt um diese Rolle?'", erinnerte er sich. "Ich habe in der Crew ein jüdisches Gesicht
An diesem Samstag finden in der Synagoge auch eine Jus-Vorlesung und ein Gerichtsverfahren statt. Im ersten Teil geht es um Mord, Totschlag und fahrlässige Tötung, im zweiten Teil um einen Scheidungsprozess. Aber eigentlich geht es um die Frage, wie Menschen die Nähe zu Gott finden können.Gegen Ende der Tora-Lesung (Num 35,9-34) erhalten die Israeliten die Anweisung, denjenigen, die unabsichtlich einen Menschen töten, Schutz vor Blutrache zu gewähren. Mehrere Fallbeispiele sollen illustrieren, wer ein Mörder ist und wer nicht. Weiteres Blutvergießen soll so vermieden werden. In der
Die Westmauer des früheren Tempels in Jerusalem ist ein heiliger Ort, vor allem fürs Judentum -und ein Ort des Streits, besonders seit dem Sechs-Tage-Krieg vor 50 Jahren. Seit der Eroberung Ost-Jerusalems durch die israelische Armee im Juni 1967 und dem Abriss von Gebäuden, die unter jordanischer Herrschaft davor errichtet worden waren, haben Juden wieder freien Zugang zur "Klagemauer".(Der Begriff ist verzerrend. Er reduziert das Judentum auf eine Religion der Klage um den Tempel, um dessen Wiederaufbau nur eine kleine Minderheit betet.) Was die Beter sich erhoffen, schreiben sie auf
Am Donnerstag feiern Christen Jesu Himmelfahrt -hat das Judentum dazu etwas zu sagen? In der Vorstellung vom Himmel als Ort göttlicher Präsenz zeigt sich die komplexe Mischung aus Gemeinsamkeiten und Unterschieden der beiden Religionen. So bestimmt die Idee eines göttlichen "Oben" und einer gottfernen Unterwelt schon viele Texte der Hebräischen Bibel. In der Exodus-Geschichte geht Gott den Israeliten in einer Wolkensäule voran (Ex 13,21), und Moses steigt auf einen Berg, um Gott nahe zu kommen (Ex 34).Dagegen ist die Vorstellung, dass die absolute Kluft zwischen Himmel und Erde in der
Einem Geburtstagskind gratuliert man im Judentum traditionell mit der hebräischen Formel "Ad mea we-esrim" - mögest Du 120 Jahre leben. Das ist die Lebensspanne, die Gott dem Menschen in der Bibel vorgab (Gen 6,3) und die Moses erreicht haben soll (Dt 34,7). Wenn man 2017 um 120 Jahre zurückgeht, landet man in einem Jahr, das die Geburtsstunde von gleich drei wichtigen Entwicklungen markiert, mit denen Juden den Herausforderungen und Chancen der Moderne begegneten.Im Frühjahr 1897 wurde in New York die jiddische Zeitung Forverts gegründet, die sich am deutschen sozialdemokratischen
Seit dem Reformationstag am 31. Oktober leben wir im "Luther-Jahr". Aus jüdischer Sicht war die Reformation, die vor 500 Jahren begann, ein höchst ambivalenter Prozess. Die antijüdischen Schriften in Luthers Spätwerk sind bekannt. Man muss ihn nicht zu einem ideologischen Vorläufer des deutschen Sonderwegs bis hin zu den Nazis erklären, um darin einen Schatten über dem Jubiläum zu sehen. Die evangelische Kirche setzt sich mit diesem Schatten gerade im Luther-Jahr auseinander, das ihn sonst vor allem als Modernisierer feiert.Es waren genau die Umbrüche und Aufbrüche der beginnenden
Wie im islamischen Kalender beginnt auch im Judentum Anfang Oktober ein neues Jahr: 5777, denn 3761 Jahre vor unserer Zeitrechnung hat Gott der Tradition zufolge die Welt geschaffen. Zum Neujahrsfest "Rosch Haschana"(hebr. "Kopf des Jahres") werden Apfelstücke in Honig getaucht, die für die Hoffnung auf ein süßes Jahr stehen. Doch es beginnen auch die Tage des göttlichen Gerichts, die schon in der Grußformel dieser Tage angedeutet werden: "Mögest Du im Guten (Buch) eingeschrieben sein." Denn zu Rosch Haschana werden drei Bücher geöffnet, in die das Urteil über die Menschen
Vergangenen Sonntag feierten Juden Schawuot, das Wochenfest. Es wird oft als "jüdisches Pfingsten" beschrieben. Die Verbindung steckt zunächst im Datum innerhalb des Jahreskreises. Der Name Pfingsten stammt vom griechischen Zahlwort "Pentekoste": 50. Wie Pfingsten 50 Tage nach Ostern, findet Schawuot 50 Tage oder sieben Wochen nach Pesach statt. Es erinnert an den Empfang der Tora am Sinai, war aber ursprünglich ein Erntefest.Hinter der Analogie zwischen Schawuot und Pfingsten steckt oft der Versuch, etwas Fremdes verständlich zu machen und Verbindungen zu betonen. Laut Neuem Testament
Zu seinem 400. Todestag wird Shakespeare als genialer Autor gefeiert, der tief in die menschliche Seele blickte. Eines seiner meistgespielten Werke ist "Der Kaufmann von Venedig", dessen Hauptfigur "Shylock" ein sehr problematisches Judenbild zeichnet. Der Geldverleiher will einem christlichen Gläubiger als vereinbarte Gegenleistung ein Pfund Fleisch aus dem Körper schneiden. Als schillernde Figur sinnt Shylock einerseits auf Rache für Demütigungen durch die Christen und betont andererseits die Gleichheit aller Menschen, wenn er fragt: "Wenn ihr uns stecht, bluten wir nicht?" Am Ende