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ATVplus gönnt sich eine wahre Flut von Eigenproduktionen - und will damit zwar nicht das Niveau, aber den Marktanteil erhöhen.

Die neuen Sendeformate von Österreichs einzigem Privatsender atvplus machen deutlich, wohin die Reise für den vor zweieinhalb Jahren gestarteten Sender im kommenden Jahr gehen soll: "Uns geht es eindeutig um Unterhaltung und weniger um Information", sagt atvplus-Pressesprecherin Alexandra Damms. atvplus müsse - nicht zuletzt aus monetären Gründen - das weite Feld der Infokompetenz dem orf überlassen. "Obwohl wir eine sehr bemühte Nachrichtenredaktion haben."

Promis mit Tamagotchi ...

Im Vordergrund der neuen Programmoffensive stehen "österreichische Inhalte. Die Menschen wollen sehen, wie es im eigenen Land zugeht", so Damms. Die bereits erfolgreichen Formate "Bauer sucht Frau" und "Tausche Familie" werden fortgesetzt, hier erzielt man Quoten von bis zu 230.000 Zusehern pro Sendung.

Neu hinzu zum bunten Reigen anspruchsfreier tv-Unterhaltung gesellt sich ab Ende November eine neue Koch-Show, bei der die Moderatoren für eine Woche zu Familien ziehen, um deren Kochtechnik zu forcieren. In "2 Promis & 1 Baby" (ab Jänner) bekommen Prominente eine Art "Tamagotchi"-Babypuppe, um die sie sich kümmern müssen - füttern und wickeln inklusive - ein neuer skurriler Tiefpunkt der tv-Unterhaltung. Mit "Wer warst du - Zeitreisen in ein früheres Leben" trägt man dem Esoterik-Trend Rechnung und unternimmt Seelenreisen in die Vergangenheit von Menschen. "Du bist, was du isst" berät Menschen in Sachen Ernährung, und "Die 10" wird eine Rankingshow mit gehaltvollen Themen wie "Österreichs 10 größte Nervensägen" oder "Die 10 pikantesten Skandale". Daneben sollen Serien wie "24" oder die neue Telenovela "Sophie - Braut wider Willen" für Einschaltquoten sorgen.

"Wir schauen uns auf anderen Märkten um und versuchen, Programme für Österreich zu adaptieren", so Damms. "Wichtig ist, dass wir dabei als Privater sehr flexibel reagieren können." Wenn ein Format nicht greift, fliegt es kurzerhand aus dem Programm. Insgesamt erreicht man bei atvplus mit dieser Taktik derzeit rund vier Prozent Marktanteil im Monatsschnitt, die Bruttowerbeeinnahmen betrugen von Jänner bis August 2005 rund 18,2 Millionen Euro. "Eine Verdoppelung zum Vergleichszeitraum 2004", freut sich Alexandra Damms.

"Fernsehen betrachtet uns"

Die Zeichen stehen also auf Profitmaximierung. Gerade bei Medien ein nicht unproblematisches Ziel. "Man muss akzeptieren, dass Medien ökonomische Unternehmen sind, obwohl sie journalistische Inhalte transportieren", meint Thomas Bauer, Professor am Wiener Publizistikinstitut. "Die Maßstäbe für den Erfolg werden über die Einnahmen definiert." Für Bauer ist die aktuelle Entwicklung am tv-Markt ein Indiz dafür, dass sich "das Fernsehen von einem differenzierten Programm zu einem biederen Kommunikationsmedium entwickelt hat".

Ein weiterer drohender Niveauverfall durch zweifelhafte Unterhaltungssendungen sei jedenfalls nicht allein die Schuld des Privatfernsehens. Bauer: "Man muss die Perspektiven umkehren: Nicht wir betrachten das Fernsehen, sondern das Fernsehen betrachtet uns. Wir bezahlen dafür, dass wir uns selbst im tv sehen können, dass es uns betrachtet".

Dabei handle es sich freilich nicht um eine kritische Betrachtung. "Es ist so, als wenn man sich in den Spiegel schaut. Dort sieht man nicht sein wahres Ich, sondern das, was man selbst gern von sich sieht. Menschen vor der Kamera verhalten sich ähnlich wie vor dem Spiegel".

Keine Nachhaltigkeit

Vor diesem theoretischen Hintergrund müssten Medienökonomen "draufkommen, dass mit der aktuellen Oberflächlichkeit gerade im Fernsehen die Nachhaltigkeit der Medien dauerhaft gefährdet wird", meint Bauer. "Es wäre notwendig, dass ein österreichischer Privater neben dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen Programme bringt, die der orf nicht mehr produziert." Und damit meint Bauer nicht Formate wie "2 Promis & 1 Baby".

Für atvplus und seinen Mehrheitseigentümer Herbert Kloiber sind derlei theoretische Zugänge sekundär. "Unser Sender hat laut Businessplan für heuer alle Ziele erreicht", freut sich Alexandra Damms. Der Breakeven ist für 2008 geplant.

Bis dahin sollen noch viele Bauern ihre Frauen finden - und das im Umfeld möglichst hoch dotierter Werbeeinschaltungen. Thomas Bauer: "Privatfernsehen ist nicht auf gesellschaftlichen Diskurs ausgelegt, sondern einzig auf Profitmaximierung."

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