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Keine Gebende sondern Beschenkte

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Als der Frühling 1945 im Donautale einkehrte, donnerten die Geschütze von Westen, von Osten; saßen die Usurpatoren im Lande ob der Enns und schössen nach allen Seiten; aber — in der Mitte, da schlug das Herz Oberösterreichs. Und wenn wir uns heute oft wundern über das Erreichte, und von einem „Wunder Oberösterreich“ dann reden, wenn vom Dienst an Kunst, Wissenschaft und Bildung die Sprache ist, dann ist viel davon aus dem Geiste der Beharrlichkeit, der Liebe zum Werke und dem Bewußtsein erwachsen, an eine bedeutende Ueberlieferung anzuknüpfen. „Wir wissen genau“, sagte der Landeshauptmann zum Geleite der Ausstellung im Oberösterreichischen Kunstverein, „daß nicht wir die Gebenden, sondern die von der Kunst Beschenkten sind. Wir wissen“, setzte Dr. Gleißner fort, „um die unbedingte Notwendigkeit der Kunst für unser staatliches, gesellschaftliches und persönliches Leben.*

Eines der wichtigsten Gebiete, wo Ueberlieferung und Neues zusammenwirken, ist die Denkmalpflege. Oberösterreich steht hier an der Spitze der Bundesländer. Von den Vorhaben, die entweder schon beendet oder noch im Gange sind, wäre vorweg die Gesamterneuerung der Kirche von Suben (Innviertel) zu nennen. Der Ort, 104 als Burg der Vornbacher, zehn Jahre später als Klosterstiftung. 1126 als Augustiner-Chorherrenstift genannt, birgt in seiner Pfarrkirche, welche die Gemeinde von dem 1784 aufgelassenen Stift übernommen, eine bauliche Sehenswürdigkeit. Die Reste der ursprünglich romanischen Anlage sind ins Museum von Schärding gekommen. Die Gestaltung des Innenraumes von Josef Deutschmann aus Passau, die früher durch unsachgemäße Restaurierung beschädigten Fresken von Jakob Zeiller (1768) und die ausgezeichnete Rokokokanzel aus Deutschmanns Schule (1770) sind aller Mühe wert gewesen.

Ein Vorhaben wie dieses, oder die umfassende Restaurierung in Mondsee (mit den Arbeiten des Meinrad Guggenbichler und seiner Werkstatt) konnten von den betreffenden Gemeinden unmöglich bewältigt werden. Seit Jahren ist die Restaurierung des zum früheren Zisterzienserstift Baumgartenberg gehörigen berühmten Münsters im Gange. In Gleink, heute ein Teil von Steyr, ist im Spätherbst das Gerüst im Langhause von Sankt Andreas entfernt worden. Die bei Dehio-Ginhart 1941 (Handbuch der Kunstdenkmäler) noch als übertüncht bezeichneten Fresken (Schlüsselübergabe) in der Vorhalle, sind nunmehr aufgedeckt und verhältnismäßig gut erhalten. Von den Arbeiten in Gam-pern (bei Vöcklabruck) hat die „Furche“ (Jg. XI, Folge 2, Seiten 1 und 6) Bilder gebracht. In Gebertsham (Innviertel) mit seinem schönen gotischen Flügelaltar, einer Salzburger Arbeit, ist ebenso wirksame Arbeit geleistet worden wie in Waldburg (Mühlviertel), wo sich drei ausgezeichnete, spätgotische Flügelaltäre, spätgotische Chorstühle (aus dem ersten Viertel des 16. Jahrhunderts) befinden.

Ein zweites wichtiges Tätigkeitsfeld ist die Ortsbildpflege. Der Leitgedanke hiebei ist der geschlossener Aktionen. In Lambach ist so der Marktplatz fertiggestellt worden, der mit seinen barocken Hausfronten und Schildern einen erfreulichen Anblick bietet. Im Gange sind die Arbeiten in Freistadt und in Steyr (von hier siehe Bild in der „Furche“, Jg. X, Folge 50, Seite 3). Hier wird übrigens auch der ehemaligen Bürgerspitalskirche, welche Elisabeth, die Frau Erzherzog Albrechts, 1306 erbauen ließ, gedacht werden.

Die Kunstpflege hält sich vor Augen, daß es nicht ihre Sache ist, in den Streit der Meinungen über künstlerische Entwicklungen und Stile einzugreifen. Das ist keine Angelegenheit der Landesbehörden. Sie geben Aufträge bei Bauten des Landes. So haben Fritz Fröhlich für die Fresken am Landhausturm in Linz und Professor Steinbüchler beim Neubau der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen (Arbeit von zwei Jahren) gestaltend gewirkt. In der Kirche von Zell an der Pram (Innviertel) haben sich bei der Renovierung Möglichkeiten ergeben, junge Künstler bei den Gewölbefresken und den Stuckierungen das Ihre sagen zu lassen. Weit über die Grenzen des Landes hat die Ausstellung „Junge Künstler in Oberösterreich“ im Oberösterreichischen Landesmuseum in Linz Aufsehen erregt. 275 Werke waren zur Schau gestellt; das Land gab zwei Preise zu je 4000 S für Malerei und Plastik, zwei für Kunstgewerbe und Graphik zu je 1000 S. Die Stadt Linz und der Oberösterreichische Kunstverein haben weitere 14.000 S gestiftet. Das Land kauft übrigens stetig Bilder an.

Ein Kapitel für sich ist das Landestheater mit seinen Kammerspielen. Der Status ist hier der, daß hinsichtlich Programm und Engagements das Institut völlig freie Hand hat. Land und Stadt Linz leisten Subventionen, über die einem Kulturbeirat Rechnung gelegt wird. Allgemeiner Grundsatz ist der eines Kulturtheaters (keiner Unterhaltungsbühne für sich), das drei Sparten: Sprechbühne, Oper und Operette, zu betreuen hat. Bemerkenswert, daß die Abkehr von der Revue zur klassischen Operette nicht den befürchteten Besucherrückgang brachte, und daß die Avantgarde auch jjei der über das ganze Land gespannten Besucherschaft (Zubringerdienst bei Spital am Pyhrn, Vöcklamarkt und Innviertel) Verständnis findet.

Ein Sorgenkind ist wohl das Museum def Landes, um die Wende der achtziger Jahre erbaut, heute modernen Ausstellungsforderungen nicht entsprechend. Ein anderes Sorgenkind (freilich Angelegenheit des Bundes) ist die Studienbibliothek, ein moderner, 1932 bis 1934 errichteter Bau, der indes zu einem beträchtlichen Teil an das Finanzamt „untervermietet“ ist.

Die Landesregierung hat 1950 (auf den Tag genau hundert Jahre später, da Stifter Mitglied der oberösterreichischen Landesschulbehörde wurde) das „Adalbert-Stifter-Institut des Landes Oberösterreich“ auf Antrag des Landeshauptmannes errichtet. Das Institut, das mit den bedeutendsten- Forschungsstätten der Welt in Verbindung steht, gibt eine hochstehende Vierteljahrszeitschrift und eine Buch- (Schriften-) Reihe heraus. Es ist sehr zu hoffen, daß die Pläne hinsichtlich des Wohn- und Sterbehauses Stifters an der Unteren Donaulände (Ausgestaltung zu einem Museum) bald verwirklicht werden.

Ueberaus vielfältig sind die Arbeiten auf dem Sektor der Volksbildung, der Musik, der Büchereien. 1947 ist vom Lande das Volksbildungswerk gegründet worden, dem in den einzelnen Orten überparteiliche Wirkungsstätten unterstehen. Im gleichen Jahre ist in Linz die Volksbildungstagung abgehalten, das Schloß Tollet der bäuerlichen Fortbildung gewidmet worden. Ein Gesamtkatalog der wissenschaftlichen Bibliotheken ist im Entstehen. Die Gemeindebüchereien haben ihren Höchststand von 1944 weit überschritten. Der Zahl der Volksbüchereien nach steht Oberösterreich an der Spitze aller Bundesländer.

Der Besucher der Landeshauptstadt durchfährt, fünfzehn Minuten nachdem er sie verlassen, den Bahnhof Enns. Rechter Hand grüßt der Turm vom Sankt Laurenzius über das Gelände von Laureacum, wo im Vorjahre vom Landesmuseum und dem Oesterreichischen Archäologischen Institut die vierte Grabungsperiode abgeschlossen wurde. Die Landesregierung hat in ihrem Kulturprogramm eine Unterstützung dieser Forschungen auf zehn Jahre festgelegt.

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