7047719-1990_40_16.jpg
Digital In Arbeit

2.000 Jahre High Tech

Werbung
Werbung
Werbung

Ein Manager kauft die österrei- chische Tochter der amerika- nischen Mutter um 800 Millionen Schilling ab und setzt damit ein landesweites Beispiel von Manage- ment Buy-Out. Eine mittelstäncüV sehe Brauerei liefert so viel Bier nach Oberitalien, wie die gesamte Wein- wirtschaft in die ganze Welt. Ein simples Lederarmband „Made in Carinthia" hat den Siegeszug um den Globus angetreten. Beispiele von Kärntner Leistungsfähigkeit.

Ein High-Tech-Zentrum war Kärnten bereits 300 Jahre vor der Zeitrechnung. Die Kelten hatten eine Methode entwickelt, aus den besonders reinen Erzen, die in Kärnten abgebaut wurden, eine Axt Stahl zu erzeugen: das „ferrum noricum". Ein Markenartikel, der in das gesamte römische Imperium exportiert wurde. Sogar aus Volu- bilis (südlich des heutigen Tanger in Marokko) kamen die Kunden ins High-Tech-Zentrum der Antike. Noch heute kann man sie bewun- dern, die Meisterwerke keltischer Handwerkskunst. Im Freilichtmu- seum am Magdalensberg sind jene begehrten Messer, Äxte und Feilen ausgestellt.

2.000 Jahre später ist nicht mehr Eisen die Rohstoffbasis von High- Tech, sondern Silizium: auf einem Chip, nicht größer als ein Eckerl einer Briefmarke, sind 5.000 Jahre Forschergeist der Menschen kon- zentriert. Und wiederum ist Kärn- ten ein Zentrum neuer, zukunfts- trächtiger Entwicklung: mit der Firma Siemens ist Villach zu einer Denkfabrik geworden, in der die technische und ökonomische Zu- kunft mitgeplant wird.

Um Kärnten als leistungsfähiges Triangel von Industrie, Fremden- verkehr und Transit zu verstehen, muß man nochmals Römer und Kelten bemühen. Drei Hauptver- bindungen, im Rang unserer Auto- bahnen, führten durch Kärnten: von Aquileia durch das Kanaltal über Katschberg und Radstädter Tau- ern nach Juvavum (Salzburg). Bei der Poststation Santicum, dem heutigen Villach, zweigte die Route nach Virunum, der Hauptstadt der Provinz Noricum nach Norden bis Ovilava (Wels) ab. Von Virunum führte eine Straße am heutigen Völkermarkt vorüber durch das Drautal bis Celeia (Cilli). Und da Kärnten quasi Treffpunkt der Völ- kerscharen war, lernte der Kärnt- ner beizeiten, Umgang mit anderen Nationen zu üben.

Gelernt ist gelernt. Der Frem- denverkehr nimmt eine bedeuten- de Stellung im Land ein. 17 Millio- nen Nächtigungen im Vorjahr für ein Land mit 540.000 Einwohnern ist schon eine beachtliche Zahl. Der Anteil des Fremdenverkehrs am Bruttoinlandsprodukt beträgt 6,2 Prozent oder 5.052 Millionen Schil- ling. Der Fremdenverkehr ist allge- genwärtig und beeinflußt ganz entscheidend das ansässige Gewer- be und viele Industriebetriebe. Besonders der sommersaisonlasti- ge Fremdenverkehr ist viel disku- tiert. Vor allem dann, wenn es Näch- tigungseinbußen gibt, die sich gleich mit Millionenverlusten zu Buche schlagen. Im Unterschied zur Indu- strie, die quasi im Verborgenen ihre Leistungen erbringt. So wird gerne übersehen, daß die Industrie mit einem Anteil von 15,2 Prozent am Bruttoinlandsprodukt (12.393 Mil- lionen Schilling) fast dreimal so viel zur Wirtschaft beisteuert. Eine IMAS-Umfrage der Kärntner In- dustriellenvereinigung bestätigt die Verkennung der statistischen Zah- len: 84 Prozent der Kärntner sind überzeugt, daß die Touristikbran- che für den Wohlstand Kärntens besonders wichtig ist. Der Indu- strie billigen dies nur 44 Prozent zu.

Die Fähigkeit der Kärntner, sich geänderten Situationen anzupas- sen, kam auch der Industrie zugute. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in Kärnten so gut wie nichts - außer den funktionierenden Berg- baubetrieben, der Holz- und der Textilindustrie. Es galt, bei Stunde Null anzufangen. Aber kein Nach- teil ohne Vorteil. Heute erweist sich nicht zuletzt für die Umwelt als segensreich, daß es Kärnten an Zentren der Schwerindustrie fehlt. So konnte sich nach 1945 eine zu- kunftsträchtige Industriestruktur organisch entwickeln. Hier mußten nicht Arbeitsplätze für Tausende arbeitslose Stahlarbeiter aus „In- dustrieleichen" geschaffen werden. Die gesunde Basis Kärntens sind kleinere und mittlere Unternehmer, deren Spezialprodukte überall ge- fragt sind. Wenn es in Kärntens Wirtschaftsstruktur einen „Rump- ier" gab, waren es meist die ver- staatlichten Betriebe oder Firmen ungesunder und undurchschaubar gewordener Größenordnungen.

Doch auch hier ging selten etwas verloren. Die Firma Funder wurde zu einem leistungsfähigen, zu- kunftsorientierten Betrieb saniert, Geissler und Pehr von Radex „auf- gefangen" , das dahinsiechende Bad Bleiberg - einst stolzer Bergwerks- ort - versucht neues Leben aus dem Fremdenverkehr zu atmen. Ferlachs Drahtwerk der VOEST haben die Firmen Glock, Haaf und Unior mit gutgehenden Produkten kompen- siert. Nur die Zellstoffwerke St. Magdalen und Obir agierten glück- los. Die Zukunftsaussichten sind durch politische Fehlentscheidun- gen und kompetenzloses Hineinre- gieren trist. Daß man dafür die Branche nicht verantwortlich ma- chen kann, zeigt der Papierkon- zern Frantschach im Lavanttal, der mittlerweile schon zu einem der bedeutendsten Papiererzeuger Österreichs aufgestiegen ist und das trotz Milliardeninvestitionen in eine saubere Lavant und ein weit- gehend geruchfreies Lavanttal.

2.000 Ochsen im Gesamtwert von 100.000 Gulden, Eisen und Stahl für 700.000 Gulden, ferner Mes- sing, Kupfer, Blei, Getreide, Flachs und Leinwand aber auch Speik (ein alpines Baldriangewächs) waren im Jahr 1740 die wichtigsten Ausfuhr- güter Kärntens. Heute beträgt die Exportquote 23,2 Milliarden Schil- ling und umfaßt nahezu alle Güter der chemischen, elektrischen, Nah- rungsmittel-, Textil- und Lederin- dustrie. Etwa die Hälfte aller Indu- strieprodukte geht in den Export, davon sind etwa 77 Prozent Fertig- produkte.

Was in Zahlen nicht so deutlich hervorsticht, sind noch ein paar erfreuliche Fakten: 13 Prozent des Wasserkräftepotentials Österreichs liegt in Kärnten... Kärnten ist ne- ben der Steiermark das wichtigste Holzwirtschaftsland... ein Fünftel der österreichischen Bergbaupro- duktion entfällt auf Kärnten...

Die wirtschaftlichen Entwicklun- gen hat Kärnten mitgemacht und hat auch nicht auf deren Fehler vergessen. Unsensibel in die Land- schaft gestellte Fabriksbauten, Fremdenverkehrsorte ohne Orts- kern, Autobahnen in den schönsten und wertvollsten Landschaften, wo sich der Transitverkehr stinkend gegen Süden wälzt, sind so die Unschönheiten des Landes. Dafür, und das zeigt wiederum die Span- nung im Kärntner, hat man als erstes Bundesland überhaupt, um Milliarden Schilling die Seen sa- niert und damit Kapital für die Zukunft geschaffen, dessen Wert erst künftige Generationen schät- zen werden.

In der Wandlungsfähigkeit des Kärntners steckt also noch viel Potential für künftige Entwicklun- gen, für die Konzentration auf neue Märkte, auf die EG, auf den geöff- neten Osten. Sie können nicht nur zusammen singen, sondern auch zusammen arbeiten-vorausgesetzt, man läßt sie.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung