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Entführung und Verführung

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Neben Günther Rennerts Neuinszenierung von „Figaros Hochzeit“ ist als geglückteste künstlerische Gesamtleistung der heurigen Festspiele die vom Vorjahr übernommene „Entführung aus dem Serail“ zu werten. Es ist nicht nur der reizvolle Laterna-Magica-Effekt, den sich der italienische Meisterregisseur Giorgio Strehler hat einfallen lassen (sobald die Personen nämlich das vordere Drittel der Bühne betreten, also an der Rampe agieren, erscheinen sie nur noch als Schattenrisse), sondern die hochmusikalische, leichte und komödiantische Führung aller sechs Protagonisten, es sind ferner die einfachen Bühnenbilder und-ndteitf aparteß -aRjOstüme . von Lucįąn , Dpmiani, und es.,fet e nje Idealbesetzung, bei der man den beiden Damen Rothenberger und Reri Grist den Kranz zuerkennen mag, obwohl auch die Herren Heltau, Wunderlich, Ungar und Fernando Corena erste Klasse sind. Nicht ganz erstklassig war, zu Beginn vor allem, der Kontakt von Zubin Mehta mit dem delikat spielenden Orchester der Wiener Philharmoniker. Hier fehlt es dem viel zu schnell arrivierten Dirigenten einfach noch an Gewandtheit und Geistesgegenwart, kleine Lapsi aufzufangen und zu, applanieren "(soweit er sie nicht selbst verschuldet hat). Der hocherfreuliche Gesamteindruck — endlich einmal ein wirklich erneuerter Mozart! — und der Beifall des Publikums empfehlen es, diese Produktion auch im nächsten Jahr wieder zu zeigen.

Mozarts Jugendoper „Die Gärtnerin aus Liebe“, die für Salzburg von Hofrat Prof. Baumgartner wiederentdeckt wurde (in Frankreich hat man sie vor etwa drei Jahren einem geladenen Publikum im Schloß von Versailles vorgeführt) ist, in der Inszenierung Ernst Poettgens und unter der musikalischen Leitung von Bernhard Conz, bei der Kritik nicht eben gut weggekommen. Aber war daran nicht, wenigstens zum Teil, auch der opernmörderische Carabinierisaal schuld? Der Verfasser dieses Berichts sah sie im Residenzhof an einem warmen, schönen Sommerabend. Ebenso warm war auch der Beifall eines Publikums, unter dem sich viele befunden haben mögen, denen es nicht gelungen ist (oder die es sich nicht leisten konnten), Karten für eine der „Großveranstaltungen“ au erwerben. — Die Kostüme von Leni Bauer-Ecsy haben uns besser gefallen als ihre Dekorationen, hier ist manches noch zu gewollt, ebenso in der Regie. Die Besetzung lautete: Cesare Curzi, Collette Boky, Donald Grobe, Jean Cook, Evelyn la Bruce (sehr spielgewandt in einer schwierigen Hosenrolle), Adriana Marti- rano und Thomas Tipton. — Dem Mozarteumorchester ist bemerkenswerte Akkuratesse nachzurühmen.

Mit den Orchesterkonzerten hat es der Referent während seines zehntägigen Aufenthaltes in der Festspielstadt nicht gut getroffen. Er hörte ein von dem bieder-verläßlichen Karei Ančerl geleitetes Mozart-Konzert des Berliner Philharmonischen Orchesters. Revelationen hatte er sich keine erwartet, aber weshalb man für das Violinkonzert G-Dur, KV. 216 (das dritte der fünf innerhalb des Jahres 1755 in Salzburg entstandenen Concerti)

ausgerechnet den jungen rumänischen Geiger Jon Voicu engagiert hat, blieb unergründlich. Wer wollte da wohl wem etwas zuliebe tun? Mozart hat man dabei jedenfalls vergessen. — Eine erfreuliche Entdeckung machte man dagegen zu Beginn dieses im Ganzen wenig festlichen Konzerts: bei der Erstaufführung einer Symphonie von Jan Hugo Worzischek, der 1791 als Lehrerssohn in Wamberg (Böhmen) zur Welt kam und bereits 1825, ein Jahr nach seiner Ernennung zum Hoforganisten, gestorben ist. Man erfährt aus dem Programm, daß der junge Komponist in Prag die Musik Cherubinis und Webers kennen- lemte und in Wien Beethoven und Schubert .verehrte. Schön und gut und wissenswert. Aber da 'ist ferner noch ein dramatischer Impetus, eine Formbegabung von durchaus eigener Art, die es der Mühe wert erscheinen lassen, sich um diesen unbekannten Musiker künftig mehr zu kümmern.

Was bei mehreren Großveranstaltungen nicht stattfand — die orphische Bezauberung durch schönen Gesang — konnte man an drei Liederabenden im Mozarteum erleben: Christa Ludwig' und Walter Berry sangen alternierend einen ganzen Abend lang Lieder von Hugo Wolf, ein geradezu dramaturgisch aufgebautes Programm, das von

Goethe-Liedern aus dem „Divan“ und „Wilhelm Meister“ bis zu geistlichen und weltlichen Gesängen aus dem „Spanischen Liederbuch“ reichte. Die prachtvollen Stimmen wurden, je nach Erfordernis, von Erik Werba entweder kammermusikalisch oder fast symphonisch begleitet. Nach den zwei Dutzend Liedern gab es noch je zwei Zugaben von Frau Ludwig und Herrn Berry — billiger gab es das Publikum nicht...

Von etwas leichterem Gewicht war der Liederabend von Anneliese Rothenberger, die das gleiche Pensum allein absolvierte und die wfr in Salzburg (und in Österreich) zum erstenmal als Liedinterpretin erlebten. Frau Rothenberger sang vier Zyklen: von Schumann, Hugo Wolf, Debussy (mit tadelloser französischer Aussprache) und Richard Strauss

Tage verschoben werden mußte, sang ebenfalls vier Zyklen: von Schubert, Haydn (dessen schottischen und walisischen Volksliedern man spätere Texte von Hermann Löns unterlegt hatte!), Schumann und Strauss. Seine Stimme und seinen dramatischen Ausdruck rühmen, hieße Eulen nach Athen tragen. Des Sängers noch etwas merkbare Ermüdung wurde von dem versierten und klangvoll spielenden Begleiter Heinrich Schmidt virtuos kompensiert.

Eine besonders nette Veranstaltung gab es am vergangenen Samstag am Rande der Festspielstadt. Da stellten sich im Mirabellgarten, gegen fünf Uhr nachmittags bei mehr als 30 Grad im Schatten, etwa drei Dutzend in feierliches Schwarz gekleidete junge Damen und Herren auf und sangen Chöre von Bach (aus dem „Magnificat“) über Mozart bis Virgil Thomson und Spirituals. Es war der Chor der Wisconsin State University unter seinem Leiter, Professor Caldwell Johnson, der hier ein Gratiskonzert mit erfreulichem Niveau absolvierte und der Festspielstadt huldigte.

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