Zahnloser Auftakt zum Jubiläumsjahr

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Das Theater an der Wien feierte sein zehnjähriges Jubiläum als Opernhaus mit einer problematischen "Dreigroschenoper" und mit einem Beethoven-Festkonzert - einem ungewohnten "Fidelio". Für Nikolaus Harnoncourt sprang Stefan Gottfried als Dirigent ein.

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Das Theater an der Wien feierte sein zehnjähriges Jubiläum als Opernhaus mit einer problematischen "Dreigroschenoper" und mit einem Beethoven-Festkonzert - einem ungewohnten "Fidelio". Für Nikolaus Harnoncourt sprang Stefan Gottfried als Dirigent ein.

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Lässt sich ein Musicalhaus, das einst eine Opernbühne war, erfolgreich zu seiner ursprünglichen Aufgabe zurückführen? Mehr als ein Jahrzehnt ist es her, dass diese Debatte durchaus heftig geführt wurde. Es gab nicht wenige, die der Idee misstrauten, dem Theater an der Wien wieder seine angestammte Bestimmung zurückzugeben. Wo wäre das dafür nötige Publikum, lautete eine der in diesem Zusammenhang immer wieder gestellten Fragen. Und könnte sich ein neues Haus so etablieren, dass es sich neben Staats-,Volks- und Kammeroper langfristig behaupten kann?

Internationale Opernstars

Längst sind diese Diskussionen und Bedenken Geschichte. Zehn Jahre Theater an der Wien als Opernhaus sind eine Erfolgsgeschichte -selbst wenn man die eine oder andere Produktion kritisch Revue passieren lässt. Die Idee von Intendant Roland Geyer, das Haus als Stagionetheater mit - ausgenommen die Zeit der Wiener Festwochen und den Sommer - monatlich einer Neuproduktion zu bespielen, hat sich als klug erwiesen. Geyer ist auch Mathematiker und besitzt ein spezifisches Gefühl für Zahlen, was sich in diesem Jubiläumsjahr darin zeigt, dass er es mit seiner hundertsten szenischen Opernproduktion eröffnet hat: mit Brecht-Weills "Die Dreigroschenoper".

Wie es schon im Untertitel "Ein Stück mit Musik" zum Ausdruck kommt, nimmt es für sich in Anspruch Schauspiel und Musiktheater zu sein und ist außerdem eine beißende Gesellschaftskritik, die zu jeder Zeit ihren Platz hat. Diese muss aber auch als solche erkennbar sein - eben daran krankt diese Produktion, die alles andere als ein gemäßer Beitrag, geschweige denn ein gelungener Auftakt zu diesem Jubiläumsjahr ist.

Dass dieses Werk schwierig zu realisieren ist, weiß man nicht erst seit vorigem Salzburger Festspielsommer. Schon bei der Besetzungsfrage scheiden sich die Geister: Setzt man mehr auf Schauspieler oder auf Sänger? Im Theater an der Wien sollten erfahrene internationale Opernstars wie Angelika Kirchschlager (als Celia Peachum) und Anne-Sofie von Otter (als Spelunken-Jenny) für vokalen Glanz sorgen, prunkten aber mehr mit Routine und nur selten mit dem für diese Art von musikalischem Genre charakteristischen Tonfall. Nina Bernsteiners Polly fehlte es an eigenpersönlichem Ausdruck und klarer Artikulation, unerwartet blass auch Markus Butter als Polizeichef Brown und Florian Boesch als harmloser Jonathan Peachum.

Wenig Biss und Ironie

Und Tobias Moretti, der für den Mackie Messer eigens Gesangsunterricht genommen hatte? Er fügte sich in dieses Bild, ließ bei der nur mäßig beklatschten Premiere meist die nötige Ironie vermissen, wie er auch nur ansatzweise die differenzierten Facetten des Charakters seiner Rolle zeigte. Offensichtlich aber wollte das die derart enttäuschende Regie von Keith Warner, der seine Inszenierung in einer Art Hinterhofbühnenbild mit Guckkastenbühne (Bühnenbild: Boris Kudlic ka) spielen lässt.

Solcherart entpuppt sich die "Dreigroschenoper" nicht als beißende Auseinandersetzung mit der Gesellschaft, sondern wird zu einer Persiflage über das Stück selbst, macht sich gewissermaßen über sich selbst lustig. Trieb auch deshalb Johannes Kalitzke die Musiker des Klangforum Wien derart forsch durch die Partitur, ohne den subtil-hintergründigen Tonfall der Musik Kurt Weills auch nur einigermaßen anzustreben? Einzig der Arnold Schoenberg Chor brillierte.

Um daran zu erinnern, dass er seine Intendanz mit Mozart und Beethoven begonnen hatte, lud Geyer zwei seiner wichtigen musikalischen Weggefährten für konzertante Musiktheateraufführungen ein: René Jacobs für Mozarts "Idomeneo" und Nikolaus Harnoncourt für Beethovens "Fidelio", den er in der "Leonore"-Version aus 1806 präsentieren wollte, was ihm aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich war. Aus der Besetzung, die man aus der von ihm geleiteten "Fidelio"-Produktion kennt, stachen diesmal Michael Schades Florestan und Anna Prohaskas Marzelline sowie Rainer Trosts Jaquino hervor. Entbehrlich erwiesen sich die von Herbert Föttinger vorgetragenen, Pathos befrachteten Zwischentexte von Christoph Klimke. Stefan Gottfried stand am Pult des unterschiedlich sicheren Concentus Musicus, führte diesen, den perfekt studierten Arnold Schoenberg Chor und die Protagonisten ganz im Sinne Harnoncourts, ohne dessen per Video übermittelten Wunsch auf eine aufwühlende Aufführung erfüllen zu können.

Die Dreigroschenoper

Theater an der Wien, 23., 25., 28. Jänner

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