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Antisemitismus in Amerika: Das ist eine Glaubensfrage, die spätestens seit den tödlichen Schüssen in einer Synagoge in Pittsburgh Ende Oktober die Fundamente des amerikanischen Judentums erschüttert. Zu diesen Fundamten gehörte lange Zeit die Überzeugung, dass Amerika anders

sei als alle anderen Gemeinwesen und besser für die Juden: keine Staatskirche, aber von Religion getragen; der religiösen Vielfalt und Toleranz verpflichtet. Dieses Sonderbewusstsein definierte die USA seit ihrer Gründung gegen die "Alte Welt": das dunkel-mittelalterliche Europa mit seinen undemokratischen Herrschern, Religionskriegen und extremistischen Ideologien.

Aus diesem "Amerika ist anders" leiteten amerikanische Juden ab, dass auch das Judentum in Amerika anders sei als in Europa. Wo es sich in politischer, religiöser und gesellschaftlicher Freiheit entfalten könne, erreiche es Blüten, die auf dem Boden Europas nicht entstehen könnten. So sei das amerikanische Judentum ein Ausnahmefall in der jüdischen Geschichte -auch weil der Antisemitismus gesellschaftlich geächtet, vom Staat nie gefördert und von keiner Staatskirche propagiert und deshalb viel weniger bedrohlich sei. Wenn amerikanische Juden mit Entsetzen auf die in Europa zunehmende Judenfeindschaft blickten, schwang dabei stets die Erleichterung über die eigene Sicherheit mit.

Diese Sicherheit wurde schon seit einigen Jahren immer wieder angekratzt. Amerikanische Nazis und Verfechter einer weißen Vorherrschaft schüren Judenfeindschaft immer offener in einem politischen Klima, das solchem Hass Raum gibt. Der Angriff auf die Synagoge "Baum des Lebens", den ein mutmaßlich antisemitischer Mann verübte, scheint zu zeigen, dass amerikanische Ideale von einer Realität besiegt werden, die amerikanische und europäische Juden eint.

Der Autor ist Wissenschafter am Institut für Jüdische Theologie der Universität Potsdam

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