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Monika Helfer und Michael Köhlmeier geben mit "Maramba" einen Roman ihrer vor eineinhalb Jahren verstorbenen Tochter Paula heraus.

Es ist für uns ein Glück, dass ihr Buch erscheint. Ich weiß, wie sie sich das gewünscht hat", sagte Michael Köhlmeier vor einiger Zeit in einem Interview. Das Entsetzen über den tragischen Tod seiner Tochter Paula, die am 22. August 2003 im Alter von 21 Jahren bei einem harmlosen Bergspaziergang tödlich verunglückte, ist nicht abzutrennen von dem Buch, das die Eltern Michael Köhlmeier und Monika Helfer nun gleichsam als Vermächtnis herausgeben. Die Trauer gehört denen, die den Schmerz erlitten haben, und auch die Form der Bewältigung ist nicht zu kommentieren.

Kritik möglich?

Eine legitime erste Reaktion auf das Erscheinen des Buches wäre die Überzeugung, dass sich eine kritische Lektüre des Buches, ja, dass sich ein Sprechen über dieses Buch verbieten sollte - heute, noch nicht eineinhalb Jahre nach dem Unglück. Und ein wenig glaube ich das immer noch, aber das Anliegen der Eltern, das Buch der Tochter möglichst rasch publiziert zu sehen, ist zu respektieren; dass ihnen daraus Trost erwächst, ist ihnen zu wünschen. Ein Ignorieren des Buches - und möge die Motivation auch Diskretion sein - hieße wohl auch, sich der Tragik verweigern, die den Publikationsanlass dieses Buches bildet. Und der bleibt im Lesen, darüber Nachdenken und darüber Schreiben jeden Augenblick präsent. Die Frage nach Zahl und Größe der möglichen Eingriffe in das Manuskript soll an eine spätere Rezeptionsphase verwiesen bleiben.

Zauberwort

Auf dem letzten gemeinsamen Spaziergang zwei Tage vor dem Unfall, so Monika Helfer und Michael Köhlmeier in ihrem knappen Nachwort, erzählte Paula Köhlmeier, dass sie einen Band mit Geschichten zusammengestellt habe, der auch Episoden aus dem Roman enthalte, an dem sie seit zwei Jahren schrieb und dessen Heldin Rutha heißt. Über den Titel war sie sich noch nicht klar. "Sie tendierte zu Mein Talent zum Glück'. Wir haben uns für Maramba' entschieden", heißt es im Nachwort, und das ist auch eine kommentarlose Zusammenfassung der Tragödie. Maramba ist ein Zauberwort, es kommt in den Episoden wiederholt vor. Eine Erzählung trägt es als Titel und hier ist Maramba eine Chiffre für das Unbegreifliche und Unaussprechliche, das die Liebe ausmacht, das dazu führt, dass Menschen beginnen, sich zu lieben und eines Tages wieder damit aufhören.

Wie Parabeln

Die Geschichten des Bandes ordnen sich mehreren Erzählkreisen zu, deren Figurenpersonal immer wieder auftaucht. Handlungsorte sind Wien, Vorarlberg und Mexiko, wo sich Paula Köhlmeier 2001 längere Zeit aufhielt. Viele der Episoden sind fast parabelhaft angelegt - "Ein Freund hat den besten Freund betrogen" - und zeigen einen unsentimentalen Blick auf Alltagssituationen und Schicksale. Mitunter setzen die Miniaturen bei ganz banalen Momenten an, die wie schwebend im Raum stehen bleiben.

Die Sprache ist knapp, wirkt mit der Dominanz der Verben oft lakonisch. So als sollte mit einem ökonomischen Spracheinsatz Leerräume geschaffen und Bruchstellen freigelegt werden, aus denen die Texte von unten, von den Abgründen her, beleuchtet werden.

Altes Fleisch

Oft genügt ein Satz, um eine Stimmung, eine Konstellation anzudeuten. "Beide sind schwere Menschen, die sich beim Essen nahe sind und durch den Mund atmen", heißt es über ein alterndes Ehepaar.

Es ist dieser eine Satz, der begründet, dass die beiden trotz vorübergehender Trennung wieder zusammenleben werden. So bleibt die alternde Mutter doch mit ihrem Hund allein zurück, unermüdlich abgelaufene Lebensmittel hortend. "Altes Fleisch" ist der Titel der Episode, die alte Frau hat es seit 1986 eingefroren und ihr Hund wird morgen daran sterben.

Die Bandbreite der Figuren und Milieus ist angesichts des Alters der Autorin fast unvorstellbar. Mit gleicher Eindringlichkeit entwirft sie das Bild von zwei Sandlern, die einen Engel phantasieren, erzählt die Liebesgeschichte zwischen dem kleinen Fahrdienstleiter Bruno und der Hure Lili, die auf einen gemeinsamen Aufbruch in die Welt hinsparen, aus dem dann doch nichts wird, oder berichtet, warum Renata Theobaldi eine "komische Person" geworden ist - schließlich werden Geschichten nur weitererzählt, wenn sie komisch sind. "Die Umstände machten kein Paar aus ihnen", heißt es an einer Stelle, und viele der Geschichten erzählen genau von diesen Umständen, die Paare zusammenwürfeln, umtreiben und wieder trennen.

Macht und Abhängigkeit

"Das Postkartenmeer" schildert die Begegnung zweier junger Frauen in einem Wiener Szenelokal. Scheinbar absichtslos plaudern die beiden miteinander, erzählen sich Geschichten, doch im Subtext wird klar, es geht dabei auch um Macht, so wie es im Verhältnis der Menschen zueinander immer um Macht geht. Zum Beispiel in der Geschichte von der psychischen Abhängigkeit zweier junger Frauen, die mit demselben alternden und durch und durch unsympathischen Mann ein Verhältnis haben.

Eine der beiden Frauen ist jene Rutha aus Paula Köhlmeiers Romanprojekt. Die letzte und längste Episode des Buches kehrt zu diesem Themenkreis zurück und gipfelt in Mord.

"Es ist schwer zu verstehen, dass das Kind irgendwann abfällt wie ein Mantel, der zu klein geworden ist", lautet einer der wenigen Sätze, die als Wiederholung stehen geblieben sind. Über den Rutha-Fragmenten könnte er als Motto stehen.

Maramba

Von Paula Köhlmeier

Mit einem Nachwort von Monika Helfer und Michael Köhlmeier

Zsolnay Verlag, Wien 2004

251 Seiten, geb., e 18,40

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