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Die verbummelte Reform

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Das ORF-Monopol hat auch das vom Kanzler proklamierte Medienjahr 1992 unbehelligt überlebt. Keine Spur von Reform, obwohl ein Entwurf für die Öffnung des Rundfunkmarktes seit mehr als zwei Jahren vorhanden ist. Dafür liegt in Straßburg ein Sprengsatz, der alles auf den Kopf stellen könnte.

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Das ORF-Monopol hat auch das vom Kanzler proklamierte Medienjahr 1992 unbehelligt überlebt. Keine Spur von Reform, obwohl ein Entwurf für die Öffnung des Rundfunkmarktes seit mehr als zwei Jahren vorhanden ist. Dafür liegt in Straßburg ein Sprengsatz, der alles auf den Kopf stellen könnte.

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Der Rundfunkgesetzgeber ist dringend zum Handeln, nämlich zur Öffnung des Rundfunkmarktes, aufgerufen. Dabei besteht von den verfassungsrechtlichen Vorgaben her ein sehr weiter Handlungsspielraum. Die verfassungsrechtlichen Auflagen erschöpfen sich in der Verpflichtung des Gesetzgebers, die Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Berücksichtigung der Meinungsvielfalt, die Ausgewogenheit der Programme sowie die Unabhängigkeit der Personen und Organe, die mit Rundfunkaufgaben betraut sind, zu gewährleisten. Über die Bedeutung dieser Grundsätze, die das Programm des öffentlichen Rundfunks formulieren, für den privaten Rundfunk, herrscht weitgehend Un klarheit. In der bisherigen Privatradiodiskussion haben diese verfassungsrechtlichen Argumente kaum eine Rolle gespielt.

In ein konkretes Stadium sind die Vorarbeiten zur Öffnung des Rundfunkmarktes bereits im Hörfunkbereich getreten. Der Entwurf der Koalition für ein Regionalradiogesetz liegt bereits seit Sommer 1990 vor und ist seither in internen Beratungen nur geringfügig geändert worden. Dazu einige grundsätzliche Bemerkungen:

Der Entwurf bildet eine recht taugliche Grundlage für die Öffnung des Hörfunks auf regionaler Ebene, also in erster Linie für landesweit verbreitende Privatradios. Der Kompromiß über diesen Entwurf, der hoffentlich bald dem Begutachtungsverfahren zugeführt wird, ist freilich nur dadurch zustande gekommen, daß einige wesentliche Fragen, wie die über die Frequenzaufteilung zwischen ORF und Privaten und die Zahl sowie das Versorgungsgebiet der Privatradios offengelassen wurden.

Übereinstimmung besteht, daß die zuzulassenden Veranstalter kapitalmäßig und personell so ausgestattet sein sollten, daß sie ein - mit dem ORF konkurrenzfähiges - Radio und auch ein journalistisch einigermaßen anspruchsvolles Allroundprogramm produzieren können. Konkurrenzfähig impliziert, daß sie auch kommerziell rentabel agieren können. Die Frage der Zulassung von sogenannten alternativen oder freien Radios ist bislang in den Beratungen nicht näher erörtert worden. Es besteht aber Konsens dahin, daß diese Option auf jeden Fall gesetzlich offen bleiben soll.

Pragmatisch ist der Entwurf auch in der Frage der Werbezeiten. Es gilt ein tägliches Werbezeitlimit von 90 Minuten, was den privaten Veranstaltern genügend Spielraum für Werbeaktivitäten lassen sollte. Die Veranstalter werden gemäß Paragraph 5 des Entwurfes die Werbung in Form einer bundesweiten Ringsendung zusammenschalten können. Dies ist wichtig, weil die Privatradios möglicherweise nur im Wege einer gemeinsamen Akquisition und bundesweiten Durchschaltung an die für ihr wirtschaftliches Überleben essentielle, überregionale Markenartikel Werbung herankommen. Paragraph 5 ermöglicht die zeitgleiche Übernahme von Sendungen anderer Veranstalter bis maximal 25 Prozent der täglichen Sendezeit. Wenn man davon ausgeht, daß die Privatradios einen Musikanteil von rund 70 Prozent und vielleicht mehr haben werden, bleibt damit auch genügend Raum für die gemeinsame Ausstrahlung eines anspruchsvollen Informationsprogramms in Form einer Ringsendung.

Dem kommerziellen Charakter der Privatradios entsprechend, sind auch die Programmaüflagen gegenüber denen des ORF

Rundfunk-Reformgespräche

(Karikatur „medium")

wesentlich reduziert. Sie beschränken sich auf die Vorschrift, daß die Programme den Grundsätzen der Objektivität und Meinungsvielfalt zu entsprechen haben, daß sie in angemessener Weise insbesondere das öffentliche, kulturelle und wirtschaftliche Leben im Verbreitungsgebiet darzustellen haben, daß dabei den wesentlichen gesellschaftlichen Gruppen und Organisationen im Verbreitungsgebiet nach Maßgabe redaktioneller Möglichkeiten Gelegenheit zur Darstellung ihrer Meinung zu geben ist, und daß die Sendungen keinen pornographischen oder gewaltverherrlichenden Inhalt haben dürfen. Daß die Lizenzen von einer politisch besetzten Rundfunkbehörde vergeben werden ist optisch nicht schön, entspricht aber wohl den politischen Gegebenheiten. , Der Kompromiß über das Regionalradiogesetz ist nur zustande gekommen, weil man Fragen nach der künftige Positiondes ORF in derneuen Wettbewerbssituation beiseite geschoben hat. Die sehr schwierige Frage der Stellung des ORF in einer künftigen dualistischen Rundfunkordnung wird sich aber zwangsläufig schon bald stellen, nämlich wenn man an die Erstellung des Frequenznutzungsplanes gemäß Paragraph 2 des Entwurfs schreitet. Mit diesem Plan sollen einerseits die Hörfunkfrequenzen zwischen ORF und Privaten aufgeteilt werden und in einem zweiten Schritt die den Privaten zugeordneten Frequenzen und Standorte in Konzessiongebiete zusammengefaßt werden. Kriterium für die Zuteilung der Frequenzen an die Privaten ist, daß dadurch die „Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des Österreichischen Rundfunks bezüglich seiner Hörfunkprogramme nicht beeinträchtigt wird". Damit stellt sich die Frage nach dem Umfang der gesetzlichen Aufgaben des ORF. In Paragraph 3 Rundfunkgesetz (RfG) heißt es, daß der ORF „für mindestens drei Programme des Hörfunks und mindestens zwei Programme des Fernsehen" zu sorgen hat. Der ORF kann darüber hinaus jederzeit neue Hörfunkprogramme einführen oder •bestehende ausweiten. Schon der Vollausbau von Radio Blue Danube zu einem bundesweiten Programm und nunmehr das neue Radio Wien zeigen, in welchem Maße mit der expansiven Programmpolitik auch die Besetzung technischer Sendefrequenzen einhergeht. Die Politik und besonders die künftigen privaten Betreiber stehen dem hilflos gegenüber. Ich meine, daß jedenfalls alle Programme, die über drei Hörfunkprogramme gemäß Paragraph 3 RfG hinausgehen, nicht zu den „gesetzlichen Aufgaben" im Sinne des Regionalradioentwurfs zählen können. Die Frequenzen von Radio Blue Danube sollten daher in den Verhandlungen um den Frequenznutzungsplan zur Disposition stehen.

Ich sehe auch noch nicht recht, wie ein künftiger Wettbewerb zwischen Privatradios und ORF funktionieren soll, „wenn der eine Konkurrent über eine fast hundertprozentige Reichweite verfügt, insgesamt 120 Minuten Werbung bundesweit und über neun Landesstudios verbreiten kann und zusätzlich ein bis zwei Milliarden Schilling aus Teilnehmergebühren erhält, und die anderen Mitbewerber zunächst maximal eine Versorgung der Ballungsgebiete, also bescheidene Reichweiten, nachweisen können und sich nur aus Werbung finanzieren müssen. Man wird sich ernsthaft überlegen müssen, ob nicht das Werbevolumen des ORF im regionalen Bereich in dem Umfang zurückgenommen werden soll, als in diesem Raum Privatradios Versorgungsaufgaben übernehmen.

In der Diskussion um die Werbezeitenbegrenzung wird vielfach übersehen, daß die Werbezeitengrenzen im öffentlichen Rundfunk nicht nur dem Schutz der Hörer und Seher gegen eine Überflutung mit Werbung dienen, sondern auch verhindern sollen, daß der öffentliche Rundfunk seine Programminhalte übermäßig an den Erfordernissen der Reichweitenma-ximierung, die kontraproduktiv zum öffentlichen Auftrag ist, orientiert. Der Autor ist Medienexperte und Herausgeber der Zeitschrift „Medien und Recht"; der Beitrag zitiert auszugsweise ein Referat bei der Enquete des Zeitungsherausgeberverbandes „Rundfunk und Fernsehen in Österreich" am 2. Dezember in Wien.

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