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UNÜBERSEHBARE SPUREN DER KRISE

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Ende der achtziger Jahre ging ein Raunen durch die Steiermark. Die wirtschaftliche Entwicklung der Grünen Mark, so ließ sich aus ersten Hochrechnungen herauslesen, dürfte nicht nur gut, sondern sogar besser als in anderen Bundesländern verlaufen sein. Selbst die Industrie, jahrelang der Klotz am Bein einer wirtschaftlich dynamischen Entwicklung, produzierte auf Hochtouren, über Erwarten gut lief es auch in der Bauwirtschaft.

Mitte 1989 lagen die Karten dann am Tisch. Die Steiermark, bewiesen die Wirtschaftsforscher, hatte ihre „rote Laterne” abgegeben, nach einer fast zwei Jahre dauernden Phase des Nachhinkens gaben die Steirer mit einer Wachstumsrate von 4,2 Prozent im ersten Halbjahr 1989 sogar den Ton im Konzert der österreichischen Bundesländer an. Dieser stärkste Aufschwung seit 1980 wurde als Beweis dafür gewertet, daß die alten Strukturprobleme eigentlich überwunden sein müßten, wenngleich die Industriestruktur, respektive der hohe Anteil in der Grundstoffindustrie, immer noch Fragen aufwerfe.

In diesem Stil ging es auch 1990 weiter. Mit einem Wachstum von 6,5 Prozent war die Steiermark zusammen mit Niederösterreich sogar die Konjunkturlokomotive Österreichs, das Bild vom ehemaligen Problemkind verblaßte zusehends. Die Konjunktursonne überstrahlte alles, der Begriff Konjunkturschwäche blieb auf Meldungen aus dem Ausland beschränkt.

Im Herbst 1991 waren die Zeichen des wirtschaftlichen Niedergangs dann aber unübersehbar:

Die heimische Konjunktur stützte sich primär auf die Binnennachfrage, Impulse aus dem Ausland gab es nur noch sehr spärlich. Und wieder begannen für die Steiermark die Alarmglocken zu schlagen. Die Industrie bremste in den Bundesländern mit langer Tradition das Wirtschaftswachstum ein, das regionale Konjunkturmuster zeigte die Steiermark wieder auf der Verliererseite.

Erfolgreiche Chiperzeugung

Im Jahresbericht des Wirtschaftsforschungsinstitutes lag die Steiermark nur noch im unteren Drittel der konjunkturschwachen Bundesländer. Nicht nur in der Steiermark, muß fairerweise hinzugefügt werden, sondern auch in Kärnten oder Vorarlberg wurden die alten Strukturprobleme wieder akut. Der Südosten Österreichs stand zudem den Folgen der Kriegsereignisse im ehemaligen Jugoslawien gegenüber, die im Handel und Tourismus größere Lücken rissen.

Im Vorjahr mußte man wieder ein längst vergessenes Lied anstimmen. Die grundstoffnahen Bereiche standen unter dem Druck weltweiter Überkapazitäten und eines drastischen Preisverfalls, trotz eines starken Baubooms entwickelte sich die Steiermark 1992 zum zweiten Mal in Folge unterdurchschnittlich.

Die neu aufgebrochenen wirtschaftlichen Probleme der Steiermark allein auf den Einbruch der Konjunktur reduzieren zu wollen, ist natürlich ebenso zu einseitig wie der Hinweis auf die hohe Grundstofflastigkeit der Industrie, was sich am Beispiel der Zellstoffindustrie zeigt.

Auf den ersten Blick gibt es zwar zwischen der Papier- und Zellstoffa-brik Leykam Mürztaler eine deutliche Parallele zur Zellstoffabrik Pols, beide Unternehmen hatten im Vorjahr angesichts des Preisverfalls auf dem Weltmarkt schwer zu kämpfen. Unter dem Strich muß der Leykam jedoch attestiert werden, daß das Unternehmen in Gratkorn als vollintegrierte Fabrik, die im eigenen Haus Zellstoff zu hochwertigem Papier verarbeitet, auf Dauer sehr gute Chancen hat. Die Leykam steht auf zwei gesunden Beinen und hat auch die UnWeltseite gut im Griff, im obersteirischen Pols hingegen hat die Krise die Schwäche des Unternehmens -die einseitige Ausrichtung auf Zellstoff und damit völlige Abhängigkeit vom Weltmarkt - voll aufgedeckt.

Auch an der Verstaatlichten, die in ihren Krisenzeiten fast gleichgesetzt worden ist mit der Steiermark, ist die Zeit nicht spurlos vorübergegangen. Weitgehend unbeachtet sind enorme Produktivitätsfortschritte gelungen, so daß heute selbst Donawitz nicht mehr automatisch mit Verlust assoziiert werden muß. Nach wie vor finden sich in den heutigen Austrian Industries neben Betrieben, die von einer Krise in die andere taumeln, auch moderne Werke.

Graz braucht Kurskorrektur

Zukunftsweisend nicht nur für die Austrian Industries, sondern auch für ganz Österreich wurden etwa die Zeltweger VOEST Alpine Eisenbahnsysteme (VAE) auf die Produktion hochwertiger Weichen umgestellt, sehr erfolgreich sind auch die letzten Jahre für die Austria Mikro Systeme (AMS) in Premstätten verlaufen.

Die Chiperzeuger, einst Sorgenkind der Verstaatlichten mit tiefroten Bilanzen, haben sich durch die Spezialisierung auf kundenspezifische Schaltkreise, also maßgeschneiderte Chips für individuelle Kundenanforderungen, weltweit einen erstklassigen Ruf geschaffen, der sich nicht nur in den Bilanzen niederschlägt: Bekanntlich ist AMS nach Zeltweg der zweite Börsenkandidat der Austrian Industries, in den übrigen Bundesländern hat sich bis dato noch kein Kandidat aus den Reihen der AI gefunden, der an der Börse placiert werden könnte.

Während man an den Beispielen VAE und Leykam ablesen kann, daß sich auch in den alten, ehemals maroden steirischen Schlüsselindustrien Stahl und Papier etwas bewegen läßt, tut sich an anderen „Fronten” recht wenig. Die Steiermark, einst als wirtschaftsgeographischer Blinddarm Österreichs bezeichnet, wird diesem Ruf teilweise immer noch gerecht. So ist die Pyhrn-Autobahn bis hinauf nach Oberösterreich zwar fertiggestellt, ob und wann sie jedoch durchgehend bis Deutschland befahrbar sein wird, steht in den Sternen. Ähnliches gilt für die Bahn sowohl in Richtung Wien (Stichwort Streit um den Semmering-Tun-nel) als auch in Richtung München, wo „Beschaulichkeit” immer noch der dominierende Eindruck ist.

Beschaulichkeit kennzeichnet -zumindest in den Augen der Kritiker - auch immer noch die Landeshauptstadt Graz. Durch die Ansiedlung von Chrysler-Eurostar ist dieser Eindruck zuletzt zwar etwas gemildert worden, von Graz als einem Epizentrum wirtschaftlich umwälzender Entwicklung zu sprechen, ist jedoch weit verfehlt. Nicht nur im Zuge des Wahlkampfes vor den letzten Gemeinderatswahlen wurde den Stadtvätern mangelnde wirtschaftliche Vorwärtsstrategie vorgeworfen, auch in den letzten Wochen sind die Zeichen der Unzufriedenheit Grazer Wirtschaftstreiben-der unübersehbar.

Angesichts der nach wie vor ungelösten Verkehrsprobleme und schleppender, respektive verschleppter Bauverfahren sind zuletzt einige Betriebe aus der Murmetropole ausgezogen, Handelsbetriebe siedeln sich nur noch an der Peripherie an und die Innenstadt scheint lediglich für Boutiquen interessant zu sein.

Graz, lautet daher ein Vorwurf, hat seine Rolle als Zentralraum für immerhinrund 350.000 Menschen (samt Umgebung) bis dato nicht ausgeübt. Der Vorteil der Universitäten respektive gut ausgebildeter Kräfte schlägt sich nur in geringem Ausmaß nieder, neue Betriebsansiedlungen sind weit und breit nicht in Sicht.

Hier scheint eine Kurskorrektur überfällig zu sein. Die Gemütlichkeit aus Graz müsse weg, tönt es selbst aus dem Landhaus, Donawitz könne, salopp formuliert, heute sicher nicht ergänzen, was Graz nicht bringe.

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