"Klare Steigerung des Glücks"

Werbung
Werbung
Werbung

Stefan Szymanski, renommierter Sportökonom (Cass Business School London), über die EM als Glücks- und Wirtschaftsfaktor.

Die Furche: Laut Experten soll die Europameisterschaft in Österreich 6000 neue Jobs schaffen und der Wirtschaft 135 Millionen Euro an Mehreinnahmen bescheren.

Stefan Szymanski: Es ist quasi unmöglich, zuverlässige Prognosen über wirtschaftliche Effekte abzugeben. Und ich denke, es ist unwahrscheinlich, dass die Euro einen signifikanten ökonomischen Impact haben wird.

Die Furche: Wie das? Es wurde doch Geld in schöne Städte und moderne Stadien investiert. Bald kommen Massen von EM-Touristen …

Szymanski: Das schon. Aber was hätte ein Architekt getan, wenn er kein neues Stadium gebaut hätte? Er wäre wohl einem anderen Projekt nachgegangen. Und wenn man jetzt Leute braucht, die im Stadium Bier ausschenken, dann macht das eben jemand, der vorher in irgendeinem Gasthaus in den Bergen gekellnert hat. Die meisten Leute sitzen ja nicht einfach so herum und warten auf solche Events, um Arbeit zu haben.

Die Furche: Das klingt plausibel. Gibt es auch Studien, die das belegen?

Szymanski: Die besten Arbeiten stammen aus den USA. Das Ergebnis ist jeweils: Es gibt für die Städte keine signifikanten ökonomischen Zuwächse - weder bei den Gehältern, noch bei den Jobs, noch bei den Steuereinnahmen.

Die Furche: Aber die Tourismusbranche wird wohl davon profitieren?

Szymanski: Österreich ist generell ein beliebtes Reisesziel. Viele kulturell interessierte Leute, die nach Salzburg oder Wien reisen wollten, haben wohl einen ziemlichen Horror vor der EM und sagen jetzt: das ist der letzte Ort, wo ich hin will. Die Olympischen Sommerspiele 2004 etwa waren für Athen ein wirtschaftliche Katastrophe. Die klassischen Touristen blieben weg - auch wegen der Terrordrohungen. Solch negative Effekte sind zwar nicht wahrscheinlich, aber es ist nicht so, dass es sie nicht geben könnte.

Die Furche: Die Fußball-WM 2006 in Deutschland scheint doch ein voller Erfolg gewesen zu sein?

Szymanski: Ein gewaltiger Erfolg. Aber nicht der monetären Gewinne wegen - die waren nicht allzu groß -, es war vor allem der Feel-Good-Faktor: Die Deutschen haben aus der WM eine großartige Show gemacht.

Die Furche: Lässt sich der Feel-Good-Faktor irgendwie dingfest machen?

Szymanski: Das hat uns auch interessiert. So haben wir EU-Statistiken der letzten 30 Jahre hergenommen und sie mit Daten der Olympischen Spiele, Fußball-EM und WM-Veranstaltungen verglichen. Überraschenderweise gab es nur einen sehr schwachen Zusammenhang zwischen sportlichem Erfolg und nationalem Glücksgefühl.

Die Furche: Das sind keine so schlechten Nachrichten für Österreich.

Szymanski: Das empfundene Glück hängt stets von den Erwartungen ab. Wenn Sie pessimistisch sind, was Österreichs Chancen betrifft, dann ist es leichter, positiv überrascht zu werden. Daneben haben wir stets eine klare Steigerung des Glücks bei der gastgebenden Nation gefunden.

Die Furche: Gut für uns! Ihr Heimatland England ist hingegen - wider allen Erwartens - nicht dabei. Sind Sie sehr unglücklich darüber?

Szymanski: Die Engländer wären glücklicher, wenn sie Gastgeber wären, denn dann wären wir auch automatisch qualifiziert gewesen. Ohne einen wissenschaftlichen Beleg zu haben, würde ich sagen, dass wir schon ein wenig traurig sind. Vielleicht konzentrieren wir uns diesen Sommer einfach auf etwas anderes - zum Beispiel Cricket.

Das Interview führte Thomas Mündle.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung