Die Kathedrale aus der Wüste

Werbung
Werbung
Werbung

Christliche Fresken aus Nubien im Kunsthistorischen Museum.

Das Urvertrauen in die Allmacht Gottes prägte die frühen Christen Nubiens, Zeugnisse davon überdauerten die Jahrhunderte. "Faras - Kathedrale aus dem Wüstensand" lässt nun im Kunsthistorischen Museum die stille, spirituelle Atmosphäre der damaligen Basilika erahnen. 24 Meter misst der Ausstellungssaal, genauso lang war die dreischiffige Kirche im Bistum Faras. Die offizielle Christianisierung des nordnubischen Königreiches Nobatia erfolgte 543. Damals entstand eine Kirche aus Trockenziegeln, der älteste christliche Sakralbau. An ihrer Stelle erbaute man zur Bistumsgründung die erste Domkirche. Der Gesang koptischer Mönche, etwa 35 originale Fresken und eine Ausstellungsarchitektur, die Vorhalle, Apsis und Seitenkapellen andeutet, machen die vergangene christliche Kultur wieder lebendig.

Jahrhundertelang lagen die letzten steinernen Zeugen der mächtigen Basilika unter dem Wüstensand des heutigen Sudan begraben. Als der Bau des Assuan-Staudamms zwischen dem ersten und zweiten Katarakt am Nilufer viele antike Bauwerke für immer unter seinen Fluten zu begraben drohte, rückten Archäologen aus aller Welt unter der Schirmherrschaft der UNESCO aus, um zu retten, was zu retten war. Das polnische Grabungsteam von Prof. Kazimierz Michalowski stieß bei dieser Notgrabung auf eine Sensation, die man das "Wunder von Faras" nannte. 1960-64 wurden über 120 in vielen Schichten aufeinander liegende Wandmalereien und drei Bauphasen einer Kathedrale gefunden. Ein Teil des damals ausgegrabenen Weltkulturerbes befindet sich heute im Museum in Khartoum. 67 der farbenprächtigen, in Secco-Technik gemalten Darstellungen, mehrere Reliefs, Steinfriese, Stelen und Grabbeigaben nahmen die Archäologen in das Warschauer Nationalmuseum mit. Im Rahmen des Polnischen Jahres in Österreichsind jetzt 70 dieser wertvollen Exponate im Kunsthistorischen Museum zu sehen.

Zauber einer Heiligen

Unendlich sanft blicken die Augen der Hl. Anna, den schmalen Zeigefinger hat sie auf die Lippen gelegt: so fordert sie zum stillen Gebet und schützt das Herz des Gläubigen vor bösen Gedanken. Der Ausdruck dieses reinen Frauengesichts berührt noch heute, weder Sandsturm noch Alter konnten der Heiligendarstellung ihren Zauber nehmen. Sie zählt zu den ältesten Meisterwerken früher christlicher Malerei in Faras.

Drei Bauphasen der Kathedrale kann man unterscheiden. Als erster ließ Bischof Aetios eine dreischiffige, emporelose Basilika mit Narthex und Apsis errichten. Aus dieser Zeit ist ein Wandgemälde mit Kelch und den eucharistischen Broten erhalten.

Zur zweiten Bauphase gibt es aus dem Jahr 707 zwei Stiftungsinschriften, eine griechische und eine koptische: "Im Jahre 11 der Herrschaft des von Gott gekrönten und Christus in Liebe verbundenen König Merkurios erneuerte unser gottesfürchtiger Vater Abba Paulos diese heilige Stätte der katholischen und apostolischen Kirche Gottes. Allmächtiger Gott, der du in Weisheit den Himmel erschaffen und die Erde in der Weise gefestigt hast, dass sie unerschütterlich ist, Schöpfer und Erschaffer aller Dinge, blicke auf den oben genannten Abba Paulos, der auf die Kraft Deiner Macht vertraute und dieses Bauwerk zu errichten wünschte, stärke dessen Fundament auf hartem Felsengrund, den - Deinen unsterblichen Worten gemäß - weder Stürme noch Wassermassen noch sonst etwas anderes gefährden können. Gestatte, dass dieses Werk zur Vollendung gebracht wird und er selbst, der dank der Gnade und Barmherzigkeit unseres Herrn Jesus Christus das späte Alter erreicht hat, die Früchte der eigenen Mühen genießen kann."

Kreuz als Lebensbaum

24,5 mal 24 Meter maß die erweiterte Kirche, eine eigenständige Erfindung koptischer Architekten. Sie verbindet den Typ der dreischiffigen Basilika durch den Anbau von Seitenkapellen mit einem zentralen Kreuzgrundriss. Das Hauptschiff wurde angehoben, die Seitenschiffe bekamen Emporen, die Frauen einen Eingang in der Mitte der Nordfassade. In der südöstlichen Ecke der Kirche ließ man ein für Nubien typisches Taufbecken in den Fußboden ein. Im Baptisterium wurde eine Liste mit den Namen der Bischöfe von Pachoras gefunden, bei der die Dauer ihrer Amtszeit vermerkt war. Das ermöglichte eine genaue Datierung der Funde.

Die Wände waren fast zur Gänze mit Malereien bedeckt. Die Westwand in der Nordvorhalle zierte das Kreuz mit dem Bild Christi und den vier Evangelisten aus dem 11. Jahrhundert. Von einem geschmückten Kreis umgeben, die Hand auf der Bibel, bildet Christus mit Heiligenschein den Mittelpunkt eines prächtigen Kreuzes. Nicht der Leidende steht hier im Mittelpunkt, sondern der ewig Lebende. Das Kreuz steht auf Treppen wie ein Thron, ein Lebensbaum, ein Siegeszeichen, das von den vier Evangelisten verstärkt wird. Zuversicht und Ruhe strahlen diese alten Bilder aus, Muttergottes, Erzengel, Heilige, Würdenträger und Bischöfe blickten milde auf die Gläubigen herab. Auch Szenen aus dem Alten und Neuen Testament werden dargestellt.

Den letzten größeren Umbau der Kathedrale beauftragte Bischof Petros I., Metropolit von Faras. Im 13. und 14. Jahrhundert begann der Niedergang, auf den Ruinen der christlichen Stadt entstand eine arabische Zitadelle, dann ein kleines Dorf namens Faras-in-Diffi. "Heiliger Petrus Apostel Märtyrer des Kreuzes. Abba Petros Bischof Metropolit von Pachoras. Er möge leben viele Jahre", stand auf einem Wandgemälde der Jahre 974-997. Im Ornat, mit großem Evangeliar ist der dunkelhäutige Bischof Petros II. darauf zu sehen, wie ein liebevoller Vater legt sein biblischer Vorgänger und Namenspatron ihm schützend die Hand auf die Schulter. Auf wunderbare Weise hat sich die Bitte der koptischen Stiftungsinschrift des Jahres 707 erfüllt: die Seele der Kathedrale, ihre Secco-Malereien, haben Wüstensturm und die Fluten des Assuanstaudammes überdauert.

Bis 15. September

täglich außer Montag 10 - 18 Uhr

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung