E.T.A. Hoffmann - © Illustration: Imago / Kharbine-Tapabor

Der talentierte E.T.A. Hoffmann

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Vor 200 Jahren, am 25. Juni 1822, starb mit E. T. A. Hoffmann ein Multitalent. Vor allem mit seinen literarischen Werken beeinflusste er nicht nur die Kunst bis heute.

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Vor 200 Jahren, am 25. Juni 1822, starb mit E. T. A. Hoffmann ein Multitalent. Vor allem mit seinen literarischen Werken beeinflusste er nicht nur die Kunst bis heute.

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„Die Wochentage bin ich Jurist und höchstens etwas Musiker, Sonntags am Tage wird gezeichnet und Abends bin ich ein sehr witziger Autor bis in die späte Nacht“, schrieb der Jurist, Komponist und Schriftsteller E. T. A. Hoffmann im Jahr 1796. Das, was der 1776 in Königsberg Geborene als Nachtbeschäftigung bezeichnete, nämlich die Literatur, machte ihn vor allem der Nachwelt bekannt, mehr als seine Kompositionen, seine Zeichnungen und seine Arbeit als preußischer Kammergerichtsrat.

Mit seiner Literatur führte Hoffmann aber auch in die Nacht, nämlich in die inneren Abgründe des Menschen. 100 Jahre, bevor Sigmund Freud die Erfahrung analysierte, dass neben der Vernunft und dem Bewusstsein auch etwas Unbewusstes, etwas Unbändiges im Menschen steckt, erzählte E. T. A. Hoffmann schon davon. Etwa 1817 in seiner Novellensammlung „Nachtstücke“. Darin fällt „Der Sandmann“ besonders auf. Diese Geschichte ist, schreibt Alexander Kluy in seinem 100-Seiten-Buch über E. T. A. Hoffmann, „vielleicht der grausigste Text, den Hoffmann jemals schrieb, mit Sicherheit die markerschütterndste und wahnsinnigste Prosa der Nachtstücke.“

Sigmund Freud brachte unter anderem dieser literarische Text dazu, 1919 in seinem Aufsatz über das „Unheimliche“ zum Schluss zu kommen, dass das Unheimliche nicht unheimlich ist, weil es unbekannt ist, sondern ganz im Gegenteil, weil es sehr vertraut ist. Es ist „jene Art des Schreckhaften, welches auf das Altbekannte, Längstvertraute zurückgeht“. Das Unheimliche ist heimlich, es ist ein verborgenes, ein verdrängtes Geheimnis. Freud nannte E. T. A. Hoffmann einen „unerreichte[n] Meister des Unheimlichen in der Dichtung“. Schriftsteller wie E. A. Poe ließen sich von diesem Meister inspirieren.

Gegen die Totalität

Hoffmann erzählte aber nicht nur von den unheimlichen Seiten im Inneren des Menschen, sondern auch von den unheimlichen Seiten totalitärer Systeme. Auch diese kannte er. 1819 wurde er als preußischer Kammergerichtsrat zum Mitglied einer „Immediat-Untersuchungskommission zur Ermittlung hochverräterischer Verbindungen und anderer gefährlicher Umtriebe“ ernannt. Man erwartete von dieser Kommission ein Vorgehen gegen revolutionäre „Demagogen“, womit die liberalen Bewegungen dieser Zeit gemeint waren. Selbst die Gesinnung sei zu verfolgen. Das aber widersprach E. T. A. Hoffmanns Auffassung von Richteramt und Staat. Er lehnte einen totalitären Staat ab, der auch noch das Innere des Menschen kontrollieren wollte.

Als Literat ging Hoffmann satirisch gegen die Übergriffigkeit des Staates vor. 1818 spottete er in seinem Märchen „Klein Zaches genannt Zinnober“ über die Ausweitung der staatlichen Macht: „Ehe wir mit der Aufklärung vorschreiten, d. h. ehe wir die Wälder umhauen, den Strom schiffbar machen, Kartoffeln anbauen, die Dorfschulen verbessern, Akazien und Pappeln anpflanzen, die Jugend ihr Morgen- und Abendlied zweistimmig absingen, Chausseen anlegen und die Kuhpocken einimpfen lassen, ist es nötig, alle Leute von gefährlichen Gesinnungen, die keiner Vernunft Gehör geben und das Volk durch lauter Albernheiten verführen, aus dem Staate zu verbannen“.

Man kann E. T. A. Hoffmanns Geschichten als Gegengeschichten zu dem damals herrschenden Newtonschen Weltbild lesen, allerdings ging er dabei nicht theoretisch oder gar dogmatisch vor, meint der Schweizer Germanist Peter von Matt, der sich intensiv mit E. T. A. Hoffmanns Werk auseinandergesetzt hat. Hoffmann geriet nicht zum „romantischen Reaktionär“, von denen es nicht nur damals viele gab, die waren ihm genauso suspekt, er geriet nicht zum „tobenden Aufklärungsfresser“. Indem er von der Erfahrung einzelner Menschen erzählte, bekam die Totalität des Weltbildes einen Riss.

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