"Meine Wonne" oder "Krankheit"?

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Ich habe Anlass, mir über Kindernamen Gedanken zu machen. Ein ebenso dankbares wie heikles Thema, wie Eltern, Verwandte, Freunde und nicht zuletzt die Kinder selbst als Betroffene wissen. Wenn man Originalitätsdrang und Modetrends, religiöse Prägung, Lese-und Fernsehgewohnheiten, Wohlklang und Fürsorge in einen Cocktailmixer gibt und schüttelt, kommt beim einen eine Chantal, beim anderen ein Uthred, beim dritten eine Annika und beim vierten ein Kevin heraus.

Biblische Namen gehen immer, denken viele, bis sie auf Hephzibah (2 Kön 21,1) und Hallochesch (Nehemia 3,12) stoßen, was immerhin "meine Wonne" und "Charmeur" heißt, von Kain ("Speer") und "Machlah" ("Krankheit", Num 26,33) ganz zu schweigen. Das werden nur wenige Eltern ihrem Nachwuchs antun. Andererseits wird es schwieriger, mit dem Namen für die Kinder eine Zugehörigkeit auszudrücken. Viele ursprünglich jüdische Namen sind oft aus gutem Grund von anderen Kulturen angenommen worden; in Österreich sind David und Jakob beliebt, wie Sarah und Leah. Manchmal steckt auch ein Stück philosemitische Vereinnahmung hinter der Wahl. Einem jüdischen Christian bin ich umgekehrt noch nicht begegnet.

Das Judentum kennt verschiedene Traditionen bei der Namensgebung. Nachfahren osteuropäischer Juden nennen Kinder oft nach verstorbenen Vorfahren, geben ihnen aber nur selten den Namen noch lebender Verwandter, anders als orientalische Juden. Hinter all diesen Erwägungen steckt der Glaube, dass Namen sich auf das Schicksal ihrer Träger auswirken. Jüdische Kinder erhalten ihren Namen bei der Beschneidung oder beim Fest "Freude über die Tochter"(Simchat Bat). Beide finden erst acht Tage nach der Geburt statt. Für jüdische Eltern ein wertvoller Zeitgewinn bei einer schwierigen Entscheidung: Hannah -oder doch Hephzibah?

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