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Keine Entscheidung gegen das Volk
Obwohl es nur von etwas über acht Prozent der österreichischen Katholiken unterzeichnet worden ist, haben die Bischöfe das sogenannte Kirchenvolks-Begehren sehr ernst genommen. Dazu hat natürlich die Unterstützung der Medien und diverser Funktionäre kirchlicher Gremien und Organisationen beigetragen. Monatelang mußte sich die 40köpfige Österreichische Pastoralkommission mit den Forderungen herumschlagen, und nun hat das „Kirchenvolks-Begehren” die ganze Herbstkonferenz der Bischöfe überschattet.
Nur ein Bruchteil hat unterschrieben
Daß den Bischöfen die Kompetenz zur Erfüllung der Eckpfeiler-Wünsche des Begehrens fehlt, haben offenbar die Proponenten letztlich selber gespürt. Darum verlangte ihr Sprecher Thomas Plankensteiner bei der Pressekonferenz zum Abschluß der Aktion einschränkend als „rasche Signale”: konkrete Modelle für die Mitbestimmung des Kirchenvolkes bei Bischofsernennungen, Sitz und Stimme für Frauen in allen kirchlichen Gremien, daß sich die Bischöfe für die Weihe von „viri probati” und für die Diakonatsweihe von Frauen aussprechen, eine differenzierte Sichtweise der Sexualmoral hinsichtlich Empfängnisregelung, vorehelicher Beziehungen und der Homosexualität und daß wiederverheiratete Geschiedene nicht generell vom Kommunionempfang ausgeschlossen werden.
Die nun am 10. November veröffentlichte Erklärung der Bischofskonferenz mag allzuviel Hoffende ernüchtert haben, sie ist jedoch auf keinen Fall eine Entscheidung „gegen das Volk”, wie Plankensteiner gesagt haben soll. Einerseits weil ja nur ein kleiner Bruchteil des Kirchenvolkes das Begehren unterschrieben hat, andererseits weil die Bischöfe der Eingabe sowieso Rechnung tragen.
Um nicht in Affront-Stellung zum Papst zu kommen, mußten die Rischöfe festhalten, daß es in der Priesterfrage „keinen österreichischen Sonderweg” gibt, daß die Möglichkeit einer Diakonatsweihe von Frauen -entgegen anderslautenden stereotypen Rehauptungen - „theologisch noch nicht ausgereift” ist und „weiterer Klärung bedarf” und daß die Mitwirkung von Klerus und Laien bei der Findung von Bischofskandidaten nur im Rahmen des geltenden Kirchen-rechts geschehen kann, - aber auch soll. Zum Thema Frauen in der Kirche bieten die Bischöfe mehr an, als verlangt wurde, nämlich die Einrichtung von „Frauenkommissionen”.
Gespräch soll „Tiefe” gewinnen
Was die Proponenten und ihre Gefährten verstimmen könnte: daß die Bischöfe nicht dem österreichweiten Kirchenforum in der von ihnen gewünschten Form zugestimmt haben. Dabei hat wohl die Erfahrung mit dem ersten „Österreichischen Synodalen Vorgang” mitgespielt. Er hat viel Arbeit, Zeit und Geld gekostet -und was blieb, ist ein schmales Bändchen im Bücherregal. Sehr wohl aber haben die Bischöfe die Tür für weiterführende Gespräche geöffnet und kein Thema ausgegrenzt. Sie wünschen sich in ihrer Erklärung jedoch, daß das ganze Kirchenvolk in diese Gespräche eingebunden wird, weil sie „nicht einzelnen Bichtungen und Gruppen Monopolansprüche zugestehen” wollen - und daß das Gespräch „vor allem Tiefe” gewinnt. Denn „Erneuerung ist nur fruchtbar, wenn sie aus den Wurzeln des Evangeliums, des Glaubensgutes und der vorbehaltlosen Liebe wächst”.
Die Gespräche auf Orts- und Diö-zesanebene, der Studientag mit Wall-
Bischofskonferenz und Kirchenvolk
Auf ihrer Session in Michaelbeuern behandelte die Osterreichische Bischofskonferenz, der alle aktiven römisch-katholischen Bischöfe des I^andes angehören, das von der Plattform „Wir sind Kirche” initiierte „Kirchenvolks-Begehren”. Dieses bekam heuer im Juni 505.154 Unterschriften (davon 486.7+8 inländischer Katholiken) für fünf konkrete Ziele und Forderungen:
1. Aufbau einer geschwisterlichen Kirche (Überwindung der Kluft zwischen Klerus und Laien, Mitsprache der Ortskirchen bei Bischofsernennungen)
2. Volle Gleichberechtigung der Frauen (samt Zugang zu Dia-konat und Priesterweihe
3. Freie Wahl zwischen zöli-batärer und nicht-zölibatärer Lebensform
4. Positive Bewertung der Sexualität als wichtiger Teil des von Gott geschaffenen und bejahten Menschen (Anerkennung von Gewissensentscheidungen, etwa bezüglich Empfängnisregelung)
5. Frohbotschaft statt Drohbotschaft (mehr Verständnis für wiederverheiratete Geschiedene oder verheiratete Priester)
Die Bischöfe antworteten nun mit einer aus zehn Punkten bestehenden Erklärung, drei davon, 3 bis 5, haben sich alle Diözesen einzuhalten verpflichtet:
3. Bischöfe beraten im September 1996 mit Fachleuten Stellung und Auftrag der Kirche; danach „Wallfahrt der Vielfalt” nach Mariazell
4. Europäische ökumenische Versammlung 1997 in Graz unter dem Titel „Versöhnung”
5. keine österreichische Kirchenversammlung; dafür ein nationaler Katholikentag; Vorschläge soll die Pastoralkommission bis zum Frühjahr erarbeiten
Sieben Punkte stehen den einzelnen Diözesen zur Durchführung frei:
1. Kontakte mit Initiatoren des Kirchenvolks-Begehrens
2. „Offene Gespräche” auf allen Ebenen; Thema „Kirche: Woher — wofür - wohin?”
6. Einrichtung von Frauenkommissionen
7. „kein österreichischer Sonderweg” in der Priesterfrage; Wunsch nach Änderungen („viri probati”, Frauenpriestertum) drückt tiefe Not aus; doch Sorgen „mit Rom teilen”
8. Befragung von Priestern und Laien zur Findung von geeigneten Bischofskandidaten
9. Ombudsstellen bezüglich sexuellen Mißbrauchs im Kirchenbereich
10. Geistliche Erneuerung der Kirche im Gebet
Wie wird es nach dieser Erklärung der Bischöfe in der katholischen Kirche weitergehen?
Gestaltung dieser Debatte-Heiner Boberski, Christian Hölter fahrt in Mariazell, dann ein Katholikentag sind ein Weg, den auch die Nicht-Unterzeichner mitgehen können, die sich in den letzten Monaten von den Bischöfen ohnehin schon vergessen wähnten.
Ob die Bischöfe ihre Dialogbereitschaft aber deutlich machen können, nachdem einzelne Medien schon wieder bereitstehen, Unzufriedenheit und Streit in der Kirche zu schüren, und ob es den „Kirchenvolksbegeh-rern” wirklich um die Erneuerung der Kirche geht - oder um eine „andere Kirche”, wird sich bald zeigen.
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