eugen onegin - © Foto: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Staatsoper: Eugen Onegin

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Pulsierende Dramatik im Speisezimmer

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Pulsierende Dramatik im Speisezimmer

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Auch bei ihrer dritten Premiere bleibt die neue Staatsoperndirektion der Idee treu, das Publikum mit einer für Wien neuen, anderswo längst als Klassiker gehandelten Inszenierung zu konfrontieren. Nach Puccinis „Madama Butterfly“ aus der New Yorker „Met“ und Mozarts „Entführung“ aus Stuttgart kommt dieser neue „Eugen Onegin“ aus Moskau. Gezeigt werden Peter Iljitsch Tschaikowskys „Lyrische Szenen“ – wie der Komponist seine Oper bezeichnete – in der szenischen Realisierung von Dmitri Tcherniakov, die 2006 an der Neuen Bühne des Bolschoi-Theaters Premiere hatte. Er lässt die in Kostümen der Gegenwart gezeichnete Geschichte in einem von ihm selbst entworfenen Raum ablaufen: einem in den beiden ersten Akten in gedämpften Brauntönen gehaltenen, großzügigen Speisezimmer, das sich im Finale purpurrot ausgelegt und fensterlos präsentiert.

Damit wird der Wechsel der hier dargestellten verschiedenen Milieus beredt eingefangen. Auch das Duell zwischen Lenski und Onegin spielt sich nicht, wie sonst gewohnt, im Freien ab. Lenski fällt nach dem tödlichen Schuss auf den im Zentrum der Bühne platzierten Tisch. Tcherniakov lenkt in seiner Interpretation den Blick nicht nur auf das in diesem Dreiakter angesprochene unterschiedliche Ambiente: das adelige Landgut der um eine gute Zukunft ihrer beiden Töchter, Tatjana und Olga, besorgten Gutsbesitzerin Larina, und den städtischen Adelspalast des Fürsten Gremin. Gleich wichtig ist ihm aufzuzeigen, wie unterschiedlich adelige Kreise auf dem Land und in der Stadt ihre Feste ausrichten. Das eröffnet auf die Tanzszenen dieses Tschaikowsky eine zusätzliche, betont gesellschaftskritische Perspektive. Ebenso überzeugend wie Dmitri Tcherniakovs den Seelenspiegel der Protagonisten sublim hinterfragende, heftige Gefühlsausbrüche dabei keineswegs nivellierende Regie erwies sich an diesem akklamierten Premierenabend die Besetzung.

Voran die, noch dazu in letzter Minute eingesprungene, Staatsoperndebütantin Nicole Car als von packender Leidenschaft geprägte, brillante Tatjana, Anna Goryachova als selbstbewusste Olga und Bogdan Volkov als leuchtkräftiger Lenski. Er überragte damit den stellenweise affektiert auftretenden, unterschiedlich profunden Eugen Onegin Andrè Schuens. Exzellent der markante Gremin von Dimitry Ivashchenko. Rollendeckend Helene Schneiderman und Larissa Diadkova als Larina und Filipjewna. Wenig pointensicher und blass Eduard Weseners Triquet. Prächtig studiert und spielfreudig agierte der Slowakische Philharmonische Chor. Der schon aus früheren erfolgreichen Staatsopernauftritten bekannte, international gefragte Musikdirektor der Welsh National Opera, Tomáš Hanus, am Pult des klangsinnlich aufspielenden Staatsopernorchesters erwies sich als profunder Kenner der Partitur. Diese realisierte er weniger feinfühlig als mit pulsierender Musizierfreude.

Der Autor ist freier Kulturjournalist.

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