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Hinreichend bekannte aktuelle Ereignisse haben die im Herbst 1984 bereits lebhaftere Diskussion über die Neugestaltung des Marktes für elektronische Medien in Österreich zum Erliegen gebracht. Zunächst schien es so, daß in einer Maximalvariante die Übernahme ausländischer Programme und inländisches programmgestaltendes Fernsehen und Rundfunk gleichzeitig vom Gesetzgeber geregelt würden. Nicht nur den Medientheoretikern der Parteien, auch den Zeitungsverlagen und gesellschaftlichen Großgruppen wurde reges Interesse nachgesagt.

Seit Beginn des Jahres 1985 können österreichische Kabel-TV-Seher das von den drei Anstalten ZDF, ORF und SRG gestaltete 3-SAT-Programm empfangen. In Wien ist damit die erste Ausbaustufe für den Kabelempfang ausgeschöpft. Weitere ausländische Programme können erst mit Fertigstellung der nächsten Ausbaustufe (Herbst 1985) in das Netz eingespeist werden.

Spätestens dann steht allerdings die Entscheidung zur Debatte, ob das private deutsche SAT-l-Programm (das unter Beteiligung der Zeitungsverleger erstellt wird) auch in Österreich über Kabel gesendet werden darf. Uber Satellit ausgestrahlte Programme werden es übrigens auch ermöglichen, auf kostspielige Richtfunkstrecken der Post für die Versorgung kleinerer Gebiete zu verzichten: die Empfangsstationen können direkt aus der Luft versorgt werden.

Die Entwicklung des Direktsatelliten hat sich zwar verzögert, aber in zwei Jahren werden Haushalte auch ohne Anschluß an ein Kabelnetz zu erschwinglichen Preisen Programme direkt aus der Luft empfangen können. Für ORF und Kabelgesellschaften eine bedenkenswerte Situation. Theoretisch ist es zwar denkbar, die Errichtung solcher Anlagen nicht nur an technische, sondern auch an inhaltliche Auflagen zu binden, doch ist dies wohl kaum mit dem Grundrecht auf das Empfangen von Nachrichten und Meinungen zu vereinbaren.

Angesichts dieser Entwicklungen, auch von inhaltlichen Sorgen bestimmt, hat ORF-Generalintendant Gerd Bacher zu gemeinsamen Überlegungen zwischen Zeitungsverlegern und ORF über die Medienzukunft eingeladen. Ihn bedrücken natürlich die wirtschaftlichen Konsequenzen der angedeuteten Entwicklungen.

Multinationale Markenartikelfirmen, die ihre Kundschaft über europaweite Satelliten erreichen können, werden wohl kaum mehr im ORF werben. Bachers Werbeaufkommen, das ihm heute schon Sorgen bereitet, würde weiter angeknabbert. Er muß daher wenigstens für das Inland an einer Aufrechterhaltung des Status quo interessiert sein.

Auch für die Zeitungsverleger ist die Öffnung des Marktes eine ungewisse Sache. Für sie ist allerdings die Neuordnung des Medienmarktes eng mit der Frage der Werbezeiten im ORF verknüpft. Entgegen ersten Reaktionen des ORF, der eine solche Verknüpfung strikt abgelehnt hat, scheint es in jüngster Zeit doch zu einer gemeinsamen Betrachtungsweise zu kommen. Prinzipieller Status quo für Werbezeiten, keine inländische Programmschöpfung im Fenster von Satellitenprogrammen, aber eventuell Kooperationen bei der Regionali-sierung des ORF mit den Zeitungen könnten die nächsten Jahre kennzeichnen.

Eine solche Lösung könnte auch fürs erste zur Befriedigung der Bedürfnisse mancher Kommunalpolitiker (besonders dort, wo Region und Kommune wie etwa in Wien ineinander fließen) reichen. Man wird aber darauf achten müssen, daß eine der wesentlichsten Rechtfertigungen für die neuen Medien, eben die Öffnung der lokalen Kommunikation (FURCHE 40/1984), dadurch nicht auf Dauer auf der Strecke bleibt.

Diese Gefahr der Verdrängung droht übrigens bei einer „Entschärfung” der „Neuen Medien”-Debatte auch einer anderen Frage: der Aufnahme eines Dialogs über die Grundwerte des menschlichen Zusammenlebens in einer demokratischen Gesellschaft, an denen sich öffentliche Medienarbeit zu orientieren hätte.

Diesen Dialog haben die österreichischen Bischöfe in ihrer Erklärung vom November 1984 gefordert und beispielsweise die Fragen des Menschenbildes, der personalen Würde, der religiösen Dimension des Daseins und des Rechtes auf freie Meinungsäußerung genannt.

Den Kabelgesellschaften selbst geht es primär um ein Mehr an attraktiven Programmen. Wird dem durch die Aufnahme ausländischer Vollprogramme entsprochen, ist für sie die lokale Dimension zunächst zweitrangig.

Die wahrscheinlichste Lösung für die nächste Zeit ist also im Konsensfall zwischen ORF, Zeitungen und den politischen Kräften wohl die schrittweise Erweiterung ausländischer Angebote ohne lokale private Programmschöpfung.

Allerdings dürfen die langfristigen Zielsetzungen (lokale Kommunikation, Erweiterung der Möglichkeiten der freien Meinungsäußerung auch im elektronischen Medium, Aufnahme des Dialoges über die Wertmaßstäbe) nicht vergessen werden. Dem sollte die weitere Diskussion dienen.

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