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Ein Leben für Österreichs Volkstum

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Nach der eiben verklungenen Feier für Joseph Steinberger wurde in der Steiermark abermals ein Geburtstag begangen, an dem die Heimat mit dankbarem Gruß an ein Landeskind ihr eigenes Wesen gefeiert hat. Viktor von Geramb, der Schöpfer und Leiter des Steirischen Volkskundemuseums und seines Heimatwerkes, ist am 24. März 65 Jahre alt geworden, und alle Liebe, Verehrung und Anerkennung des Landes, die am 60. Geburtstag öffentlich zu bekennen versäumt oder verwehrt worden war, sind nunmehr an einem leuchtenden steirischen Feiertag herzlich und mit der gebührenden Ehrfurcht vor einem einmaligen Lebenswerk ausgesprochen worden.

Durch den Vater mit einer Ahnenreihe verbunden, die Jahrhunderte, zurück über Oberösterreich nach Bayern reicht, und von einer Mutter, die aus einem uralten Bauerngeschlecht in den Wölzer Tauern stammte, in Deutschlandsberg geboren, waren dem Gefeierten eine Kindheit und Jugend geschenkt, in deren Umwelt schon in glückhafter Mischung die bildenden Kräfte des späteren Lebens und Werkes beschlossen waren. In Deutschlandsberg hat die „Kinderfrau“ dem Knaben die ersten Märchen und Sagen erzählt, und die weite Koralm, zu deren Füßen das anmutige Städtchen liegt, bot mit ihren waldigen, die urtümliche Einschicht der Bergbauern hütenden Vorbergen und ihren son- nenbeglänzten oder von „Urzeitgewalten“ überstürmten Höhenzügen die glaubwürdige, lebendige Bühne dazu. Vom alten Judenburg aus, wo der Vater Bezirkshauptmann war und die in jungen Jahren entrissene Mutter unter einem Rosenhag begraben liegt, erschloß sich dem Studenten zum erstenmal zu bewußter Erkenntnis der Weg in die Einsamkeit und stolze Eigenart der Bauernhöfe an den Zirbitzhängen. Über den Gymnasialjahren in Graz und Villach und später über den Semestern an der Grazer Universität lag noch, nicht mehr von allen erkannt und geschätzt, von dem der Historie und Dichtung verschriebenen Studierenden aber warmherzig empfangen und erlebt, wie ein freundliches Abendrot noch der Nachglanz jener Romantik, die ein Teil und ein Recht jeder wahren Jugend ist.

Unter den akademischen Lehrern war es vor allem der Indogermanist Rudolph Merin- ger, zu dem sich Geramb hingezogen fühlte und von dem er die entscheidenden Anregungen und Wegweisungen für seine endgültige Berufswahl erhielt. In der Schule des Altmeisters der „Wörter und Sachen“ kam der 1906 promovierte junge Doktor über die Geräte- und Hausforshung zur Volkskunde, der er auch in den kurzen Jahren oblag, während welcher er an der gräflich Merani- s- en Privatbi-bliothek und am steiermärkischen Landesarchiv gearbeitet hat. 1909 trat er als Sekretär in das Landesmuseum Joanneum ein, das ihm anläßlich der Hundertjahrfeier 1911 den Auftrag gab, eine eigene volkskundliche Abteilung zu errichten. Nun folgten jene reichgesegneten Wanderjahre, in Jenen der Sammler die Hauptfcestände des nachmaligen Museums zusammentrug und die den Forscher und Menschen zu einem tiefinneren Verständnis des Volkes und vor allem des damals noch weithin in seiner Glaubenswelt, in seiner Arbeits- und Festkultur unberührten Bauerntums führte. Seither diente der Gefeierte unablässig dem zwiefachen Amte der wissenschaftlichen Arbeit uni der musealen Tätigkeit, zu der sich als drittes nach der Gründung von St. Martin die geliebte Pflicht der. Volksbildung, gesellte. Das Museum selbst wurde nach den Erfahrungen des Geheimrates Hager in München rm ehemaligen Kapuzinerkloster am Paulustor eingerichtet, mitten im Krieg, 1916, öffnete es als besinnlichen Trost der Heimat seine ersten Räume. 1934 wurde das Heimatwerk erbaut und, da die Räume des alten Hauses längst zu eng und zu klein geworden waren, erhielt das Museum unter der verständnisvollen Förderung des damaligen Landeshauptmannes Dr. Stepan in einem schönen und staatlichen Neubau Platz für eine Trachtengalerie, eine Gerätehalle.und den Heimatsaal, der seit 1945 eine Stätte heimatlicher Kulturarbeit getv orden ist. Eng mit der Museumspflege verbunden war die erste große wissenschaftliche Arbeit: „Die Rauchstube. Eine Raumstudie“, die, 1920 vollendet, vier Bände umfaßt, von denen in der Notzeit der zwanziger Jahre nur zwei Teile gedruckt werden konnten. Eine Pvauchstube, deren Wesen und kulturgeschichtliche Bedeutung das weitausgreifende Werk dargestellt hat, konnte Geramb als ehrwürdiges Denkmal des Wohnraumes der Vorfahren für das Museum retten. Aus dem zweiten großen wissenschaftlichen Werk, dem „Steirischen Trachtenbuch“, aber erwuchs als museale Frucht die Trachtengalerie, in welcher an 48 großen Figurinen die Entwicklung der Landestracht von der Hallstattzeit bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts dargestellt ist. Neben vielen verstreuten Aufsätzen und wissenschaftlichen Arbeiten hat das eben neuaufgelegte Buch „Sitte und Brauch in Österreich“ far die Pflege der Volksart wertvolle Dienste geleistet, während die „Kinder- und Hausmärchen aus Steiermark“, ungeachtet des gelehrten Anhanges, in ungezählte Familien gefunden haben.

Jeder Fremde, der das Steirische Volkskundemuseum besucht, verläßt es reich beschenkt mit dem Zauber einer bezwingenden Stimmunsgewalt. Es ist eben kein Depot, sondern eine Heimat lebenswarmer Kultur, in seiner Gesamtheit der Wurf eines Künstlers. Und es ist nicht zuletzt diese Gabe, Wort und Tat und die Wärme des Herzens in der Weise des Künstlers zu fassen, die dem Werk und der Persönlichkeit des Jubilars die eigenartige Prägung verleiht. Kein Zuffll ist es auch, daß im Umgang, mit ihm die Künstler und Dichter freundschaftlich aus der großen Gemeinde hervortreten. Noch der alte Peter Rosegger war dem jungen Volksforscher mit Verständnis und Liebe zugetan, und zum Kreis um Ludwig Thoma gingen, heute noch dauernde freundliche Beziehungen. Mit Hans Klopfer war Geramb während, einer jahrzehntelangen Freundschaft immer wieder auf Kundfahrt ins Bauernland und, wie er es gewesen, sind heute noch Paula Grogger, Max Mell und Franz Nabl im freundlichen Heim des Gelehrten gerne und gerne begrüßt zu Gast. Der einflußreichste Lehrer, zu dessen Füßen er zwar nie gesessen, dessen Lehre Geramb aber, wie er es selbst bekennt, ganz sich zu eigen gemacht und als verpflichtendes Erbe weitergibt, ist Wilhelm Heinrich Riehl gewesen. Von ihm, dem er eine umfangreiche, noch ungedruckte Biographie gewidmet hat, hat er das Wandern gelernt, den Weg in das Volk und in das Leben, von ihm hat er die Erkenntnis empfangen, daß alles Studium des Volkes nutz- und sinnlos ist, wenn es nicht zu einer Kunde des Lebens reift und in einem Dienst für das Leben wieder fruchtbar wird. In dieser Gesinnung hat Viktor von Geramb sein akademisches Lehramt ausgeübt — seit 1931 als erster auf das Fach allein verpflichteter ao. Professor —, in dieser Gesinnung auch hat er seine nachmals im den Büchern „Von Volkstum und Heimat“ zusammengefaßten Laienpredigten geschrieben. Dem Leben dient das 1934 begründete und seither allüberall nachgemachte Heimatwerk, von dem Volkskunst und Hausfleiß im weiten Land neue Antriebe erhielten und von dem die Mahnungen und Ratschläge für eine Zeitgemäße Trachtenpflege ausgegangen sind. Wenn heute unter der Führung des steirischen Landesbauamtes in den verheerten Landstrichen der Oststeiermark Hunderte von Bauernhöfen, Zwar nach den Anforderungen moderner Betriebswirtschaft eingerichtet, aber doch das wohlvertraute, der Landschaft und der Überlieferung taktvoll angemessene Antlitz der Heimat wahrend, wiederaufgebaut worden sind, so ist es jener Baugesinnung zu danken, die Professor Geramb seit Jahrzehnten im Lande begründet und heute als Vorsitzender des Vereins für Heimatschutz unerschrocken vertritt. Das schönste Sinnbild aber dieses dem Leben dienenden Werkes sind die Krippen- und Hirtenlieder, die seit über 30 Jahren in der dem Museum gehörigen Antoniuskirche gesungen werden. Mit Viktor Zack hat sie Viktor Geramb gesammelt und vom Museum aus sind diese kindlich reinen Zeugnisse der Volksfrömmigkeit und Weihnachtsfreude wieder zurückgeklungen ins Volk, da9 sie nunmehr treu und andächtig bewahren will.

Möge der Jubilar, wenn er an seinem Geburtstag innehält, auf ein Leben voll Ehren und Erfolgen, aber auch von Heimsuchungen und bitteren Enttäuschungen -urückblicken, seine Freunde, Verehrer und Schüler teilhaben lassen an seinem gerechten Tedeum laudamus. Ihnen allen und dem Lande möge Gott dieses Leben voll Gesundheit und Arbeitskraft noch lange Jahre erhalten. Die Akademie der Wissenschaften in Wien hat Viktor von Geramb zu ihrem Mitglied ernannt. Der Verein für Volkskunde in Wien, die Landesstelle für Volkskunde in München und der Historische Verein für Steiermark zählen ihn stolz zu ihrem Ehrenmitglied. Über allem aber steht die Liebe, die er im Kreis seiner Familie findet und die er in den Gräben und auf den. Bergen seiner steirischen Heimat erworben hat.

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