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Weltanschauungslogik

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Leo Gabriels neues Budi ist ein bedeutendes Werk, weil es eine neue Wissenschaft, einen neuen Zweig der Philosophie neben die Weltanschauungskritik stellt. So verdient es die ernste Beachtung aller jener, die das eigentliche Unglück unserer Zeit, die systematische Verweigerung des Vernunftgebrauchs zugunsten des bloßen Verstandesgebrauchs, überwinden wollen oder, objektiv gesprochen, die ausschließliche Erforschung der Weltgesetzlichkeit ohne höhere Urgründe, ohne die lebendige Natur, den lebendigen Geist und den persönlichen Gott, also den fatalistischen Nihilismus.

Die Weltanschauungskritik war der erste Ansatz, das rein kosmologische Verstandesdenken der Spätaufklärung durch die Wiedergewinnung der Ideen zu ergänzen. Kant hat ihn gewonnen durch seine scharfe Unterscheidung zwischen dem Verstand als Vermögen der Begriffe und der Vernunft als Vermögen der Ideen von Gott, der Person und der Welt. Friedrich Schlegel hat danach die Konstruktionsgesetze der falschen Weltbilder aufgedeckt und damit schon die wichtigste Waffe zur Überwindung der atheistischen und pantheistischen Irrtümer, der vier möglichen und typischen Monismen geschaffen.

Gabriel stellt nun dieser vorwiegend kritischen Aufgabe die positive der Erforschung der objektiven Sinngesetzlichkeit, der Logik der U ründe selbst gegenüber, die durch die richtigen Vernunftideen, besonders die richtige Idee der Welt darzustellen ist. Er gewinnt diese Weltanschauungslogik durch eine neue Grundlagenforschung der logischen Grundsätze, des Identitäts- und Widerspruchsatzes, vor allem aber des Satzes vom zureichenden Grund. Durch die Voranstellung des Identitätssatzes als Axiom entsteht eine vorwiegende Begriffslogik, die nur die Gegenständlichkeit, nur die Objektivität beachtet, durch die des Widerspruchsatzes entsteht die Urteilslogik, die zur Realität hinfindet, und durch die des Satzes von zureichenden Grund die Schlußlogik des Urgrunddenkens, die zur Totalität als integrale Logik aufsteigt.

Diese Entdeckung über die Grundlagenordnung der schließlich wichtigsten Wissenschaft gestattet sofort einen neuen Durchblick durch ihre Geschichte. Sie gibt kritische Maßstäbe an die Hand, die Logik des Aristoteles als vorwiegende Urteilslogik und die Kants als vorwiegende Begriffslogik nach ihrer Tragweite und ihren Grenzen zu beurteilen. Zur Schlußlogik finden sich freilich nur Ansätze beim Kusaner und weiter durchgeführt ist sie nur in der ersten österreichischen Schule der Philosophie, bei Anton Günther.

Das Buch Gabriel ist jetzt schon ein halb eingelöstes Versprechen, diese integrale Logik der Frage nach dem Warum der Weltordnung und Seinsordnung zu gestalten. Jetzt schon hören wir sehr wesentliche Dinge über ihren Aufbau, werden uns wichtige Ausblicke auf die reine Weltidee, aber auch die Menschenidee eröffnet.

Zunächst ist freilich noch die Kritik der derzeitigen einseitigen Logik und Logistik des bloßen Verstandesgebrauchs zu erledigen. Denn gegen Kants Meinung hat die Logik seit Aristoteles eben doch einen sehr wesentlichen Rückschritt gemacht, der nur aus einer eindringlichen grundsätzlichen Vergleichung der aristotelischen und kantischen Logik zu erklären ist Damit ergibt sich ein neuer Durchblick durch die Philosophie der Neuzeit von Descartes an, der viel mehr ist als ein bloßer Nebenertrag des Werks. Es wird ein Weg gezeigt, wie es wieder zu einer Fundamentalontologie kommen kann, zu einer Seinslehre von der Logik als Sinngesetzlichkeitsforschung her. Umgekehrt erschließt erst die Fassung der Seinsgesetzlichkeit den Logos und die Vernunft in der Welt und letztlich die logische Struktur der Existenz. Es ist sehr beachtlich, was Gabriel gerade über diesen Zentralbegriff der heutigen Philosophie zu sagen hat, damit aber auch über den Menschen als Geistwesen im Bezug zur Weltexistenz und Weltordnung.

Die dem lebendigen Geist zugeordnete und vorgeordnete Welt, seine Welt ist eine Welt der Sinnesgestalten und Sinngestalten und ihres Gefüges. Die exakte Untersuchung des Verhältnisses zwischen anschaulicher Sinnes- gestalt und der Sinngestalt des Denkens führt erst in den eigentlichen Bereich der Gedanken und unveränderlichen Wahrheiten. Hier geht es um die Konsistenz, die Korrationalität der Merkmale in der Wesenheit. Das ist immer das Um und Auf der Formerkenntnis gewesen, der Morphologie und Morphologik. Es muß zu einer neuen Gestaltlogik kommen, die noch einen wesentlichen Forschrift auch über die aristotelische Urteilslogik hinaus brihgt. Sie wird in der Durchführung noch durch das Mittelstück zwischen der Sin- nesgestalt und der Sinngestalt, das Phantasma, die Vorstellungsgestalt zu ergänzen sein. Nur so kommt es zur vollständigen Systematik der Logik nach allen ihren vier Darstellungssystemen, der der Erscheinungsordnung und der Bedeutungsgesetzlichkeit, der Sinngesetzlichkeit der Gedanken und ihrer Fassung in Wort und Satz.

Aber schon jetzt ist viel erreicht! Vorallem ein neuer Ansatz der Grundlagenforschung für alle weiteren der Einzelwissehschaften! Dann endlich wieder die Verbindung von Logik und Ontologie, von Denken und Sein zur fruchtbaren Wiederergänzung von Sinngebung und Sinngehalt, zur Wiederherstellung des Vertrauens auf die Vernünftigkeit der Welt, zur Heilung der Chaosfurcht. Es gibt eine objektive integrale Weltanschauung, nicht nur Weltbildillusionen höchst unpoetischer Weltbilddichtungen. Es gibt nicht zuletzt eine objektive Menschengeistlehre, die Krone des Menschen, der Vernunftgebrauch ist wieder gefestigt, seine höchste Existenz.

Vielleicht wird es das Buch nicht leicht haben, sich durchzusetzen. Schließlich ist ja gerade durch den „Wiener Kreis“ des Positivismus eine besonders vorsichtige und unverbindliche Selbstbeschränkung der Philosophie auf den Verstandesgebrauch in aller Welt gefördert worden, der naturgemäß Ideen und metaphysische Sätze über die höchsten Ganzheiten sinnlos erscheinen müssen. Das Buch zeigt, daß solche angeblich sinnlosen Sätze gerade erst die Sinngesetzlichkeit des Wirklichen aufzeigen und ebenso vorsichtig und nüchtern hingestellt werden können. Aber äußerer Erfolg oder nicht, jeder Autor, der Neues bringt, weiß selbst am besten, daß seine richtige Vision zwar zuerst übersehen werden kann, dann nachgesehen und schließlich eingesehen wird.

Grundzüge der Naturphilosophie. Von Moritz Schlick. Aus dem Nachlaß herausgegeben von Walter Hollitscher und Josef Rauscher. — Gesetz, Kausalität und Wahrscheinlichkeit. Von demselben. Beide Gerold, Wien.

Als Prof. Schlick am 22. Juni 1936 über die philosophische Hauptstiege der Universität Wien zu seinem Hörsaal hinauf schritt, um dort über Naturphilosophie zu lesen, wurde er durch die Kugel eines Geistesgestörten tödlich getroffen. Die beiden Herausgeber haben nun auf Grund vorgefundener Manuskripte seine Gedanken über Naturphilosophie in verdienstvoller Weise zusammengestellt und herausgegeben. Auch aus der 1925 erschienenen Naturphilosophie Schlicks wurden einige bedeutsame Stellen wieder abgedruckt. Das zweite Bändchen bringt einen Neudruck einer Anzahl von Arbeiten und Vorträgen Schlicks aus dem letzten Jahrzehnt seines Lebens, die bereits in den 1938 erschienenen, jetzt aber vergriffenen „Gesammelten Aufsätzen" enthalten waren. Sie behandeln durchwegs erkenntnistheoretische Probleme der Naturwissenschaften und bilden dadurch eine Ergänzung des ersten Bändchens. Nach Schlick besteht die Aufgabe der Philosophie in einer Klärung des Sinnes unserer Aussagen über die Wirklichkeit. In der Aufdeckung dessen, was mit den Behauptungen der Wissenschaft eigentlich gemeint ist, bestand Schlicks große analytische Begabung. Ursprünglich von den exakten Naturwissenschaften kommend, hat er sich um die philosophische Klärung einer Anzahl von Begriffen, wie Kausalität, Wahrscheinlichkeit, Ganzheit usw., Verdienste erworben, die unter dem Namen des von ihm begründeten „Wiener Kreises" heute auf der ganzen Welt, insbesondere in England und Amerika, allgemein anerkannt sind. Schlick hat damit einer österreichischen philosophischen Schule einen bedeutenden und bleibenden Platz in der Geschichte der modernen Philosophie gesichert. Man hat seine Philosophie als „strengen Empirismus" bezeichnet, der die Möglichkeit einer metaphysischen Erkenntnis verneint. Wer aber diesen grundgütigen und vom philosophischen Eros zutiefst ergriffenen Menschen gekannt hat, weiß, daß die Grundstimmung seiner Weltanschauung am besten in der demütigen Erkenntnis zum Ausdruck kommt, die einer seiner Anhänger einmal in die Worte gekleidet hat: daß, selbst wenn alle Probleme des Erkennens einmal gelöst wären, damit noch kein einziges Problem des Lebens gelöst wäre.

Die Heimsuchung. Von Joseph M a 1 ė g u e. Paulus-Verlag, Freiburg (Schweiz).

Joseph Malėgue (1876—1940), bei uns noch wenig bekannt, wurde nach dem Erscheinen seines Romans „Augustin ou le Maltre est lä“, der die geistige Entwicklung eines Philosophen zum Christentum schildert, mit Proust, Mau- riac und Bernanos verglichen und gilt in Frankreich als bedeutender katholischer Dichter. Die zentrale Problematik seines Schaffens erscheint auch wieder in dieser Erzählung hervorgegangen aus der Not des letzten Krieges und mit meisterhafter stilistischer Präzision und Knappheit gestaltet. Es sind die Aufzeichnungen eines angesehenen Juristen, der in der bürgerlich gesicherten Welt seines materiellen und geistigen Besitzes lebt, durch das Kriegsgeschehen seinen Sohn, einen jungen Priester, und einen Teil seiner Habe verliert und nur mehr im Gebet und in der Hingabe an den Willen Gottes seinen Halt findet. Ein Schicksal, wie es für viele andere als Beispiel steht. Das Kernstück der Erzählung ist das ergreifende „Gebet für eine Zeit der Drangsale", das zum Teil noch vor der Veröffentlichung des Werkes in Frankreich bekannt wurde und viele Menschen innerlich stärkte. Die Dichtung ist in ihrer Klarheit und ausgezeichneten Beherrschung der formalen Mittel literarisch bedeutsam, aber auch das Zeugnis eines wesentlichen Christen.

Eugippius, Das Leben des hl. Severin. Lateinisch und deutsch. Anhang: Denkmäler des frühen Christentums in Österreich. Von Rudolf Noll, Österreichischer Verlag für Belletristik und Wissenschaft. Linz a. D.

Die vom Abt Eugippius verfaßte Biographie des hl. Severinus ist die einzige geschichtliche Quelle, die uns von den Schicksalen der Donauländer zur Völkerwanderungszeit erzählt, vom Verfall altrömischet Kultur und Zivilisation, vom Vordringen germanischer Stämme, von der Verbreitung der christlichen Lehre und dem allmählichen Aufblühen mittelalterlicher Lebensformen. Diese in ihrer Einzigartigkeit schon von Th. Mommsen gewürdigte Geschichtsquelle liegt nun in lateinischer und deutscher Fassung vor. Voll Kraft, Einfalt und Würde, wie die späte Latinität der Sprache, ist auch der Inhalt des schmalen Buches. Vor dem bewegten Hintergrund des oben angedeuteten Geschehens steht die ragende Gestalt Severins, des „Apostels von Norikum". Dieser Ehrentitel trifft die Bedeutung des großen Mannes nicht ganz: er kam in ein bereits christianisiertes Land, in dem er eine unglaublich vielseitige und unbeschreiblich segensreiche Tätigkeit entfaltete.

Es ist vom Standpunkt der Heimat-, Kirchen-, Literatur- und Weltgeschichte gleich dankbar zu begrüßen, daß R Noll uns das sorgfältig gearbeitete und ausgestattete Büchlein beschert hat. Die Einleitung bietet einen guten Überblick über Geschichte und Missionierung von Norikum sowie über Persönlichkeit und Wirksamkeit des Heiligen und seines Biographen: zuletzt wird die Bedeutung der Vita gewürdigt. Es folgt der lateinische Text (nach

Mommsens Ausgabe) mit der klaren deutsdlen Übertragung und eine sehr nützliche Zusammenstellung der frühchristlichen Denkiaäle Österreichs und der wichtigsten Fachliteratur. — Der verfügbare Raum gestattet es nicht, die wenigen Stellen zu besprechen, an denen sich philologische Einwände gegen die Übertragung erheben ließen. Derartige Kleinigkeiten verschwinden vor der Fülle wertvoller Erkenntnisse, die das Buch vermittelt. Wir sehen Severin, den „gottgesandten Nothelfer", als Wundertäter, Asketen und Zuchtmeister, aber auch als Politiker und Diplomaten und insbesondere als den großzügigen Organisator caritativer Hilfswerke. Er hatte die Notwendigkeit erkannt, die für Röm verlorene Provinz zu räumen: eine eurer größten Leistungen besteht darin, daß er diese Rückwanderung mit außerordentlicher Umsicht Vorzubereiten wußte. — Eine ganze Reihe altvertrauter Städtenamen tritt uns in dem feierlichen Glanz legendarisch verklärter Geschichte entgegen: Asturis (Klosterneuburg), Comagene (Tulln), Lauriacum (Lorch), Juvao (Salzburg), Cucullis (Kuehl), Batavis (Passau) und vor allem Severins Lieblingsaufenthalt und Sterbestätte: das Kloster Favianis (Mautern).

Admont und das Gesäuse in der Sage. Von DDr. P. Adalbert Krause O. S. R. Oberösterreichischer Landesverlag. Linz.

Seit Vermaleken mit seiner Sammlung österreichischer Kinder- und Hausmärchen erschien, sind 85 Jahre vergangen. Inzwischen beschäftigten sich mit Landesteilen P. Pramberger (Obersteiermark), Bünker (Kärnten-Burgenland), Troll (Attergau, Mürztal): mit Tirol ist der Name Zingerle verknüpft: aber es klaffen noch immer bedeutende lokale Lücken. Es ist erstaunlich, daß ein Buch, wie das vorliegende, heute noch Ungedrucktes bringen kann. Frühere Auslassungen und Versehen werden berichtigt. So bringt „Der Tourist in Admont" (Wien 1873) von P. Weymayr nur einige wenige Sagen; der Verfasser gab damals der Ansicht Ausdruck, Kriegszeiten hinterließen keine Spuren auf dem Gebiete der Sagenbildung bei Admont; P. Krause bringt auf Seite 60 nun doch eine Sage aus den bewegten Ereignissen um 1809 — Das Buch weist eine knappe, aber ausreichende geschichtliche Einbegleitung und einen sehr wertvollen Anmerkungsteil auf; die Sprache ist volksnah, die beigegebenen Zeichnungen von P. Ehweiner bekräftigen den volkstümlichen Charakter des Werkes, das geeignet wäre, einen Grundstein für die ausständige regionale Neuordnung und Gesamtausgabe österreichischer Sagen aus dem Geiste der Gegenwart heraus abzugeben.

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