Kochender Hass im Afrika-Topf

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Mit der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika geht eine riesige Begeisterung einher. Doch der Jubel kann den schwarzen Rassismus nicht überdecken.

In dieser Arena hat Südafrikas Nationalheld Nelson Mandela 1990 nach seiner Freilassung zu mehr als 100.000 Menschen gesprochen. Hier gelang Südafrika 1996 der Sieg beim Afrika-Cup, und hier wird am 11. Juni kommenden Jahres die Fußball-Weltmeisterschaft 2010 eröffnet und am 11. Juli der Champion gekürt werden: „Soccer City“ am Rande Johannesburgs ist schon lange ein traditionsreicher Ort, nach einem gigantischen Umbau ist es das größte Fußballstadion Afrikas – in Beton und Stahl manifestierter Stolz Südafrikas über die erste Fußball-Weltmeisterschaft auf dem afrikanischen Kontinent. Deswegen hat die Arena auch ein afrikanisches Vorbild. Sie ist einem Flaschenkürbis nachempfunden. Ausgehöhlt und getrocknet dient das Gemüse in traditionellen afrikanischen Küchen als Kochtopf. Und das soll das Stadion auch sein: ein mit knapp 100.000 Fußballfans gefüllter brodelnder Topf.

„Alle Afrikaner sind voller Stolz!“

Die Fußball-WM wird allerdings über Soccer City und Südafrika hinaus Afrika in große Wallung bringen. Die Begeisterung für das Großereignis ist jetzt schon riesig – der wichtigste Grund, weshalb der Weltfußballverband FIFA das Risiko mit Südafrika als Austragungsort eingegangen ist. In der nördlichen Hemisphäre kommt keine derartig überschäumende Begeisterung mehr auf. Und mit Brasilien als Veranstalter der nächsten Weltmeisterschaft bleibt die FIFA dieser „arm, dafür lustig“- und „riskant, aber ertragreich“-Philosophie treu.

Ailton Muchave und Gerson Nhancale bestätigen im Gespräch mit der FURCHE die über die Grenzen Südafrikas hinausgehende Freude über das Großereignis. „Es ist nicht übertrieben, wenn wir sagen, dass alle Afrikaner sehr stolz auf diese Weltmeisterschaft in Afrika sind“, meinen die zwei Mosambikaner, die im Norden ihrer Heimat Entwicklungshilfeprojekte von World Vision Österreich leiten. Amtssprache in Mosambik ist Portugiesisch. Muchave und Nhancale halten das für einen entscheidenden Standortvorteil, um das brasilianische Team für Trainings- und Erholungsphasen während der Weltmeisterschaft in ihr Land zu locken. Dass Mosambik im Tourismus und in anderen Wirtschaftsbereichen von dem Sportspektakel profitiert, davon gehen sie aus.

Schon bislang ist Mosambik wirtschaftlich sehr eng an Südafrika gekoppelt, verkauft dem an Energiemangel leidenden Nachbarn seinen Strom aus Wasserkraft – während der Norden des eigenen Landes, wo Muchave und Nhancale arbeiten, ohne Elektrizität bleibt. Und viele Mosambikaner gehen über die Grenze und arbeiten in Südafrika als billige und trotzdem oder deswegen wenig willkommene Wanderarbeiter.

Das Bild des von Flammen eingehüllten Mosambikaners Ernesto Alfabeto Nhamuave in seiner Todesqual ging im Mai 2008 um die Welt und belastete Südafrikas positives Image als tolerante Regenbogennation. Der 35-jährige Wanderarbeiter war wie Tausende andere afrikanische Zuwanderer von einem blutgierigen Mob mit Macheten, Knüppeln, Eisenstangen, Äxten und Messern aus ihren Blechhüttensiedlungen gejagt worden. Schnell sprang der Funke der Gewalt gegen die „Amakwerekwere“ (Ausländer) auf andere Armenviertel in Johannesburg, Durban oder Kapstadt, aber auch auf kleinere Gemeinden über. In Gewaltorgien eskalierte die Fremdenfeindlichkeit. Ein Monat lang campierten Zehntausende verängstigte Zuwanderer aus Afrika und zum Teil Asien in Polizeiwachen, Kirchen, Gemeindesälen oder hastig errichteten Flüchtlingslagern. Die durften offiziell jedoch nicht so heißen, weil die Regierung des damaligen Präsidenten Thabo Mbeki ihren Traum einer afrikanischen Renaissance nicht befleckt sehen wollte. Ausgerechnet der Kap-Staat, der sich nach dem Ende der Apartheid als Hort der Menschenrechte und Demokratie präsentierte, war mit dem Problem eines offiziell für unmöglich gehaltenen schwarzen Rassismus konfrontiert.

Beim Schutz ausländischer Bürger versagt

Mbeki entschuldigte sich bei den Opfern für die Gewalt, schloss fremdenfeindliche Hintergründe aber aus. Es habe sich vielmehr um kriminelle Akte gehandelt. Dabei waren nach Regierungsangaben 42.288 Personen Opfer der Gewalt geworden, mindestens 60 Menschen kamen ums Leben. Die Vereinten Nationen sprachen sogar von bis zu 100.000 Vertriebenen. Die Täter hatten kaum etwas zu befürchten – nur wenige wurden verurteilt. Was die Regierung seither eine „erfolgreiche Reintegrationsstrategie“ nannte, entpuppt sich für viele Ausländer eher als Farce. Ein neuerlicher Gewaltausbruch gegen Ausländer sei jederzeit möglich, heißt es. Navi Pillay, die Hochkommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen kritisierte dieser Tage ihre Heimat hart und sagte, das Land habe versagt, seine ausländischen Bürger zu schützen. Südafrikas Justizminister Jeff Radebe gab sich schuldbewusst und nannte die Angriffe auf Migranten eine Schande für sein Land. Besondere Gerichte und Staatsanwälte würden jetzt eingesetzt, um gegen das Problem vorzugehen.

Sogar die Legende Mandela wird zu Hilfe gerufen. Bei der Auslosung der Spielpaarungen für die Weltmeisterschaft mahnte der 91-Jährige und Friedensnobelpreisträger in einer Video-Botschaft: „Fußball hat in Afrika einen ganz besonderen Platz im Herzen der Menschen. Wir fühlen uns privilegiert, dass Südafrika die Ehre für die Ausrichtung der WM gegeben wurde. Das Land muss dieser Ehre nun gerecht werden.“

In diesem Sinn heißt der offizielle Spielball „Jabulani“. Der Name stammt aus dem Sprachgut der Zulus und bedeutet „feiern“ oder „zelebrieren“. Das Design mit elf Farben, stellvertretend für die elf offiziellen Sprachen Südafrikas und die elf südafrikanischen Stämme, soll die Vielfältigkeit des afrikanischen Spirits symbolisieren. FIFA-Präsident Joseph Blatter spricht dem Ball sogar mystische Kräfte zu: „Ein Ball kann die Welt nicht verändern, aber er kann die Botschaft der Hoffnung transportieren.“ Jetzt muss sie nur noch ankommen.

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