Obdachlosigkeit

Fünf Sprachen, zwei Studien, keine Wohnung

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Nur mit einem Rucksack bepackt und 50 Euro in der Tasche zieht es den Kunsthistoriker Erik in seine Traumstadt Wien. Der Empfang ist frostig. Sein Obdach wird die Straße.

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Nur mit einem Rucksack bepackt und 50 Euro in der Tasche zieht es den Kunsthistoriker Erik in seine Traumstadt Wien. Der Empfang ist frostig. Sein Obdach wird die Straße.

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Neustart. Ein Begriff, der dieser Tage vor allem mit guten Vorsätzen assoziiert wird. Neustart geht aber auch anders. Maßgeblicher. Bei Erik zum Beispiel. Er wagte ihn – und lebt seither auf der Straße. Wie es dazu kam? „Ich brauchte einen Szenenwechsel. Da habe ich einfach meine Koffer gepackt ...“

Seine Geschichte erzählt Erik – grüner Schal, Jeans, schwarze Jacke, lässig nach hinten über den Stuhl gelehnt –, als sei das Erlebte banal, alltäglich. Es war im Herbst letzten Jahres, als der in Deutschland aufgewachsene, gebürtige Kroate seinen Rucksack gepackt hatte und nur mit 50 Euro in der Tasche beschloss, Berlin zu verlassen, um nach Wien zu gehen. Warum ausgerechnet Wien? Es sei die Geschichte der Habsburger, die ihn fasziniere und die es neben dem Stadtbild in den zahlreichen Museen zu erkunden gebe. Und dann ist da noch die Ähnlichkeit zu Zagreb, Eriks Heimatstadt, die für einen Neustart in Wien gesprochen hatte. Die Architektur etwa. Oder Wörter wie „Palatschinken” oder „Fiaker”, die es auch im Kroatischen gibt.

Die ersten Nächte im Stadtpark

Der Liebe wegen zog es ihn einst in die deutsche Hauptstadt. Als die Ehe nach zwölf Jahren in die Brüche ging, hielt ihn dort nichts mehr. Er spricht von einer „riesigen Enttäuschung“. Mehr will er darüber nicht sagen. Nur so viel, dass es für ihn einen „Szenenwechsel“ gebraucht hat. Doch dieser begann – trotz Eriks Begeisterung für die Wiener Geschichte und die österreichische Kultur – ziemlich unsanft. Mit drei Nächten im Stadtpark, um genau zu sein. Heute gesteht er sich ein, dass es nicht die beste Idee gewesen sei, sich Ende Oktober in eine neue, unbekannte Stadt aufzumachen, ohne Bleibe, ohne Job und ohne persönliche Kontakte. „Aber ich bereue nichts“, sagt Erik überzeugt. Geschlafen habe er in diesen ersten drei Nächten im Park kaum. Das lag weniger an der Kälte, als an der ständigen Angst, es könnte ihm im Schlaf etwas zustoßen. Aber da ist eben auch Eriks Zuversicht, die kaum Grenzen kennt und sich immer wieder Bahn bricht im Gespräch: „Immerhin, haben 200 Meter weiter weg ein paar Rumänen geschlafen.“ So allein habe er sich dann doch nicht gefühlt.

40 Jahre ist er alt. Zu alt, um die eigene Mutter noch um Geld zu fragen, wie er findet. Daher erzählt er ihr, er lebe in einem Hostel. Sie solle sich keine Sorgen machen. Erik sitzt gerade in der Wärmestube in der Apollogasse, einer Sozialeinrichtung von „Obdach Wien” im 7. Wiener Gemeindebezirk. Hier verbringt er die meisten seinerNachmittage. Meist mit Lesen, denn unterhalten kann er sich mit den anderen Obdach- und Wohnungslosen hier kaum. Erik spricht fünf Sprachen, neben Kroatisch und Deutsch auch noch Englisch, Französisch und Italienisch. Aber eben kein Serbisch, kein Rumänisch, auch kein Polnisch. Fragt man ihn nach seiner Situation, spricht er ein paar Sätze über die engagierten Sozialarbeiterinnen und -arbeiter, wie „dankbar“ er hier doch allen sein müsse – und schwenkt dann schleunigst zur Architektur Wiens, zu den Museen, zu den Ausstellungen, die er bereits besuchte. Dafür hat er sich einen Kulturpass zugelegt, mit dem er an ausgewählten Tagen gratis ins Museum darf.

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