TddL2022_Amann - © Foto: Imago / Skata

Bachmannpreis: Jürg Amann - Gute Jahre der Schweizer Literatur

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1982 erhielt Jürg Amann den Bachmann-Preis. Teil 3 einer Serie mit Preisträger(innen)-Porträts anlässlich der 46. Tage der deutschsprachigen Literatur, die im Juni 2022 stattfinden werden.

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1982 erhielt Jürg Amann den Bachmann-Preis. Teil 3 einer Serie mit Preisträger(innen)-Porträts anlässlich der 46. Tage der deutschsprachigen Literatur, die im Juni 2022 stattfinden werden.

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Es war kein schlechtes Jahr, als 1982 Jürg Amann den Bewerb um den Ingeborg-Bachmann-Preis für sich entscheiden konnte. Hanns-Josef Ortheil und Einar Schleef, Alfred Gulden und Jutta Schutting, Johanna Walser und Ulla Berkéwicz, die heutige Leiterin des Suhrkamp-Verlags, traten damals an. Nach Urs Jaeggi 1981 war Amann im sechsten Jahr der Veranstaltung der zweite Schweizer Preisträger. Er war knapp 35 Jahre alt, und die Handvoll Bücher, die er vorzuweisen hatte, hatte die Schweizer Grenzen kaum überwunden. Aber in ihnen war schon vorbereitet, was die Jury und wohl auch die ­Berichterstatter überzeugen sollte. Da passte sich einer ­eine fremde Identität an, in deren Bewusstsein er sich derart empathisch bewegte, dass das Publikum atemlos gebannt zuhörte. Vorher brachte er über die Beschäftigung mit Novalis die romantische Erzählung „Hardenberg“ hervor, und als Robert-Walser-Novelle lässt sich der Band „Verirren“ auffassen. In „Rondo“ lernen wir einen mit der Pflege seiner Mutter heillos überforderten jungen Mann kennen, der einen Monolog in Wut und Sorge ablässt und sich in einer Fluchtfantasie die Rückkehr in den Mutterschoß zu imaginieren vermag.

Nach dem Erfolg in Klagenfurt war Amann plötzlich wer, und er wechselte zu einem großen deutschen Verlag. Bis zu seinem Tod mit 65 Jahren im Jahr 2013 blieb er einer der produktiven Autoren der deutschsprachigen Literatur. Seine ­Stärke war nicht das Breitwandepos, sondern die knappe Form, in der komprimiert ein Charakter und dessen Schwächen und Befürchtungen auf den Punkt gebracht werden. Nie vermied es Amann, auf die Schmerzpunkte einer Biografie zuzusteuern, auch nicht in seinen autobiografisch gefärbten Büchern.

Gewiss wurde Jürg Amann wie viele andere auch durch den Bachmann-Preis erst gemacht. Mit einem Schlag stand er im Licht der großen Aufmerksamkeit, ließ sich davon nicht einschüchtern, um den Randständigen eine Stimme zu geben. Der Band „Mutter töten“ gehört zu den verstörenden Arbeiten, in dem er noch einmal das Motiv einer prekären Mutter-Sohn-Beziehung aufgreift. Die vier Erzählungen bilden eine Einheit, wobei der Schlussteil „Requiem“, der vom Sterben in den unterschiedlichen Phasen handelt, das Glanzstück abgibt. Religion, die zunehmend an Bedeutung im Schaffen gewinnt, nimmt hier Raum ein, indem parallel zum Hinscheiden der Mutter die letzten Worte Jesu am Kreuz den Hintergrund, auf dem alles verstanden werden will, bilden. Besonders aufsehenerregend der Monolog „Der Kommandant“ aus dem Jahr 2011. Amann nimmt sich die Aufzeichnungen von Rudolf Höß vor, dem Kommandanten von Auschwitz, die dieser kurz vor seiner Hinrichtung hinterlassen hat. Ein Stück dokumentarischer Literatur zum beklemmenden Kunstwerk verdichtet.

Die 46. Tage der deutschsprachigen Literatur mit der Verleihung des Ingeborg-Bachmann-Preises werden von 22. bis 26. Juni 2022 im ORF-Theater im ORF-Landesstudio in Klagenfurt stattfinden und auf 3sat live übertragen. Jury: Mara Delius, Vea Kaiser, Klaus Kastberger, Furche-Feuilleton­chefin Brigitte Schwens-Harrant, Philipp Tingler, Michael Wiederstein, Insa Wilke (Vorsitz).

In dieser Serie stellt Anton Thuswaldner Preisträgerinnen und Preisträger aus 45 Jahren vor.

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