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Das andere St. Gabriel

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„Kennen Sie St. Gabriel?“

„Natürlich! Das ist doch das große Missionshaus bei Wien.“ '

„Das stimmt schon. Ich meine aber ein anderes St. Gabriel: die Benediktinerinnenabtei.“

„Benediktinerinnenabtei? Die ist doch in Salzburg, auf dem Nonnberg.“

„Das ist die eine; es gibt aber noch eine zweite in Österreich, eben Sankt Gabriel.“

„St. Gabriel? Wo soll denn das liegen?“

Ja, wo liegt St. Gabriel! Im Kursbuch findet man es nicht, auch nicht im Autobusfahrplan. Erkundigt man sich, wird man erst recht verwirrt. Einer spricht von Bertholdstein, ein anderer von Pertlstein; einer rät, mit der Bahn bis Fehring zu fahren, ein anderer bis Feldbach, ein dritter gar, mit dem Autobus von Graz zu kommen. An wen soll man sich nun halten?

St. Gabriel war das erste Frauen-ldoster der Beuroner Benediktinerkongregation. Im Jahr 1888 wurde in Prag-Smichow der Grundstein des Hauses gelegt, das die Nonnen bereits ein Jahr später bezogen und unter den Schutz des Erzengels Gabriel stellten. 1893 wurde die erste Äbtissin eingesetzt. Dem blühenden monastischen Leben in Prag machte der Ausgang des ersten Weltkrieges ein jähes Ende. So wie ein Teil der Mönche der Männerabtei Emaus in Prag mußten auch die Frauen von St. Gabriel den neugegründeten Staat verlassen. Im Jahre 1920 wurde die Abtei in das Schloß Bertholdstein in der Oststeiermark verlegt, nahe dem Ort Pertlstein, etwa in der Mitte zwischen den Stationen Fehring und Feldbach der Bahnlinie Wien—Aspang—Graz. 1942 wurden die Nonnen von den neuen Machthabern vertrieben, konnten aber gleich nach Kriegsende wieder zurückkehren. Ursprünglich nur als Zwischenlösung .. gedacht, . dürfte Bertholdstein (Joch- ctas..:endgültige Heim der Reiw-„, diktinerinrjen von St. Gabriel bleiben. Abgesehen von den eroßen Summen, die irr das alte Schloß gesteckt worden waren, erwies sich keines der zahlreichen zum Kauf angebotenen Objekte als wesentlich geeigneter. So wird für die Frauen von St. Gabriel die „stabilitas loci“ erst nach rund vierzig Jahren auch im wörtlichen Sinn wieder gegeben sein.

Wenn man in Pertlstein den Autobus verläßt, hat man noch eine gute Viertelstunde zu gehen, und zwar bergauf. An sich ist das nicht viel, aber mit einem Koffer zieht sich der Weg. Man erfährt dann auch später, daß ein preiswertes Taxi vom Bahnhof Fehring die günstigste Verbindung bietet. Auf der Höhe angelangt, sieht man zur Rechten das mächtige alte Schloß. Links befinden sich die Wirtschaftsgebäude und das kleine Gästehaus. Die Gegend ist lieblich, be- vorher bekanntgeben, sonst ist das ruhigend, gleichsam das weibliche verschwiegene Pförtchen, das nur Wis-

Gegenstück zu den männlich-gewal- sende finden, geschlossen, tigen Bergen Seckaus.

Man kommt nach St. Gabriel, vor Das „Spiel vor Gott“ allem um zu hören. Es stellt sich aber Ungemein feierlich ist der Einzug heraus, daß man auch manches sehen der Ordensfrauen. Auch sie tragen kann, und das ist bei der strengen Abgeschiedenheit der Frauenabteien sonst kaum möglich. Damit soll nicht un-ziemender Schaulust das Wort geredet sein. Bloß die Tatsache sei festgestellt, daß ein zum Kloster umgewandeltes Schloß nicht die Klausurmöglichkeiten bietet wie ein neuerbautes Haus. Das gilt vor allem für den Gottesdienstraum. Auf dem Nonnberg hört man die Frauen von der Westempore fingen. In dem neuen Zisterzienserinnenkloster Marienkron im Burgenland bildet der, Betchor'itter'Nonnen-und das Schiff der Gläubigen einen rechten Winkel — so eigentlich die Vorschrift. In St. Gabriel gibt es wohl eine barocke, übrigens zauberhaft restaurierte Schloßkapelle. Am Sonntag ist dort eine Messe für die Umwohner. Zur Entfaltung des feierlichen benediktini sehen Gottesdienstes waren größere Ausmaße nötig. Man fand sie im Rittersaal des Schlosses. Etwa drei Viertel des Raumes nimmt das Chorgestühl der Nonnen ein. Dann kommt die einfache Mensa des Altares, an dem der Priester versus populum zelebriert, in diesem Fall also der Klostergemeinde zugewandt. Im Rest des Saales, also hinter dem Altar, können einige wenige weltliche Besucher dem Opus Dei beiwohnen. Sie haben einen schönen Blick in den Nonnenchor und auf den Thron der Äbtissin an dessen Stirnseite. Man muß aber seine Absicht, teilzunehmen,

— gleich den Mönchen — das weite, schwarze Chorgewand, die Kukulle. Glockenrein und schlackenlos werden die Vesperpsalmen und das Magni-fikat gesungen. Bei Solostellen hört man beachtliches Stimmaterial, wie überhaupt nicht nur richtig, sondern auch schön gesungen wird, dazu in einer von allen gut sangbaren Lage, nicht zu hoch und nicht zu tief. Leider ist keine Orgel vorhanden. Nur ein Harmonium, doch einfühlend und diskret gespielt, begleitet den Gesang. Bei der Matutin um acht Uhr abends fällt einem das gute Tempo der Rezitation und die gute und verständnisvolle Aussprache des Lateins auf. Hat doch ein Großteil der Ordensfrauen nicht nur Matura, sondern sogar akademische Bildung.

Noch schöner aber war das Konventamt am folgenden Tag, Maria Namen. Völlige Übereinstimmung von Wort, Ton und Gebärde, dabei alles getragen von lebendigem Glauben und ehrfurchtsvoller Andacht, bieten ein unvergeßliches Erlebnis. Wie in scheuer Liebe, mit halb verhülltem Antlitz, empfangen die Christusbräute den Leib des Herrn. In der Tat, diese Gemeinschaft hat ihre vollkommene Mitfeier des heiligen Opfers schon gefunden.

' Der Konvertit und Malermönch Willibrord Verkade arbeitete als Ordenskandidat von Beuron im Jahr 1895 an der Ausmalung der Abteikirche in Prag mit. In seinem Buch „Der Antrieb ins Vollkommene“ schildert er mit den Augen des Malers den Anblick, der sich von seinem Gerüst aus in den Frauenchor bot. Am Schluß sagt er dann: „Es hat mir immer eine innige Freude gemacht, daß das Schönste, Beste und Liebste der Welt schließlich doch Gott gehört und kein Mensch von so vielen und so innig geliebt wurde und wird wie Christus. Wahrlich, Gott hat die Menschen nicht umsonst erschaffen und Christus hat sie nicht umsonst erlöst. Denn die reinsten, edelsten und reichsten Seelen gehören Ihm. Und Er freut sich über ihre bräutliche Schönheit und erquickt sich an ihrer reinen, einfachen Liebe wie der Mensch an einem edlen, abgelagerten, goldenen Wein.“

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