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Digital In Arbeit

Neue elektronische Medien

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Drei technische Entwicklungen haben kräftige Neuerungsschübe im Kommunikationswesen gebracht: die der Mikroprozessoren (Miniaturcomputer, die mehrtausendfach schneller und billiger als die Ungetüme von einst arbeiten), die Nachrichtensatelliten und die Glasfasertechnologie an Stelle der früheren Kupferkabel: statt 1 kg Kupfer braucht man heute 1 g Glasfaser!

Diese Innovationsschübe haben folgende Neuerungen in den Massenkommunikationsmitteln möglich gemacht:

• Telefax: Faksimile-Übertragung von bildhaften Vorlagen (Fotos, Grafiken, Handschriften usw.) über das Telefonnetz an individuelle Partner. Man kann damit z. B. eine Zeitung „körperlos” auf beliebige Distanzen übertragen (Kopierdauer derzeit noch drei Minuten pro Seite) und im Empfängergerät auf Papier ausdrucken, so daß man praktisch eine Papierzeitung aus dem Fernsehapparat zieht!

Oder elektronische Post: In Telefonzellen sind elektronische Postkästen eingebaut, in die man einen (hand- oder maschingeschriebenen) Brief einsteckt, der ins Postamt des Empfängerortes übertragen und von diesem zugestellt wird (nächste Etappe: Empfangsgerät in jedem Haushalt, Postamt entfällt).

Das System ist seit 1979 technisch machbar, wird aber wegen noch gigantischer Kosten nicht so schnell (aber sicher noch vor der Jahrhundertwende) kommen.

• Videotext (oder Teletex, ohne „t” am Schluß): die elektronische Geschäftspost der Zukunft. Man braucht dazu eine elektrische Schreibmaschine, einen Textspeicher und einen Telefonanschluß. Geschäftsbriefe können untertags (und viel schneller als bisher) geschrieben und zu günstigen Nachttarifen ähnlich wie bei Telefax weitergeleitet werden.

• Teletext (Videotext): In der „Austastlücke” des Fernsehens (praktisch freie Leistungskapazität der TV-Röhre) können Informationen über Weltgeschehen, Wetter, Straßenzustand, Börsenberichte usw. jederzeit auf den Fernsehschirm abberufen werden.

Der ORF hat mit diesem System als erste Rundfunkanstalt Kontinentaleuropas heuer begonnen und bietet derzeit 44 Seiten Eigeninformation und 20 Seiten APA-Informationen der Tageszeitungen an - bis Jahresende werden es je 100 Seiten in FS 1 und FS 2 sein. Derzeit gibt es rund 5000 Teletext-Empfangsgeräte, in einigen Jahren dürften alle TV-Geräte mit Teletext-Decodern ausgestattet sein.

• Bildschirmtext (Viewdata): Diese Kombination von Fernsehgerät und Telefonleitung wird praktisch unbegrenzte Zugriffsmöglichkeiten bieten. Man kann sich mit Knopfdruck Auskünfte von Bibliotheken, Grundbuchämtern, Gerichtsentscheidungen, Supermarktangeboten, Bankinformationen, Notdiensten, Fahrplänen, Telefonbüchern usw. usw. auf den heimischen Bildschirm zaubern. Heuer im September wird die österreichische Post- und Telegrafenverwaltung ein Testprojekt starten.

• Bild-Ton-Platte: Erstmals in Österreich wurde am 22. Mai in Linz von Philips die Bildplatte vorgeführt: eine metallisierende Kunststoffplatte mit 600 Spuren pro Millimeter (eine Tonplatte hat 600 Spuren insgesamt!), zusammen 54.000 Spuren (= 33 km Länge!), dazu zwei Tonkanäle. Man kann also in Stereo eine Oper oder ein Sportprogramm sehen und hören, auch in Zeitlupe, auch mit Stehbildunterbrechung, auch im Retourgang.

Ein Philips-Abspielgerät kostet derzeit rund 2000 DM, die Platte in den USA je nach Inhalt zwischen 10 und 25 Dollar.

• Kabelfernsehen: Derzeit sind vier Prozent der Haushalte Österreichs (in Vorarlberg 24 %) an Kabel angeschlossen, die vorläufig nur ausländische TV-Programme nach Österreich transportieren. Die Kabelgesellschaften könnten aber auch eigene Programme produzieren. Wer das einmal unter welchen Bedingungen tun darf, ist noch heiß umstritten.

In einem Kanal kann man entweder ein TV-Programm oder 15 bis 20 Hörfunkprogramme oder den Inhalt von 100 Tageszeitungen transportieren! Bis zu 30 Kanälen' sind möglich.

• Satellitenfernsehen: eignet sich für die Einstrahlung von TV-Programmen aus fernen Ländern und Erdteilen. Außer den skandinavischen Staaten konnten die Länder Westeuropas sich nicht auf gemeinsame Anlagen einigen. Es darf ein Satellit also nur auf nationale Territorien gerichtet werden (ohne daß man „Grenzüberschreitungen” ganz verhindern könnte).

Zum Thema Verleger-Femsehen.

GKRD BACHER, Generalintendant des ORF: „Es gibt keinen dritten Fernsehkanal, den der ORF jemandem zur Verfügung stellen könnte. Es gibt eine dritte Sendefrequenz, auf deren Basis man einen dritten Kanal bauen kann, wenn man die dazu notwendige Senderkette errichtet. Das kostet unter Mitbenutzen der ORF-Infrastruktur (Sendergebäude, -mästen, Zuleitungen usw.) im Minimum rund 800 Mio. S Investitionen und rund 120 Mio. S jährliche Betriebskosten. Stellt der ORF seine Infrastruktur nicht zur Verfügung, so belaufen sich die Investitionen in die Nähe von 2 Mrd. S und die jährlichen Betriebskosten auf rund 150 Mio. S. Im kürzesten Fall nimmt die Errichtung eines dritten Fernsehkanals etwa zwei Jahre Bauzeit in Anspruch. Nach meinen Gesprächen mit maßgeblichen Medienpolitikern und nach meiner Kenntnis der Kuratoriumsmeinung kann ich mir nicht vorstellen, daß der ORF seine in Jahrzehnten vom gesamten österreichischen Publikum finanzierten Anlagen Dritten aufmacht. Was aber die angeblich bis zu einem Drittel überbuchte Sendezeit der ORF-Fernsehwerbung anlangt, so stammt diese Behauptung aus längst vergangenen Zeiten der Hochkonjunktur. Produktkalkulation und Konjunkturlage haben jeden Werbebudgetüberhang aufgesaugt. Es liegt auf der Hand, daß kommerzielles Fernsehen in erster Linie auf Kosten der Zeitungsanzeigen ginge.”

JULIUS KAINZ, Präsident des Verbandes österreichischer Zeitungsherausgeber und Zeitungsverleger: „Wenn das Rundfunkmonopol fällt, dann dürfen wir nicht abseits stehen, sondern müssen uns mit allen Konsequenzen und allen Möglichkeiten im elektronischen Bereich engagieren. In dieser Situation hat der Bundeskanzler das Angebot gemacht, den österreichischen Zeitungen einen eigenen .Verleger-Kanal' zur Verfügung zu stellen. Der Herausgeberverband ist bereit, sofort über diesen Vorschlag zu verhandeln. Eine repräsentative Studiengruppe des Verbandes prüft für uns zur Zeit alle damit zusammenhängenden Fragen. Die Zeit ist reif für ein privatwirtschaftlich organisiertes Fernsehen, glauben auch wir im Verband der Zeitungsherausgeber und Zeitungsverleger. Im Interesse der Demokratie ist zu hoffen, daß dieses Vorhaben gelingen und zu einer noch größeren Vielfalt im Medienangebot führen wird. Wenn nun vom Generalintendanten des ORF auf die hohen Kosten der Errichtung eines dritten Fernsehkanals verwiesen wird, so sei in Erinnerung gerufen, daß der jüngste Vorschlag des Bundeskanzlers sich ausdrücklich auf sein Angebot von 1972 bezog, das damals nicht aufgegriffen wurde, weil es mit der Presseförderung gekoppelt war. Damals schwebte dem Bundeskanzler nur ein öffentlich-rechtlicher und ein privatrechtlicher Kanal vor.”

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