Atwood - © Foto: Getty Images / Jeff Spicer

Margaret Atwood: Füchse, Hummer und Comics

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Endlich wird Margaret Atwoods Lyrik auch dem deutschsprachigen Publikum in größerem Umfang zugänglich gemacht.

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Endlich wird Margaret Atwoods Lyrik auch dem deutschsprachigen Publikum in größerem Umfang zugänglich gemacht.

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Sie ist vielleicht die berühmteste lebende Schriftstellerin der Welt, man mag daher kaum glauben, dass bisher nur ein Bruchteil ihres lyrischen Werks ins Deutsche übersetzt wurde. Lyrik? Richtig gelesen, die kanadische Autorin Margaret Atwood schreibt Lyrik und zwar jede Menge davon. Von ihren rund 20 Gedichtbänden wurden bisher gerade mal vier ins Deutsche übertragen, jetzt erscheint dankenswerterweise ein Sammelband mit Gedichten aus zehn verschiedenen Bänden und zwar in der besten Variante für die Leser, nämlich in einer zweisprachigen Ausgabe.

Nichts ist schwieriger zu übersetzen als Lyrik. Deutsch und Englisch sind zwar näher verwandt als viele andere Sprachen, dennoch verliert das Deutsche durch seine oft kaum zu vermeidenden, umständlichen Konstruktionen mitunter an Poesie. Das zeigt sich zum Beispiel am wunderschönen titelgebenden Gedicht „Red Fox“ („Die Füchsin“): „The red fox crosses the ice / intent on none of my business. / It’s winter and slim pickings“ klingt in der Übersetzung von Jan Wagner so: „Die Rotfüchsin läuft übers Eis / fixiert auf etwas, das mit mir nichts zu tun hat. / Es ist Winter, und das Angebot mager.“ Die Frage ist, ob es bei der Übertragung gelingt, eine eigene Poesie zu generieren und nicht nur zu kopieren, ohne aber das Original zur Unkenntlichkeit zu verändern. Es geht um nichts weniger, als das Herz eines Gedichtes zu fassen. Daher ist es gut, dass hier nicht nur Übersetzer am Werk sind, sondern übersetzende Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die noch dazu so unterschiedlich sind wie unter anderen Alissa Walser, Ulrike Draesner, Monika Rinck oder Ann Cotton. Ausgewählt wurden Gedichte aus einem Zeitraum von knapp 20 Jahren, die ältesten sind von 1968, die jüngsten von 1984.

Allegorie der Benachteiligten

Wo man hinschaut, tauchen gerade Füchse auf in der Literatur, auch im Nature Writing erfreut sich das Tier größter Beliebtheit, jetzt ziert das Cover von Atwoods Gedichten ein Fuchs oder besser eine Füchsin. Das mag einem Trend folgen, lässt sich aber nach der Lektüre gut nachvollziehen. „Die Füchsin“ als Titel zu wählen, erscheint sehr passend, denn in diesem Gedicht verbinden sich viele Seiten von Atwoods literarischem Konzept über Jahrzehnte, sowohl in Lyrik als auch in der Prosa. Davor, Emotion zu wecken, hat sich Atwood nie gescheut, es ist Teil ihres engagierten Schreibens: „Um zu überleben, / würden wir alle zu Dieben / und Lumpen, dies verrät uns die Füchsin / mit dem Pelzmantel eines Edelhalunken / und jenem weißen Messer von Lächeln, / die ganz genau weiß, wo sie hingeht, / etwas zu stehlen, / was nicht ihr gehört – irgendein Huhn, eine letzte Chance, / ein anderes Leben.“ Die Füchsin als Allegorie der Benachteiligten, die aber, wie meist bei Atwood, nicht kampflos aufgeben.Atwood, das merkt man, liebt diese Füchsin und diese Magie überträgt sich beim Lesen. Wer sonst sollte also auf dem Cover prangen? Atwood schreibt über die Themen, die wir von ihr schon kennen, die Natur und ihre Gefährdung, menschliche Versehrungen in dystopisch anmutenden sozialen Strukturen, Armut und Kampfesgeist, Feministisches und schonungslose Offenlegungen von Gewalt an Frauen.

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