"Als Atheist tue ich mich leichter"

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Mit Klonschaf Dolly wurde er - neben Ian Wilmut vom Roslin Institut - weltweit bekannt. Nun widmet er sich in Singapur einem anderen umstrittenen Thema: der embryonalen Stammzellforschung. Im Furche-Interview spricht der britische Molekularbiologe Alan Colman über Dollys Tod, das Klonen von Menschen und sein "Glück" als Forscher, nicht katholisch zu sein.

Die Furche: Im Februar starb Dolly. Vermissen Sie sie?

Alan Colman: Ja. Sie hatte großen Einfluss auf mein Leben. Dolly hat mir die Möglichkeit eröffnet, verschiedenste Menschen kennen zu lernen - auch solche, die nicht einverstanden waren mit dem, was wir getan haben.

Die Furche: Um Dollys Gesundheitszustand gab es viele Spekulationen: So soll sie schneller als andere Schafe gealtert sein...

Colman: Es gibt keine Evidenz für ein vorzeitiges Altern - auch keine Hinweise darauf, dass sie gestorben ist, weil sie ein geklontes Tier war. Sie ist an einer VirusErkrankung zugrunde gegangen. Ich vermute allerdings, dass ihre Widerstandskraft davon beeinflusst gewesen ist, dass sie ein geklontes Tier war.

Die Furche: Mittlerweile konnten unterschiedlichste Tiere geklont werden: Zuletzt ist diese Methode beim Pferd geglückt. Gibt es Tiere, bei denen diese Technik nicht funktioniert?

Colman: Viele Säugetierarten - Hunde, Affen, Ratten - wurden bisher nicht geklont. Dabei wären Ratten interessant, weil sie für die Pharmakologie sehr nützlich sind.

Ein Grund dafür ist, dass der Fortpflanzungs-Apparat bei den Tierarten sehr unterschiedlich funktioniert. Wenn man klonen will, muss man Eizellen ernten und sie in bestimmter Weise behandeln. Und das erweist sich eben bei einigen Arten als schwierig.

Die Furche: Rechnen Sie damit, dass die Klon-Technik auch beim Menschen funktioniert?

Colman: Nein, da bin ich ganz sicher. Eine neue Arbeit an Affen hat ergeben, dass es sehr schwierig ist, Primaten zu klonen.

Die Furche: Rund um den Jahreswechsel hat die Raelianer-Sekte mit der Meldung von der Geburt von Klon-Baby "Eve" für Aufsehen gesorgt. Einen Beweis ist man bis heute schuldig geblieben. Trauen Sie Brigitte Boisselier, der "Mutter" von "Eve", diesen zweifelhaften Erfolg zu?

Colman: Ich habe sie einmal getroffen und kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass sie das geschafft hat. Umso mehr enttäuscht mich die Presse, die auf solche Sensationsstorys fliegt. Auch betrügerische Einrichtungen kommen eben in den Medien gut an. Jedenfalls gibt es keinerlei Hinweise, dass ein solches Klonen stattgefunden hätte.

Die Furche: Und was ist mit dem römischen Fortpflanzungsmediziner Severino Antinori?

Colman: Um ihn ist es in letzter Zeit still geworden. Diese Leute sind nicht kompetent. Ihnen genügt die Publicity. Und unter denen, die ich für fähig halte, kenne ich keinen, der so etwas machen würde.

Die Furche: Gibt es für Sie prinzipielle Einwände gegen das Klonen von Menschen?

Colman: Ich sehe das unter dem Sicherheits-Aspekt: Beim Versuch, einen Menschen zu klonen, sind sehr viele Eizellen nötig. Man riskiert Missbildungen, wenn es zu einer Schwangerschaft kommen sollte - und wie wir außerdem wissen ist die Wahrscheinlichkeit dafür gleich Null. Persönlich hätte ich nichts gegen das Klonen von Menschen, wenn es sicher wäre. Aber das ist es nicht. Man sollte das Klonen also schon aus Gründen der Sicherheit - und nicht aus philosophischen Gründen - verbieten. Jedes Land sollte entsprechende Gesetze erlassen. Das hindert im Endeffekt zwar niemanden, es dennoch zu tun. Aber es wäre zumindest illegal.

Die Furche: Seit einem Jahr ist Ihr neuer Arbeitsplatz Singapur, wo sie als Chef-Wissenschaftler der Firma ES Cell an embryonalen Stammzellen forschen. Haben sie Europa wegen der ethischen Bedenken gegenüber dieser Forschung den Rücken gekehrt?

Colman: Nein. Meine Heimat England ist ja das liberalste Land in dieser Hinsicht. Nach Singapur bin ich aus ökonomischen Gründen gegangen. Es ist schwierig, Geld für solche Forschung zu bekommen. Singapur ist diesbezüglich der beste Ort.

Die Furche: Gibt es dort keine gesetzlichen Beschränkungen?

Colman: Doch, derzeit wird ein Gesetz im Parlament debattiert. Die Regierung ist aber für die Freigabe. Man wird jedoch eine Lizenz brauchen, um embryonale Stammzellen erzeugen zu können - wie in England auch.

Die Furche: Eine solche Herstellung wäre aber eine Totalverzweckung menschlichen Lebens. Wann beginnt ein Menschenleben aus Ihrer Sicht?

Colman: Das ist eine schwierige Frage. Die Religionen beantworten sie jeweils anders. Wäre ich ein Katholik, so wäre ich dagegen, weil es gegen meinen Glauben verstoßen würde. Ich bin aber Atheist, und deshalb tue ich mich leichter, die Frage ausweichend zu beantworten: Ich glaube einfach nicht, dass ein fünf Tage alter Embryo menschliche Attribute hat. Er lebt offensichtlich. Aber jede Zelle lebt, auch eine Ei- oder Samenzelle. Und trotzdem bezeichnet man sie nicht als neue Person. Ich habe also keine Problem mit der Beforschung überzähliger Embryonen. Sie würden ohnehin zerstört.

Die Furche: Doch nach Ihren eigenen Worten wird man in Singapur sogar Embryonen herstellen...

Colman: Ja. Aber das Gesetz sieht vor, dass eine Genehmigung nur unter ganz bestimmten Bedingungen erteilt wird. Man kann nicht einfach drauflos erzeugen. Und weil diese Forschung ein derart großes, neues Wissen über die Humangenetik eröffnet, denke ich, dass es legitim ist. Ich meine, die Gesellschaft sollte tolerant sein. Es geht hier eben um eine ganz spezifische Frage, die umstritten ist.

Die Furche: Ebenso umstritten wie die embryonale Stammzellforschung ist das so genannte therapeutische Klonen. In einem Interview haben sie es als überflüssig bezeichnet. Inwiefern?

Colman: So deutlich habe ich das nicht gesagt. Ich habe nur festgestellt, dass es zu früh ist, große medizinische Hoffnungen an das therapeutische Klonen zu knüpfen, denn wir schaffen es nicht, embryonale Stammzellen unseren Vorstellungen entsprechend zu steuern. Außerdem wäre das Verfahren zu teuer, um es bei Einzelpersonen einzusetzen. In fünf bis zehn Jahren werden wir aber embryonale Stammzellen so manipulieren können, dass sie nicht von anderen Personen abgestoßen werden. Dann würden wir nur einen einzigen Spender für die Anwendung bei allen Menschen brauchen.

Das Gespräch führte Doris Helmberger.

Klon-Pionier auff neuen Forscher-Pfaden

Es war die laue Sommernacht auf den 5. Juli 1996, als Dolly im Roslin-Institut in Edinburgh ihr erstes Blöken ertönen ließ. Mit ihr hatte der erste Klon eines erwachsenen Säugetiers das Licht der Welt erblickt: ein Schaf, das nicht aus der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle entstanden war, sondern aus Zellen eines Schaf-Euters, die man in eine entkernte Eizelle eingesetzt hatte. Entsprechend groß war die Aufmerksamkeit, als sieben Monate später Ian Wilmut vom Roslin-Institut die Sensation öffentlich verkündete. Gemeinsam mit Wilmut wurde auch Alan Colman bekannt - zu jener Zeit Forschungsdirektor der Edinburgher Biotechfirma PPL Therapeutics, die die Erkenntnisse des Wilmut-Teams vermarktete. Bevor Dolly - von Arthritis geplagt - im Februar dieses Jahres starb, hatte sich der 53-jährige Molekularbiologe jedoch schon dem Klonen ab- und einem anderen kontroversiellen Feld zugewandt: den menschlichen embryonalen Stammzellen. Als wissenschaftlicher Leiter von ES Cell International in Singapur will er aus diesen Stammzellen Insulin-produzierende Zellen machen - und damit eine neue Therapie für Diabetes entwickeln. Seine Trennung von PPL Therapeutics geschah gerade rechtzeitig, wie sich diesen Montag zeigte: So soll die Firma nun verkauft werden. Investoren werfen dem Unternehmen vor, in zu vielen Bereichen engagiert zu sein. Umso mehr weiß Colman seine neuen Arbeitsbedingungen in Ost-Asien zu schätzen - vor allem die liberale Gesetzgebung, betonte er im Rahmen der Alpbacher Technologiegespräche, wo er zum Thema "The Location of Science" referierte.

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