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SP-Persilschein für FPÖ

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FURCHE: Sie haben schon 1963 als Minister der Großen Koalition auf den Umstieg zu einer kleinen, rotblauen hingearbeitet. Ist jetzt Ihr Traum in Erfüllung gegangen?

OLAH: Die Kleine Koalition kommt spät, meiner Meinung nach zu spät. Hätte es sie schon früher gegeben, wäre jetzt eher auch eine Gesprächsbasis zwischen den beiden Großparteien vorhanden, die für die Lösung dringender Probleme nötig wäre.

FURCHE: Warum waren Sie überhaupt je für eine kleine Koalition?

OLAH: Weil es für mich eine Selbstverständlichkeit ist, daß keine im Parlament vertretene Partei, die sich zu den Grundregeln der Demokratie und des Rechtsstaates bekennt, wie eine Aussätzige behandelt werden darf. Ich war nicht für eine Zerstörung der Großen Koalition, sondern gegen deren Erstarrung. Es war ja einfach in keiner Frage mehr eine Einigung möglich. Und um die FPÖ prinzipiell regierungsfähig zu machen, war klar, daß sie zuerst den „Persilschein" von den Sozialisten in Form einer rotblauen Koalition bekommen mußte. Eine schwarzblaue hätte sofort das Bürgerblockgespenst neu heraufbeschworen.

FURCHE; Wie arg war das vnrklich damals schon mit der Großen Koalition?

OLAH: Ich eriimere mich, daß ich einmal mit (dem damaligen SPO-Vorsitzenden und Vizekanzler) Pittermann eine Liste von Koalitionswünschen der OVP durchging und meinte, wir könnten eigentlich zustimmen, weil sie keine unserer Grundsätze verletzten. Darauf erwiderte er, dann müßte man eben solche angebliche Grundsatzverletzungen erfinden, um sich diese teuer abkaufen zu lassen...

FURCHE: Und heute wären Sie wieder für eine Große Koalition?

OLAH: Nein, sondern für eine Einbindung aller Parteien in die Regierungsverantwortung, denn nur alle drei Parlamentsparteien können das notwendige Unpopuläre tun. Jetzt werden zwei es unzulänglich tun und trotzdem verlieren und die ÖVP muß nichts mitverantworten.

FURCHE: Sie teilen also Kreisky s jetzige Meinung, daß die Regierung Sinowatz/Steger nur ein .Intermezzo" sein wird?

OLAH: Jede Regierung ist nur ein mehr oder weniger lange dauerndes Intermezzo. Ich denke auch nicht an die verfassungsrechtliche Verankerung einer Proporzregierung, sondern an ein freiwilliges Regierungsbündnis von SPÖ, ÖVP und FPÖ.

FURCHE: Welche Probleme könnten Ihrer Meinung nach nur von einer Dreiparteienregierung gelöst werden?

OLAH: Die unerläßliche Reform der Staatsausgaben - natürlich nicht auf Kosten der sozial Schwachen. Aber für Leute, die es wirklich nicht notwendig haben, müssen alle Sozialleistungen radikal gestrichen werden. Statt der Heiratsbeihilfe könnte wieder die frühere steuerliche Absetzbarkeit für Hausratsanschaffungen eingeführt werden — das schließt das Abstottern von Autoraten mit diesen Geldern aus, ebenso die Finanzierung von Schein- und Kurzehen.

FURCHE: Und die Reform der verstaatlichten Industrie?

OLAH: Erfordert auch Mut zur Unpopularität, obwohl so viele Unternehmungen wie möglich, ob private oder verstaatlichte, erhalten werden müssen. Aber 50 mit je 10 Beschäftigten zu erhalten ist oft billiger als eins mit 500 Leuten. Milliarden Schillinge wurden in Pleitebetriebe gesteckt, von denen man jahrelang schon wissen mußte, daß gewisse Produktionszweige eingeschrumpft gehörten.

FURCHE: Das alles haben Sie auch im Wahlkampf gesagt, und trotzdem blieb die Neue Österreich-Partei ohne Erfolg. Warum?

OLAH: Unser Tod waren die Grünen und die Alternativen. Aber deshalb auf die Barrikaden zu steigen und radikal zu werden oder mich grün anzustreichen, das tu* ich nicht...

FURCHE: Bleiben Sie weiter in dieser Partei aktiv?

OLAH: Nein. Ich bin kein Mitglied irgendeiner Partei, sondern hab' nur dem Drängen von (Exr Justizminister) Prof. Klecatsky nachgegeben, zu kandidieren.

FURCHE: Zu Ihren historischen Leistungen gehört Ihr Beitrag zur Entkrampfung des Verhältnisses zwischen Sozialdemokratie und Kirche. Sehen Sie dieses Werk durch die jüngsten Entwicklungen gefährdet?

OLAH: Ein bißchen schon. Immer hat die Radikalisierung der einen Seite eine gewisse Radikalisierung auch auf der anderen zur Folge. Das können wir wirklich nicht brauchen.

FURCHE: Die Wiener Jusos sagen, sie wollten sich mit dem Papst über dessen Lateinamerika-Politik auseinandersetzen.

OLAH: Aber Leiberl mit dem Aufdruck „Hau ab, Papst!" sind keine Auseinandersetzung.

Österreich hat auch schon ehemalige Massenmörder, nachdem sie „Staatsmänner" geworden waren, taktvoll empfangen. Das wäre wohl das Mindeste, was auch der Papst erwarten dürfte. Was mich schockiert, ist nicht die Ver-anstaltvmg gegen den Papst, sondern die Intoleranz gerade dieser jungen Leute. Hoffentlich kommt es wenigstens während des Katholikentags zu keinen Lausbübereien in Anwesenheit des Papstes.

FURCHE: Halten Sie solche für möglich?

OLAH: Leider kann man sie nicht völlig ausschließen.

Mit dem einstigen OGB-Präsidenten (1959-63) und Innenminister (1963-64) sprach Hubert FeichUbauer.

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