Gefallene

Zwei Jahre Krieg in der Ukraine: Gerhard Mangott über die "Bauern" im geostrategischen Spiel

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Es sei falsch, zu glauben, die Ukraine würde selbst ihre Kriegsziele bestimmen. Vielmehr sei es der Westen, der die Fäden in Händen halte. Österreichs führender Russland-Erklärer und -Einordner, Gerhard Mangott, zieht Bilanz.

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Es sei falsch, zu glauben, die Ukraine würde selbst ihre Kriegsziele bestimmen. Vielmehr sei es der Westen, der die Fäden in Händen halte. Österreichs führender Russland-Erklärer und -Einordner, Gerhard Mangott, zieht Bilanz.

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Der Krieg in der Ukraine ist vor vier Monaten in einen Stellungs- und Abnützungskrieg übergegangen. Die Hoffnung der Ukraine und ihrer westlichen Unterstützer auf die Rückeroberung besetzten Gebietes hat sich nicht erfüllt. Eine Änderung der Frontlinie hat die ukrainische Armee nicht erreicht. Umgekehrt haben russische Truppen erfolgreiche Vorstöße unternommen und zusätzliches Gebiet erobert. Daher gilt seit November 2023 die Strategie der „aktiven Verteidigung“: Die ukrainische Armee baut Verteidigungsanlagen aus, um die Frontlinie zu halten; an eine neue Offensive ist nicht zu denken.

Ob die Ukraine dieses Ziel erreichen kann, ist offen. Der Armee fehlt es an Munition und Personal, um russische Offensiven dauerhaft abhalten zu können. Die Waffen- und Munitionslieferungen des Westens sind zu gering. Vor allem bei den Artilleriegeschossen ist die Ukraine der russischen Armee deutlich unterlegen. Dieser Mangel an Ausrüstung ist auch das Ergebnis zögerlicher westlicher Hilfe. Die EU hat zwar neue Verpflichtungen zur Militär- und Finanzhilfe übernommen. Aber in den USA wird der Antrag Joe Bidens vom Oktober 2023, der Ukraine neue Hilfe im Umfang von 61,4 Milliarden US-Dollar zu gewähren, im Kongress blockiert. Eine Mehrheit der US-Bürger denkt mittlerweile, dass die USA der Ukraine schon genug geholfen hätten; das gilt noch mehr für die republikanische Wählerbasis.

Bleibt die Hilfe der USA aus, kann die EU das nicht kompensieren. Es fehlt in Europa eine starke Rüstungsindustrie, die den Bedarf der Ukraine decken könnte. In einigen Ländern auch der politische Wille.

Die Furcht vor der Eskalation

Aussichten auf eine Verhandlungslösung gibt es nicht; nicht einmal Gespräche über eine Waffenruhe. Beide Kriegsparteien setzen noch immer auf den militärischen Erfolg auf dem Schlachtfeld; beide glauben noch, den Krieg gewinnen zu können. Zwar betonen beide Seiten, zu Verhandlungen bereit zu sein. Aber beide Kriegsparteien stellen dafür Bedingungen, die für die jeweils andere Seite unannehmbar sind. Die Ukraine will mit Russland erst verhandeln, wenn alle russischen Truppen die Ukraine verlassen haben – auch die Krim. Das wäre aber gleichbedeutend mit einer desaströsen Kriegsniederlage Russlands – worüber sollte dann noch verhandelt werden? Überdies hat die ukrainische Führung Gespräche mit Wladimir Putin ausgeschlossen. „Wir werden mit dem nächsten Führer Russlands“ sprechen, so Wolodymyr Selenskyj. Das kann aber lange dauern.

Russland wiederum fordert für Verhandlungen, dass die Ukraine die Zugehörigkeit von vier – russisch besetzten – ost- und südukrainischen Regionen zu Russland anerkennt. Selenskyj hat aber territoriale Zugeständnisse ausgeschlossen; auch die deutliche Mehrheit der Ukrainer ist gegen „Land für Frieden“.

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