„Offenheit, die nichts verschleiert“?

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Papst Benedikt XVI. nimmt sich in seinem Hirtenbrief an die irischen Katholiken kein Blatt vor den Mund – und stellt seine Kritiker dennoch nicht zufrieden: Denn ihnen bleibt das Pastoralschreiben in der Ursachenforschung vage.

„Die Not ist groß. Da gelten die alten Ausschließungskriterien nicht mehr.“ Auf diesen Punkt bringt Hans Peter Hurka, Vorsitzender der Plattform „Wir sind Kirche“ eine überraschende Entwicklung. Am Mittwoch in der Karwoche, dem 31. März, findet um 19 Uhr im Wiener Stephansdom ein „Klage- und Bußgottesdienst“ statt, den „Wir sind Kirche“ vorgeschlagen hat und an dem auch Kardinal Christoph Schönborn teilnehmen wird.

Dass der Wiener Erzbischof mit den Kirchenvolks-Begehrern gemeinsame Gottesdienst-Sache macht, klingt fürs Erste erstaunlich. Man habe an den Kardinal die Idee eines Buß- und Klagegottesdienst in der Tradition der biblischen Dichter herangetragen, so Hurka zur FURCHE, denn viele in der Kirche seien über die täglich ans Licht kommenden Missbrauchsfälle betroffen, verärgert, wütend: „Man kann diese Menschen nicht allein lassen.“ Darum komme es zu dieser ungewöhnlichen „Zusammenarbeit“.

Erstaunlich war dieser Tage auch die globale Erwartung eines päpstlichen „Hirtenbriefs“: An die irischen Katholiken würde der Papst das Wort richten, um erstmals in extenso zu den Missbrauchsaffären Stellung zu nehmen.

Benedikt XVI. liest in dem am 19. März unterzeichneten Pastoralschreiben, so die weithin verbreitete Einschätzung, der irischen Kirche, respektive den priesterlichen Missbrauchstätern und den bischöflichen Vertuschern die Leviten. Unmissverständlich bleibt der Papst auch an die Adresse der Opfer: „Ich weiß, dass nichts das Unrecht ungeschehen machen kann, das ihr erlitten habt.“

Unmissverständliche Papst-Worte

Der Papst geht erstmals ausdrücklich auf die Kooperation mit staatlichen Behörden ein. In diesem Punkt nahm er seinen Kritikern den Wind aus den Segeln, lautete eines der gängigen Urteile über den römischen Umgang mit den Affären doch, dass die Bischöfe allzulange unter päpstlichem Geheimhaltungskuratel gestanden wären. Nach diesem Papstschreiben an die Iren dürfte kaum jemand mehr unterstellen, die Kirche(nleitung) behindere grundsätzlich die Justiz.

Die weltweite Aufnahme dieser Punkte des Papstschreibens war weitgehend positiv. Kardinal Christoph Schönborn meinte etwa, der Hirtenbrief sei „von einer Offenheit und Direktheit, die nichts verschleiert“. Auch Luitgard Derschmidt, als Präsidentin der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ) „oberste Laiin“ im Land, zeigte sich zufrieden, „dass der Papst das Schweigen der Vergangenheit, den falschen Umgang mit diesen Vorfällen anprangert und betont, dass es Konsequenzen geben muss“.

Doch die Rezeption der päpstlichen Äußerungen zur kirchlichen Causa prima blieb nicht nur positiv. Zum einen war aus Deutschland oder Österreich Befremden darüber zu hören, dass der Papst sich nur an die irischen Katholiken gewandt hatte, die Fälle hierzulande erschienen bestenfalls in einem Nebensatz des Schreibens angesprochen. Dem setzte Kardinal Schönborn seine Einschätzung entgegen, dass der Brief „eins zu eins auch als Brief an die Kirche Österreichs“ gelesen werden könne.

Dies war aber nicht der Hauptkritikpunkt an Benedikts XVI. Brief nach Irland. Bekrittelt wurde vor allem, dass der Papst an der Ebene oberhalb der Bischöfe keinerlei Kritik übte, dass also Vorgänge an der Kirchenspitze keiner kritischen Reflexion unterzogen wurden. KAÖ-Präsidentin Derschmidt vermisst im Schreiben auch eine Diskussion über die Haltung der katholischen Kirche zur Sexualität. Und bei der Ursachenforschung stieß die päpstliche Analyse gleichfalls auf ablehnende Reaktionen: Dass der Papst den „schnelllebigen sozialen Wandel“, die Übernahme von „Weisen … der Einschätzung säkularer Realitäten“ und eine „häufig falsche“ Lesart des II. Vatikanums bei den Ursachen nennt, nicht aber strukturelle Probleme oder das Machtgefüge in der katholischen Kirche, löste Widerspruch aus – in Irland bei Opferverbänden, in Wien etwa bei Vertretern der „Laieninitiative“, die auf einer Pressekonferenz zu „loyalem Widerstand“ gegen die Kirchenleitung aufforderten.

Ein „Trick der Amtskirche“?

Laieninitiative-Mitglied Heribert Köck, Rechtsprofessor aus Linz, der selber den Heiligen Stuhl schon bei den internationalen Organistionen in Wien vertreten hatte, qualifizierte die Argumentationsweise Benedikts XVI. als „Trick der Amtskirche“ ab: Man sage: „Furchtbar!“, und: „Es wird nicht mehr vorkommen!“, und tue so, als ob die Vorfälle nichts mit dem Zölibat und nichts mit Kirchenreform zu tun hätten. Das Gegenteil sei der Fall. Die im Papstbrief angeregten Frömmigkeitsübungen wie Fastenopfer und eucharistische Anbetung, die zur Erneuerung der irischen Kirche beitragen sollen, fasste Köck so zusammen: Das Rezept Benedikts XVI. laute: „Dem Papst mehr folgen und Rosenkranz beten.“ Köck bezweifelte bei der Pressekonferenz ebenso wie der Gründer der „Laieninitiative“, Herbert Kohlmaier, dass dies zu einer Lösung der Kirchenkrise beiträgt.

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