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Von der Korruption der Macht

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Wie die Macht schmeckt.

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Wie die Macht schmeckt.

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Wer sich von Mnackos Roman „Wie die Macht schmeckt“ eine Uterarische Gestaltung dessen erwartet, was Milovan Djilas auf politisch-theoretischer Ebene in seiner „Neuen Klasse“ versucht hat, wird enttäuscht sein. Von Ideologie ist nicht die Rede, auch nicht von politischen Zielen und ihrer Umsetzung in gesellschaftliche Wirklichkeit. Nicht um die Diskrepanz zwischen kommunistischer Utopie und den Realitäten eines politischen Systems geht es, sondern um den Niedergang des Einzelnen, der ins Räderwerk der Macht gerät sich darin verfängt und moralisch zugrunde geht.

Das Begräbnis des „großen Staatsmannes“ gibt den äußeren Rahmen (für das Bild ab, das der Autor von jenem Mann entwirft, der durch Jahre hindurch den „Geschmack der Macht“ zu kosten bekam, ehe er noch vor seinem physischen Tod politisch tot erklärt wurde. In Begegnungen vor dem Sarg, in aufgefangenen Bemerkungen aus der vorüberziehenden Menge, durch eingeblendete Erlebnisse in der Stadt, durch Reminiszenzen vor vergilbten Photos zeichnet der Pressereporter Frank den Weg seines Jugendfreundes und Kampfgefährten aus Kriegstagen nach — von den Anfängen als hemdärmeliger Partisanenführer über seinen Aufstieg in den politischen Wirren nach Kriegsende, wo er sich als von der Idee der Revolution, von Sauberkeit und Gerechtigkeit besessener Kämpfer Verdienste für den Aufbau des Landes erwirbt, bis zum ersten Mann im Staat, der skrupellos und leichtfertig seine ehemaligen Kampfgefährten als Figuren im Schachspiel der politischen Intrige einsetzt. Aus dem anfänglichen Motto des Partisanen „Mein Leben ist Revolution, und die Revolution ist mein Leben“ wird die Devise des „Großen Staatsmannes“: „Ich bin die Revolution, die Revolution bin ich“, aus dem Einsatz eines Mannes für eine Idee der Zynismus der Identifikation mit der Idee. Die Revolution frißt ihre Kinder nicht, sie mästet sie mit Wohlstand, Luxus, Sicherheit, sie korrumpiert sie durch die Macht, ihren Glanz und ihre Lockungen. Denn das erscheint dem überzeugten Kommunisten Mnacko die einzige Erklärung für den mora-Uschen Verfall derer, die mit humanitärem Pathos auszogen, die Welt zu verbessern: die Macht — „sie hat uns überrascht, unvorbereitet, wir wußten nicht mit ihr umzugehen und haben es noch immer nicht gelernt“.

Diese Grundidee von der korrumpierenden Wirkung der Macht, vom bitteren Nachgeschmack, die sie bei denen hinterläßt, die von ihr gekostet haben, präsentiert Mnacko, selbst vom JournaHsmus herkommend, im Gewand der Reportage, die sowohl auf stilistische Kunststücke als auch auf psychologischen Tiefgang weitgehend verzichtet und mit eher handfesten Mitteln arbeitet. Manches gerät nahe an den Rand der Kolportage — die Heldentaten des jugendlichen Partisanenhäuptlings, die Alkoholexzesse des Regierungschefs, das Scheitern seiner ersten Ehe, die Schilderung der

„Blonden“, die von der Empfangsdame im Vorzimmer des Mächtigen zu dessen zweiter Gattin aufrückt, die Verstoßung des Sohnes aus erster Ehe und ähnliches. Neben dieser vordergründigen Story entsteht jedoch ein plastisches Bild von der Art und Weise, wie das poUtische System in der Tschechoslowakei funktioniert, eine manchmal ätzende Satire auf Vorstellungswelt und Handlungsweise der Machthaber — wenn etwa geschildert wird, wie völlig harmlose Individuen auf ausgeklügelte Weise bespitzelt, wie unliebsame Professoren unter nichtigen Vorwänden kaltgestellt werden, wie die kleinen Charakter- und gesinnungslosen Karrieristen aUe Regimes überdauern und zu höchsten Ehren kommen; beklemmend die Schilderung der lange schwelenden und dann doch zum Ausbruch kommenden RivaUtät der beiden Mächtigsten, des Polizeichefs und des Regierungschefs, die einander bespitzeln, verdächtigen und aus dem Sattel zu heben suchen.

Wiederholt unterstreicht Mnaöko dabei, daß der Tod des „Großen Staatsmannes“ das Ende einer Ära bedeute, der Ära des Personenkults, des Stalinismus in seinen vielerlei Spielarten, daß somit aUe Kritik nur eine Kritik an den Auswüchsen solchen Personenkults darstelle. Die tschechoslowakischen Behörden schienen nicht ganz der gleichen Meinung: in der CSSR wurden bis jetzt nur auszugsweise Passagen in einer Prager Zeitschrift publiziert, die ursprünglich schon erteilte Genehmigung für die Veröffentlichung des ganzen Romans in der CSSR wurde jedoch wieder zurückgezogen. Offenbar tauchten Bedenken auf, daß sich die heftigen Attacken Mnackos doch nicht nur gegen personelle Versager, sondern gegen das Regime als solches richten könnten. Die wahre Tragweite mancher Kritik Mnaökos vermag vermutUch nur der richtig einzuschätzen, der die heutige politische Situation in der CSSR genau kennt, doch sind die Vorgänge um die Veröffentlichung der Schriften Mnackos ein hinreichendes Indiz für ihre poUtische Brisanz. So ist Mnaökos bittere Analyse von der Korruption der Macht zwar kein großartiges literarisches Kunstwerk, aber ein wichtiges Dokument zu den politischen Vorgängen in einem unserer Nachbarländer.

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