amour.jp - © Foto: © SF / Matthias Horn

„Liebe (Amour)“: Und trotz allem ein Hauch von Zuversicht

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Beklemmend, aber auch mit Witz und Optimismus inszeniert Karin Henkel „Liebe (Amour)“.

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Beklemmend, aber auch mit Witz und Optimismus inszeniert Karin Henkel „Liebe (Amour)“.

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Einen Film auf der Bühne nachzustellen, ließe jeden Mehrwert vermissen. Also muss sich Karin Henkel etwas einfallen lassen, um ihr eigenes Ding zu machen, wenn sie „Liebe (Amour)“ nach Michael Haneke auf die Bühne des Salzburger Landestheaters hievt. Was im Original das Drama eines alten Paares ist, das in Siechtum und Pflege verbohrt nicht mehr aus noch ein weiß, bis der Mann die todkranke Frau erstickt, weitet sich bei Henkel zu einem gesellschaftlichen Phänomen. Und sie sieht sich zu mehr Erklärung und Ausdeutung angehalten, um nicht nur zu zeigen, was der Fall ist, sondern um besonders deutlich zu machen, wie Fürsorge nicht nur als moralische Verantwortung, sondern als praktische Pflicht aussieht. Beklemmung im Publikum ist gewiss, die Absicht geht auf.

Und was bedeutet das für die Inszenierung? Sie wartet mit einigen überraschenden, einleuchtenden Gedanken auf. Nicht nur eine Marie als Pflegefall beherrscht die Szene, sondern gleich mehrere, eine in mittlerem Alter, eine als Kind. Eine ganze Lebensgeschichte wird mitgetragen, die nicht losgelöst werden darf vom letzten Stadium. So macht Karin Henkel nicht nur eine Studie des unaufhaltsamen Untergangs mit starker Neigung ins Depressive aus dem Stoff. Katastrophenstimmung herrscht schon vor, wird aber konterkariert durch Gegenmaßnahmen. In rasendem Tempo erklärt das Gesundheitspersonal dem frappierten Ehemann die Funktionsweise des Pflegebettes und die Anbringung einer Windel. Eine schlimme Situation kippt in Slapstick, was schon deshalb verständlich ist, weil auch für Buster Keaton nur der Witz eine Anwendungsmöglichkeit für das Schreckliche war. Lachen im Dienst der Erkenntnis des Menschenmöglichen, nicht die schlechteste Möglichkeit, mit den Zumutungen des Lebens umzugehen.

Das passt zum Programm, etwas Zuversicht ins Spiel zu bringen. Eine Gruppe von Laien bekommt ihren Auftritt, die alle von ihrer eigenen Leidensgeschichte gezeichnet sind. Sie berichten von ihren Erfahrungen und stehen für den ungebrochenen Lebenswillen, gegen alle Widerstände weiterzumachen. Das weicht erheblich ab von der Vorlage des Finsterlings Haneke. Wenn Karin Henkel unabhängig vom Film ihre eigenen Vorstellungen durchsetzt, wird das durch Fähnchen kenntlich gemacht.

Henkel geht nicht immer den direkten Weg, begibt sich gern abseits, wo die Symbole lauern. Einmal stürzt eine Erdlawine auf die Bühne, um Grabesstimmung zu erzeugen. Wenn dann auch noch Joel Small gebeugt und zitternd inmitten des Erdhaufens das Bild des fortgeschrittenen Alters verkörpert, kommt die Sinnstiftung gar aufdringlich daher. André Jung spielt den überforderten Mann mit bestechendem Eigensinn. Er verhärtet zusehends, versperrt sich gegenüber anderen, um in sein eigenes, inneres Reich abzuwandern. Katharina Bach gibt eine veritable Leidensfigur ab, die sich in der sterilen Atmosphäre kahler Wände (Bühne von Muriel Gerstner) als Individuum behauptet. Die Liebe in Salzburg, eine mörderische Angelegenheit ...

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