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FRANZ OLAH NOCH NICHT AN DER ENDSTATION

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Iw düsteren Oktober 1950 war es. Die Kommunisten hatten die Generalstreikparole ausgegeben. Und nicht nur dies. In dem in der sowjetischen Besatzungszone liegenden Niederösterreich und in Wien schritten sie zur direkten Aktion. Würden sich die Prager Ereignisse des Jahres 1948 wiederholen? Fast schien es so. Während in Wiener Neustadt an der Spitze der bescheidenen Kräfte der Exekutive ein als Oesterreicher wehr als einmal bewährter Gendarmerieoffizier nach dem Rechten sah, kam durch das Radio eine Meldung, die aufhorchen ließ. Unter Anführung ihres Ersten Sekretärs haben die Mitglieder der Bau- und Holzarbeitergewerkschaft Stoßtrupps gebildet, die den kommunistischen Rollkommandos, wo immer sie auftraten, die Stirn boten. Der Name des Sekretärs, der damals der breiten Oeffent- lichkeit das erstemal bekannt wurde, lautete Franz O l ah. In diesen Tagen wird derselbe Mann als Nachfolger Johann Böhms zum Präsidenten des Oesterreichischen Gewerkschaftsbundes gewählt.

Franz Olah wurde am 13. März 1910 in Wien als Sohn eines Installateurs geboren. Hier besuchte er auch die Volksschule. Von einem Aufenthalt in Budapest, wo der Vater arbeitete und Franz die Unterklassen des Gymnasiums absolvierte, zeugt noch heute eine gewisse, nur für den Kenner merkliche Klangfarbe in der Aussprache. Das Schicksal vieler begabter Arbeiterkinder in jenen, Jahren wird auch seines. Das Mittelschulstudium muß der Erlernung eines Brotberufes weichen.

Olah erlernt nach seiner Rückkehr nach Wien das Klaviermacherhandwerk. Bald holt den ambitionierten jungen Mann, der 1924 der Jugendabteilung der Freien Gewerkschaften beigetreten ist, die Politik. 1926 schließt er sich der Sozialistischen Jugend in seinem Wohnbezirk Hernals an. Ab 1929 ist er hier sozialdemokratischer Vertrauensmann.

Die Zeiten sind böse. Mit seiner Partei geht auch Olah 1934 in die Illegalität. Mehrmals wird er verhaftet. Dennoch: Als 1938 Oesterreich auf dem Spiel steht, gehört Olah zu jenem Kreis von Sozialisten und Gewerkschaftern, die sich bereit erklären, über den Graben von 1934 hinweg mit Katholiken und „Austrofaschisten“ gegen den Griff des Dritten Reiches nach Oesterreich gemeinsam Front zu wachen. „Wir waren bereit, für einen Staat einzutreten, der damals nicht der unsere war“; so der heutige lakonische Kommentar zu einem patriotischen Entschluß, der mit sieben Jahren in Hitlers Konzentrationslagern bezahlt wurde.

Der neue Tag des Jahres 1945 findet Olah bereit. Schon in diesem Jahre übernimmt er das Sekretariat der Gewerkschaft der Bau- und Holzarbeiter — seiner „Hauswacht“ für den folgenden raschen Aufstieg in der Gewerkschafts- und Parteihierarchie. 1955 wird er Vizepräsident des OeGB, 1957 folgt er Pitterwann als Geschäftsführender Klui- obmann der SPOe. Iw Juni dieses Jahres niwwt er an Böhms Stelle iw Präsidium des Nationalrates Platz.

In der theoretischen Diskussion „Kirche — Sozialismus“ ist der Praktiker Olah, sder im Gespräch sehr liebenswürdig sein kann, der aber manchem Parteifreund und -gegner auch schon wehr als einmal eine harte Hand gezeigt hat, nicht hervorgetreten. Allein es ist bekannt, daß Olah selbst in der Zeit der „Freidenkerbewegung“ seiner Jugend nie aus der katholischen Kirche ausgetreten ist. Ohne Zweifel war er ein Vorkämpfer des „neuen Programms“ seiner Partei.

Nun folgt der „junge Mann“ mit bald 50 Jahren — Oesterreich hat eben seltsame Vorstellungen von politischer Jugend — Johann Böhm an der Spitze des OeGB. Es ist nicht anzunehmen, daß dies die politische Endstation eines Mannes mit eisenhartem Charakter und — reinen Händen ist.

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