80 Jahre alt, und doch noch ein Papstwähler

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Am 5. März vollendet Walter Kasper sein 80. Lebensjahr. Der deutsche Kardinal kann am Konklave teilnehmen, das sein pastorales Gespür brauchen könnte.

Er hat Glück. Oder soll man sagen: Die Kardinäle haben Glück? Zwar vollendet der emeritierte Kurienkardinal Walter Kasper am 5. März sein 80. Lebensjahr - und Kardinäle verlieren damit das Papstwahlrecht. Aber schlagend wird der 28. Februar, 20 Uhr, wenn die Sedisvakanz eintritt, und der Apostolische Stuhl nach dem Amtsverzicht von Papst Benedikt XVI. frei wird.

Mit voraussichtlich 114 anderen Kardinälen (der 78-jährige Alterzbischof von Jakarta, Kardinal Julius Riyadi Darmaatmadja, hat seine Teilnahme aus Gesundheitsgründen abgesagt) wird Kasper innerhalb der nächsten zwei Wochen ins Konklave einziehen - zum zweiten Mal nach 2005. Sein Rat und seine reiche Erfahrung könnten bei dem (anders als 2005) völlig offenen Konklave von Nutzen sein: Er bringt Erfahrungen als Theologieprofessur, Diözesanbischof und Kurienkardinal ein.

Kasper zählt nicht nur zu den führenden deutschen Theologen aus der Generation um Joseph Ratzinger und Karl Lehmann. Viele seiner Bücher sind in andere Sprachen übersetzt und werden weltweit gelesen. Die Kardinal Walter Kasper Stiftung und das Kardinal Walter Kasper Institut an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar der Pallottiner sorgen für die Verbreitung seiner Theologie, zu der auch die im Verlag Herder zügig erscheinende, vorbildlich betreute Gesamtausgabe zählt.

Ein "Glücksfall“ für die Ökumene

Von 1964 bis 1970 Professor für Dogmatik in Münster, dann in Tübingen, wo er auch die Konflikte um den Entzug der Lehrbefugnis für Hans Küng hautnah mitbekam (und dafür votierte), wurde Kasper 1989 Bischof von Rottenburg-Stuttgart. Nach zehn Jahren berief ihn Johannes Paul II. nach Rom, wo er im Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen zuerst als Sekretär und (nach der Ernennung zum Kardinal) ab 2001 als Präsident wirkte - ein "Glücksfall für die Ökumene“, wie der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., einmal anmerkte.

Am 31. Oktober 1999, dem Reformationstag, war Kasper in Augsburg mit dabei. Dort war 1530 dem Reichstag von Melanchthon die "Confessio Augustana“ vorgelegt worden, 1555 wurde hier der Augs-burger Religionsfrieden geschlossen ("Cuius regio, eius religio“): Der Präsident des Lutherischen Weltbundes (LWB), Bischof Christian Krause, und Kurienkardinal Edmund Idris Cassidy unterzeichneten die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre. Danach umarmten sich, nach ihrer eigenen Unterschriftsleistung, der Generalsekretär des LWB, Ismael Noko, und der damalige Sekretär des "Einheitsrates“ Walter Kasper - eine Geste von hohem Symbolgehalt. Das Foto ging um die Welt. Johannes Paul II. sprach von einem "Meilenstein“ auf dem Weg zur Einheit, die nach bald 500 Jahren der Trennung nur in "versöhnter Verschiedenheit“ erfolgen kann.

Theologe und Bischof

Am 5. März 1933 in Heidenheim an der Brenz geboren, studierte Kasper ab 1952 in Tübingen Philosophie und Theologie und wurde 1957 zum Priester geweiht. Nach der Promotion bei Rupert Geiselmann (Zweitgutachter: Hans Küng) wurde er Assistent bei Leo Scheffczyk, 1964 erfolgte die Habilitation - noch im selben Jahr erhielt er den Ruf nach Münster.

Einige wenige Funktionen bestätigen seine theologische Autorität: Spezialsekretär der Außerordentlichen Bischofssynode 1985, Mitglied der Internationalen Theologenkommission in Rom, Verfasser des deutschen Erwachsenenkatechismus, Mitherausgeber der dritten Auflage des Lexikons für Theologie und Kirche.

Immer wieder ist Walter Kasper als Vordenker anzutreffen: Er kommentierte die umstrittene "Pillen“-Enzyklika "Humanae vitae“. 1970 beteiligte er sich zusammen mit Karl Rahner und Karl Lehmann an einem "Memorandum zur Zölibatsdiskussion“.

Als Bischof von Rottenburg-Stuttgart ließ er mit einem Aufruf zur Pastoral an geschiedenen Wiederverheirateten aufhorchen, den er zusammen mit den Bischöfen von Freiburg und Mainz, Oskar Saier und Karl Lehmann, verfasste. Er legte sich mit dem Kurienkardinal Ratzinger in der schwierigen Frage des Verhältnisses von Universal- und Ortskirche an. Verschiedene Schritte, mit denen Benedikt XVI. der umstrittenen Pius-Bruderschaft entgegenkam (außerordentlicher Ritus), sah er überaus kritisch.

Plädoyer für Diakoninnen

Jüngst erst, am 20. Februar 2013 auf einem Studientag der Deutschen Bischofskonferenz in Trier, schlug Kasper vor, Frauen zu Diakoninnen zu bestellen.

Der Kardinal im Originalton: "Könnte sie [die Kirche] also heute angesichts neuer Herausforderungen nicht ein Amt für Frauen vorsehen, das nicht das des Diakons wäre, das vielmehr so wie damals ein eigenes Profil hätte? Könnte sie nicht, nicht durch sakramentale Handauflegung, sondern ähnlich wie bei Äbtissinnenweihe durch eine Benediktion Frauen zum Amt einer Gemeindediakonin bestellen und zu pastoralen, karitativen, katechetischen und bestimmten liturgischen Diensten beauftragen?“ Kasper sieht darin nicht "eine Neuschöpfung“, sondern das Anknüpfen "an ältere Traditionen und an große Vorbilder“.

Walter Kasper hat, weil ihm pas-torale Erfahrung nicht fehlt, ein Gespür für die "heißen Eisen“ in der Kirche. Es sind solche Fragen, die die Kardinäle auf ihren ab 1. März laufenden Generalkongregationen im Vorfeld des Konklaves beraten sollten, um ein Anforderungsprofil für einen neuen Papst zu erstellen, der auf die "Zeichen der Zeit“ - von heute und morgen und nicht von vorgestern - re-agiert.

Seine Ansichten könnten sich als hilfreich erweisen. Ob die Kardinäle hinhören?

Der Autor ist Chefredakteur der "Stimmen der Zeit“ in München u. Leiter des Karl-Rahner-Archivs

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