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Voraussetzungen des Weltfriedens

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Zum zweitenmal innerhalb eines Vierteljahrhunderts wird der Versuch unternommen, eine Organisation zur Sicherung eines dauernden Weltfriedens zu schaffen. Wieder geschieht dies unter dem aufwühlenden Eindruck einer Weltkatastrophe und des Massensterbens von Millionen als Opfer eines jahrelangen menschenmordenden Völkerkrieges. Zum zweitenmal will die Menschheit einen Schlußstrich gezogen wissen hinter eine Zeit, in der der Krieg der „Vater aller Dinge“ war, einer jahrtausendelangen Epoche, die den Krieg nicht aus der Welt zu schaffen vermochte.

Erst das 20. Jahrhundert hat diesen theoretisch auch schon in früheren Zeiten erörterten Gedanken praktisch zu verwirklichen unternommen und nach dem ersten Weltkrieg wurde tatsächlich die Schaffung einer Weltfriedensorganisation in der Form des Völkerbundes durchgesetzt. Aber dieser erste Versuch mißlang. Die Zeit war damals noch nicht reif für die Verwirklichung dieser großen Idee, was nicht zuletzt in der fehlenden Universalität des Völkerbundes zum Ausdruck kam, dem führende Großmächte entweder fern blieben oder ihm dur.ch ihre gegnerische Einstellung die erforderliche Einigkeit raubten. Der Genfer Bund vermochte denn auch weder den Angriffskrieg Japans gegen China noch den abessinischen Krieg Mussolinis noch den südamerikanischen Chacokrieg zu verhindern, vor allem aber die Welt nicht vor den Schrecken des zweiten Weltkrieges zu bewahren. Dies soll sich aber nicht mehr wiederholen.

Der zweite Weltkrieg“ war schrecklicher als der erste, ein dritter wäre noch weit entsetzlicher als es der zweite war, und die progressive Steigerung des Schreckens würde schließlich zum Selbstmord der weißen Rasse und zum Untergang ihrer Zivilisation und Kultur führen. Dieser Gefahr eines totalen Vernichtungskrieges soll jetzt die Totalität der Abwehrorganisation, eine geschlossene Verteidigungsfront aller Völker zum Schutze des Weltfriedens entgegengestellt werden. Vorbehaltloses gegenseitiges Vertrauen ist die erste Voraussetzung dafür, daß diesmal ganze Arbeit geleistet wird und die Völker von ihren Vertretern angesichts der möglichen Wiederkehr tödlicher Krisen der Zukunft „nicht wieder im Stiche gelassen werden“. Dr. Zuleta appellierte in dieser Hinsicht in erster Linie an die großen Mächte, die die Hauptverantwortung für die Erhaltung des Friedens und der Sicherheit trügen und forderte sie auf, untereinander Einigkeit zu bewahren, da diese die Hauptgrundlage der Organisation der Vereinten Nationen sei. Mit der äußeren zwischenstaatlichen Harmonie muß aber die innere Zufriedenheit der Völker Hand , in Hand gehen. Soziale Gerechtigkeit und die Fernhaltung der Not von allen Bevölke-rüngsschichten sind, wie Premierminister Attlee hervorhob, wesentliche Faktoren für die Erhaltung des Weltfriedens, in dessen Interesse man auch die Ursachen innerer Unruhen und von Bürgerkriegen, deren Flammen leicht über die Grenzen schlagen können, beseitigen muß. ' -

„Die Welt ist heute einiger als je zuvor“, erklärte Attlee. In der Regel sind nur schwere Gefahren, die von außen her die Existenz von Staaten und Völkern bedrohen, imstande, alle Gegensätze zwischen den Bedrohten zu überwinden, diese zu einigen und zu bedingungslosem dauerndem Zusammenschluß zu veranlassen. Auch diesmal ist es eine solche gemeinsame Gefahr, die die Welt zur Einigung drängt. Es ist die Technik der Zerstörung, die zu einer Gefahr für die ganze Menschheit geworden ist, wei' der Krieg sich in immer höherem Grade der Vernichtungsmittel bedient, die sie ihm in steigendem Maße zur Verfügung stellt. Der Krieg und seine Technik sind damit heute zum Weltfeind Nr. 1 geworden, zum Feind aller ohne Unterschied. Die rasende Kriegsfurie würde künftig nicht mehr Sieger und Besiegte zurücklassen, sondern auf beiden Seiten nur unendliche Reihen von Leichenbergen und Trümmerstätten.

Wollen wir dies verhindern, so müssen wir die Zerstörungsmittel und die weltvernichtenden Waffen dem Krieg aus den blutigen Händen winden und sie in den Dienst des Friedens stellen. Die Entwaffnung des Krieges und die Bewaffnung des Friedens müssen das Ziel unserer Bestrebungen sein und bleiben. Es darf von nun an nur einen einzigen Grund geben, der Rüstungen rechtfertigt: Den Schutz und die Verteidigung des unteilbaren Weltfriedens.

Es ist vor allem die furchtbare Wirkung der Atombombe, die wie ein Blitz den Abgrund erhellt hat, dem die von Kriep zu Krieg taumelnde Menschheit wie ein von Mordwut befallener Amokläufer entgegeneilte, und die dadurch den weithin hallenden Ruf nach friedlicher Einigung aller Völker geweckt hat. Man muß es hiebei noch als einen außerordentlich bedeutsamen, nicht hoch genug einzuschätzenden Glücksfall ansehen, daß die Konstruktion dieser Bombe gerade in einem Zeitpunkt vollendet wurde, in dem der zweite Weltkrieg bereits in seine letzte Phase getreten war und zwei Bombenwürfe genügten, um den Krieg- auch im japanischen Sektor zu beenden. Denn es ist nicht auszudenken, in welche verhängnisvollen Bahnen die weltpolitische Entwicklung der nächsten Jahrzehnte gelenkt worden wäre, wenn das Problem der Ausnützung der Atomenergie zur Herstellung von Bomben ungeahnter Wirkung erst einige Jahre nach Abschluß des Krieges — möglicherweise in mehreren Staaten gleichzeitig — gelöst worden wäre.

Alle diese Staaten hätten die Erfindung jedenfalls geheimzuhalten getrachtet, sich vielleicht als deren alleinige Besitzer gewähnt und der eine oder der andere daraus politische Konsequenzen imperialistischer Natur gezogen. Welche Folgen dann ein neuer allgemeiner Krieg gehabt hätte, braucht man heute wohl nicht mehr besonders auszumalen.

Daß nun diese furchtbare Waffe schon in den Schlußtagen des zweiten Weltkrieges der ganzen Menschheit alle Schrecken eines Krieges mit solchen Kampfmitteln drastisch vor Augen führte, verwandelt sie aus einer Zerstörungswaffe des Krieges, in eine Schutzwaffe des Friedens. Sie ist es, die durch ihr Auftreten jeder Art von Kriegspolitik und jeden friedensgefährdenden Imperialismus ein kategorisches „Halt“ und ein „Bis hieher und nicht weiter“ gebietet. Sie ist die wirkungsvollste Propaganda gegen den Krieg und der beredsamste Anwalt eines dauernden .Universalfriedens, zu dessen stärkstem Garanten sie gleichzeitig wird. Sie ist aber damit auch eine Warnung an die Menschheit, und zwar, wie der britische Premierminister nachdrücklichst betonte, die letzte solche Warnung. Die Völker wissen jetzt, um was es geht und was sie zu erwarten haben, wenn sie sich neuerlich in einen Krieg stürzen lassen. Sie haben die Wahl. Aber diese geht jetzt nicht nur um die Alternative „Krieg oder Frieden“, sondern um „Tod oder Leben“.

Die auf der Moskauer' Konferenz zwischen den Außenministern der drei Weltmächte beschlossenen Vereinbarungen über die Kontrolle der Atomenergie, also auch über die internationale Überwachung der Verwendung aller auf der Atomenergie beruhenden Kriegswaffen, beweisen, daß man sich an den leitenden Stellen der führenden Mächte, bei denen ja doch die letzte Entscheidung liegt, über die Verantwortung, die sie damit vor der Menschheit übernehmen, im klaren ist. Es handelt sich für sie wie für alle anderen der Organisation der Vereinten Nationen angehörenden Staaten nicht nur darum, den eigenen Frieden zu sichern, sondern den Frieden aller. Gelingt diese sicherlich nicht leichte Aufgabe, die dieses zweite Mal, aber unter viel günstigeren Aspekten, in Angriff genommen wird, so werden die Staatsmänner der Alliierten für ihre Länder den Ruhm in Anspruch nehmen können, nicht nur aus dem letzten aller Kriege, sondern auch aus dem ersten erfolgreichen Kampf um den Weltfrieden als Sieger hervorgegangen zu sein.

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