"Seine Schule, dann seine Kanzel"

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Friedrich Heer hat nicht "auch" in der furche geschrieben. Nein, er hat diese Zeitung jahr(zehnt)elang geprägt.

Friedrich Heer und die Furche, das ist mehr als zeitungshistorische Reminiszenz. Friedrich Heer hat nicht auch in der Furche geschrieben, sondern jahre-, jahrzehntelang hat er diese Zeitung geprägt - als Autor, als Redakteur, als Hin-und Hergerissener in den Stürmen, denen diese Zeitung auch ausgesetzt war.

Heer war von 1946 bis 1961 Furche-Redakteur, er hat angesprochene Turbulenzen mehr als vorausgeahnt, sodass er 1961 als Dramaturg ans Burgtheater wechselte. Die Stürme, um die es ging, tobten innerhalb des österreichischen Katholizismus zwischen einem liberalen, später als "linkskatholisch" denunzierten Flügel - dessen prominenter Vertreter sicher Friedrich Heer war - und einem national-konservativen Lager, das sich in der Furche zeitweilig durchsetzte. Der Versuch, das Blatt auf strammen Rechtskurs zu bringen, scheiterte jedoch, was auch Heer erkannte: So blieb er als Kritiker, Rezensent und Denker bis zu seinem Tod für die Furche tätig.

Friedrich Funder, der von Ständestaat und Antisemitismus belastete, aber durchs Dritte Reich geläuterte Gründer, hat die Furche 1945 als katholisches Blatt mit einer damals wegweisenden Brückenfunktion zu den anderen Konfessionen sowie zu politischen Antipoden wie der Sozialdemokratie gegründet. Dies mit Leben zu erfüllen war - auch in der Kontroverse und mit dem Mut des Intellektuellen - gerade mit dem Namen Friedrich Heer verbunden. "Seine Schule zuerst, dann seine Kanzel": So hat Hubert Feichtlbauer, damals Furche-Chefredakteur, 1983 im Nachruf auf Friedrich Heer dessen Beziehung zu dieser Zeitung beschrieben.

Der erste Leitartikel aus Heers Feder im September 1946 für die Furche hieß "Der Aufgang des Abendlandes": ein Titel wie ein Programm für Heers geistige Verwurzelung - und noch 60 Jahre später, in einem Zeitgeist voller abendländischer Untergangsängste, ein prophetisches Motto.

Aufgang statt Untergang

"Heutig" ist auch der letzte Heer-Beitrag in der Furche vom 31. August 1983, in dem er den Manichäismus als "die Krebskrankheit der westlichen Zivilisation" denunzierte. Damals brandmarkte er den Bibelfundamentalismus eines Ronald Reagan (jenes US-Präsidenten, der die Sowjetunion "Reich des Bösen" nannte...) und die Vice-versa-Propaganda der Sowjets sowie auch des Ajatollah-Regimes im Iran. Heute - in der Welt eines George W. Bush wie in der Neuauflage des Teheraner Gottesstaats - erweist sich solche Stimme weiter aktuell.

Man sollte vorsichtig sein, zeitliche Koinzidenzen zu schnell in größeren Zusammenhang zu stellen. Aber man darf doch Auffälligkeiten erkennen: Als Friedrich Heer am 18. September 1983 starb, war gerade der Katholikentag mit dem ersten Papstbesuch in Wien vorbei. Dieser Katholikentag war die letzte Großmanifestation des gesellschaftlich relevanten Katholizismus in Österreich in seiner ganzen Breite - von den Linkskatholiken bis zum Opus Dei. Kurz danach begann im Lande der - auch von oben verordnete - restaurative Kirchenkurs, von dem sich der breite und weite Katholizismus bis heute nicht erholt hat. Dass Friedrich Heer - auch und gerade in der Furche - 1946 an der Wiege solch neu aufbrechenden Katholizismus ebenso stand wie an dessen Ende nach 1983, darf wohl mit Interesse konstatiert werden.

Die Themen, die Heer in der Furche aufs Tapet gebracht hat, unterscheiden sich nicht von dem, was er anderswo äußerte. 1949 war er auch in der Furche mit seinem "Gespräch der Feinde" präsent. Österreich, Europa, Kirchenreform, Kulturdiagnose: All das ist auch in zahlreichen Furche-Artikeln nachzulesen - nicht zuletzt zu einem der Themen, die mit Heers Namen untrennbar verbunden sind, nämlich der Abrechnung mit dem christlichen Antijudaimus, wie sie Friedrich Heer dann in seinen Büchern "Gottes erste Liebe" (1967) und "Der Glaube des Adolf Hitler" (1968) gründlich und polemisch weitergedacht hat, wovon er in der Furche aber schon 1964 ("Rom, die Juden, wir") geschrieben hat: "Wenn das Christentum auf seine eigene Einwurzelung in diesen Lebenskräften des Alten Bundes verzichtet, vermag es jene Weltfreude, jene Gerechtigkeitssuche, jene selbstkritische Frömmigkeit im Angesicht Gottes und des Menschen, jene Verpflichtung, für die ganze Menschheit ,das Reich Gottes' in Leben und Leiden hier und heute vorzubereiten, nicht zu sehen, die das Judentum durch die Jahrhunderte bezeugt."

Ausstellung

In der Leseausstellung der Volkshochschule Hietzing sind mehr als zwanzig Texte, die Friedrich Heer im Zeitraum von 1946 bis 1982 geschrieben hat, dokumentiert. Vom Artikel "Aufgang des Abendlandes" am 14. September 1946 bis zum Beitrag "Hoffnungen bezeugen" vom 9. Juni 1982. Auf vielfachen Wunsch ist nun ein Reprint der Furche-Seiten erhältlich. Außerdem sind die biografischen Notizen, die Heer für die Furche über europäische Persönlichkeiten wie Ernst Bloch, Ludwig Wittgenstein und Albert Camus geschrieben hat, enthalten. Eine besondere Rarität dieser kleinen Dokumentation ist die Buchbesprechung über das Buch "Die christliche Brüderlichkeit" von Josef Ratzinger im Dezember 1960. Einen Einblick erhalten Sie auf der homepage www.vhs-hietzing.at. Bestellen können Sie die Faksimile-Ausgabe der Furche-Artikel zum Unkostenpreis von e 10,- (A3-Spiralbindung, exkl. Versandkosten) bei der Volkshochschule Hietzing (r.streibel@vhs-hietzing.at oder Tel. 804 55 24).

Ausstellung bis 21. 4.

VHS Hietzing

1130, Hofwiesengasse 48

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