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Schöne neue Fernsehwelt
Haben die „Neuen Medien” in unseren Breiten mehr mit Mythos als mit Wirklichkeit zu tun, so sind sie in den USA Alltag - und außerdem ganz schön profitträchtig. w
Haben die „Neuen Medien” in unseren Breiten mehr mit Mythos als mit Wirklichkeit zu tun, so sind sie in den USA Alltag - und außerdem ganz schön profitträchtig. w
„Es geht zu wie auf einem Schweinemarkt”. Mit diesem durchaus anschaulichen Bild vergleicht ein angesehenes US-Magazin die Kaufs- und Verkaufsbewegungen am amerikanischen Medienmarkt. Fernseh- und Radiostationen wechseln zur Zeit ihre Eigentümer, Manager, Partner, Freunde und Feinde in derart blitzartiger Geschwindigkeit, daß selbst Fachzeitungen dem Milliarden-Dollar-Business kaum mehr folgen können.
Und alle mischen in diesem Geschäft mit, von „Getty Oü” bis „American Express”.
Aktien von TV- und Hörfunkstationen sind seit Ende 1983 der heißeste Tip an der „Wallstreet”. Allein in diesem Jahr haben sechs kleinere Transaktionen auf dem TV-Markt um insgesamt über 240 Milliarden Schilling stattgefunden.
So wurde die „Tampa TV-Station” nach sechs Jahren um mehr als das Zehnfache des Kaufpreises weiterveräußert. Der „big deal” in der Medienbranche, der enormes Aufsehen erregte, war der spektakulärste Verkauf des Networks „ABC” um 3,5 Milliarden Dollar an „Capital Cities Communication” vor drei Monaten.
Die Geschichte der Unterhaltungselektronik in Amerika ist mehr denn je eine der fetten Profite aber auch eine der großen Verluste und Mißerfolge. Nicht nur kommerzielle Fehlspekulationen haben zu Flops geführt sondern auch die Anti-Trust Gesetzgebung, Referenda, Lobbyismus in Washington und — nicht zu unterschätzen - die Kinobesitzer haben immer wieder die Expansion der neuen Medien gestoppt.
Die Diva Hollywood ist dabei von erstaunlicher Frische. Barry Diller, Chef der „20th Century Fox”, erklärte gegenüber dem „New Yorker”, daß der Film aus Angst zum drittenmal eine Entwicklung zu verschlafen, wie beim Beginn des kommerziellen Fernsehens und beim Kabel, auf alles Neue am Medienmarkt mit Konfusion reagiere. „Niemand weiß, wo die Entwicklung hin geht, aber niemand will hinten bleiben”, charakterisiert Diller den Zustand der US-Medienlandschaft.
Doch bei aller Konfusion ist good old Hollywood, wenn es um Macht geht und ums Geld, immer noch von erstaunlicher Frische. Längst hat man sich mit dem größten Pay-TV-Satellitenpro-gramm, „HBO”, arrangiert und die Kassettenproduktion unter Kontrolle. Die Diva Hollywood hat (in Archiven) und kann (in Studios) alles das, was Kabel, Kassette, Satellit, Pay-TV und „Pay per view” brauchen, die Software für all diese neuen Verteil- und Verrechnungstechniken, den Kinofilm.
Nach wie vor geht der neue Film zuerst ins Kino, denn in den Lichtspieltheatern spielt er 50 Prozent ein. Vier bis sechs Monate später erscheint die Kassette in den 21.000 amerikanischen Videogeschäften zum Verkaufen und Verleihen. 1984 haben die Filmfirmen 20 Millionen Kassetten an den Handel verkauft. Acht bis zwölf Monate nach dem Kinostart bekommt der Pay-TV-Kanal die Fernsehpremiere, dafür hat er 15-20 Prozent der Film-Produktionskosten längst im voraus bezahlt. Danach dürften die Networks den Film spielen und zum Schluß zahlen noch einzelne Stationen für die Ausstrahlung.
45 Satellitenprogramme sind — die richtigen Antennen vorausgesetzt - an jedem Punkt Amerikas empfangbar. Seit zehn Jahren sind Satelliten für die TV-Unterhaltung in Amerika eingesetzt, ihr Erfolg liegt in der großen Reichweite, die die Finanzierung eines teuren Fernsehprogramms — und jedes Fernsehprogramm ist teuer — ermöglicht.
Die Kabelstationen sind die wichtigsten Kunden. Je mehr Systeme ein Programm übernehmen, desto teurer ist die Werbesekunde verkauf bar bzw. beim Pay-TV desto höher die Zahl der erreichbaren Abonnenten.
Der Großteil aus diesem Füllhorn vom Himmel sind traditionelle Unterhaltungsprogramme und erfolgreiche 24 Stunden-Spe-zialprogramme wie der Music Video Kanal „MTV”, der Nachrichtensender „CNN” und die Sportkanäle. Aber auch die zwei spanischsprachigen Programme haben ihr Publikum. Der „schwarze” Unterhaltungskanal geht in neun Millionen Haushalte.
Eines der Kinderprogramme, wie „Nickelodeon” und „Disney Channel”, ist in jedem Kabelnetz. Der Wetterkanal erreicht 17 Millionen Haushalte und die Finanznachrichten 18 Millionen. Daneben gibt es religiöse Programme und den „Playboy Channel”, Frauenprogramme, Gesundheitskanäle, Lebenshilf e und — unvorstellbar für uns —, ein Programm, das 24 Stunden täglich Politik aus Washington überträgt, ungekürzt und ungeschnitten.
Die Kultur, Wissenschafts- und Kunstkanäle haben trotz vieler Mißerfolge, hoher Verluste und ständiger Fusionen doch auch ihren Nischenplatz und es gibt immer wieder neue.
Seit die Subventionen für das „Public TV” drastisch zusammengestrichen wurden und parallel dazu der Markt mit Unterhal-tungs-, Sport- und Nachrichtenprogrammen gesättigt ist, rechnen sich die amerikanischen Programmproduzenten gute Restmarktchancen für Anspruchsvolles aus. Ein Programm wie „Arts & Entertainement” mit BBC-Theaterproduktionen, speziellen Filmen, Ballett und amerikanischen Show-Größen ist von beachtlicher Qualität.
Für einen Teil dieser Satellitenprogramme muß der Zuschauer zusätzlich bezahlen. In Los Angeles bekommt er für die Kabel-TV-Grundgebühr zwölf Programme für zehn Dollar im Monat. Würde der Konsument alle 29 Kanäle, die angeboten werden, auch empfangen wollen, so müßte er 150 Dollar monatlich zahlen. Er nimmt daher nur eines oder zwei und wechselt häufig die Angebote. Nimmt er zum Beispiel das kommerziell erfolgreichste Pay-TV-Service, „HBO”, so kostet dies zehn Dollar pro Monat, dafür erhält er ein werbefreies Spielfilmprogramm ins Haus.
Der Boom des Pay-TV in den vergangenen Jahren hatte als Hauptursache die Befreiung von der Belästigung durch unterbrechende Werbung. „HBO” hat heute 14,5 Millionen Abonnenten. Obwohl „HBO”, das zum Time-Life-Konzern gehört, selbst produziert und bereits 50 Millionen Dollar in Produktionen gesteckt hat, stagniert das Pay-TV-Ge-schäft.
Die Autorin ist Geschäftsführerin der „Kabel-TV-Wien”.
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