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Das Grapschen nach dem Bestseller

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Die Frankfurter Buchmesse hat stets ein offizielles Thema, und meistens hat sie auch ein inoffizielles Gesprächsthema. Das offizielle Thema hieß diesmal Portugal. Ein logisches Thema: Portugiesische Autoren von Fernando Pesoa über Jose Saramago bis Antonio Lobo An-tunes erfreuten sich in den letzten Jahren im deutschen Sprachraum zunehmender Beachtung. 1998 ist die Schweiz an der Beihe, also ähnlich wie vor zwei Jahren Österreich ein Land, dessen Verlage und Literatur sowieso Jahr für Jahr mitten drin im Geschehen stehen und das sich daher über kein Informationsmanko beklagen kann.

Inoffizielle Gesprächsthemen' gab es gleich zwei, die freilich einiges miteinander zu tun haben. Das eine waren die hohen Vorschüsse, die ein Teil der Verlage für die deutschen Rechte hauptsächlich amerikanischer Bestsellerautoren bezahlt. Im Zusammenhang damit wurde auch allenthalben der neue große Krampus der Verlage an die Wand gemalt, nämlich die von ihnen gar nicht geliebte Berufsgruppe, die diese Vorschüsse geschickt in die Höhe treibt, genannt literarischer Agent beziehungsweise Agentin. Das andere Thema war die Existenzfähigkeit der mittelgroßen Verlage.

Auch heuer hat es wieder einen erwischt: Econ kaufte den List Verlag. Mitten in die Buchmesse platzte auch der Aufkauf eines renommierten holländischen literarischen Verlages durch einen der dortigen Branchengroßen. Immer mehr Mittelgroße kommen in die Klemme, während sich die ganz Großen und die ganz Kleinen zu helfen wissen. Beispielhaft für die Leistung literarischer Kleinstverlage steht etwa die österreichische Edition Splitter, deren Verlegerin

Batja Horn in ihrem Einfrau-Winzigbüro ein kleines, aber feines, überaus anspruchsvolles Programm produziert. Genauso hat einst der Hamburger Bürgersohn Bowohlt angefangen. Die Probleme vieler mittelständischer Verlage resultieren allerdings nicht nur aus den Kosten, die unaufhaltsam steigen, wenn die Selbstausbeutung des Unternehmers nicht mehr genügt, um den Verlag über Wasser zu halten. Sehr oft verschärfen Generationenkonflikte die Probleme. So war es beispielsweise beim Piper Verlag, dessen Senior dritter Generation seinem Junior vor vier Jahren das Unternehmen vor der Nase an den schwedischen Biesen Bonnier wegverkaufte, und auch der Konflikt zwischen Verleger Unseld und seinem Sohn im Hause Suhr-kamp ist nicht von schlechten Eltern, und zwar im wahrsten Sinn des Wortes. Bei Rowohlt endete der Streit der Generationen mit Juniors Abgang, der junge Piper kaufte sich kürzlich bei einem kleinen Schweizer Verlag ein. Hoffentlich kann er dort wieder bei seinem 1993 gekippten anspruchsvollen literarischen Programm anknüpfen.

Insider meinen allerdings, daß sich Piper auch ohne Generationsprobleme früher oder später einem Großunternehmen hätte ausliefern müssen. Programme mit literarischem Anspruch, heißt es allenthalben, lassen sich nur mit einer Bestsellerlokomotive durchziehen, sofern der Verlag keine andere Lok hat. Beim renommierten Familienunternehmen C.H.Beck, das sich nicht schlucken läßt und keine Verlage schluckt, spielt juristische Fachliteratur die Lok. Auch der hochliterarische Verlag Hanser verdankt Fachliteratur den finanziellen Polster. AVo weder das eine noch das andere vorhanden ist, melden die Alarmklingeln Gefahr - wenn auch zunächst oft sehr leise.

Das große Grapschen nach dem Bestseller ist also nur zu begreiflich. Die hohen A'orschüsse machen immer mehr Deals zum russischen Boulette. Nicht jeder hat die unglaublichen unternehmerischen Fähigkeiten des A'erlegers der Amalthea-Langen-Müller-A'erlagsgruppe Fleißner. Dank den vielen Cash Cows in seinem Stall, darunter nicht zuletzt Ephraim

Kishon, hatte er bei der großen Verlagsparty mit Geburtstagsfeier für letzteren über die US-Bestseller-Grapscher gut lachen, was er auch einigermaßen von oben herab tat. Schließlich ist auch nicht jede Cash Cow ihrem Bauern so treu ergeben wie Kishon, dessen Standfestigkeit gegenüber Abwerbeversuchen mit nicht zu verrechnendem Handgeld in Millionen-DM-Höhe der A'erleger rühmte, worauf der Groß-Satiriker in den Saal rief: „Ich bin ein Idiot!”

Auch einer von Fleißners Aerlagen, Franckh-Kosmos, feierte Geburtstag. Er wurde 175 Jahre alt und taucht mit einer innovativen Alpen-CD-ROM, mit der man kreuz und quer über die Gebirgstäler schwebt, tief in den Jungbrunnen der neuen Medien.

So bleibt also nur noch die Frage offen, ob die amerikanische Verlegerin und Autorin Anna Porter die Aktualität gerochen oder aber das Gesprächsthema vorgegeben hat, als sie den satirischen Boman „Mord auf der Buchmesse” schrieb, in dem der durch rücksichtsloses Abwerben bekannte Amerikaner Myles während der Buchmesse in einem Sessel des In -tercontinental Hotels um die Ecke gebracht wird. Der fiktive Myles ähnelt dem realen Buchmarkt-Schakal Wy-lie. Einen Boman „Mord auf der Buchmesse” gab es schon vor Jahrzehnten. Aber damals war das Opfer noch kein literarischer Agent.

Übrigens saß ich beim Nachtmahl des Econ Berlages neben einer sehr sympathischen Dame, die sich als die Agentin des Bestseller-Autors Leon de AVinter entpuppte und mir mit Kompetenz und Glaubwürdigkeit versicherte, was sowieso jeder weiß, nämlich, daß die vielgescholtenen Agenten, die ja bekanntlich für 15 Prozent der Autorenhonorare arbeiten, vor allem die Stellung der Autoren gegenüber den Aerlagen verbessern. Aber auf die Autoren können die Verleger ja nicht gut bös sein...

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