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Der Strom der Gaste

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Ausländerreiseland ist. Totzdem ist interessant, festzustellen, daß in den vergangenen Sommermonaten schon viele Gäste aus Deutschland in den entlegensten Orten anzutreffen waren, da immer mehr eines gesucht wird, was gerade in der Steiermark immer wieder zu finden ist, nämlich reizvolle Landschaften und nette kleine Orte, die von jedem Verkehr abseits liegen und durch ihre Ruhe einem besonderen Bedürfnis des Großstädters nachkommen.

Die Lösung des vorangeführten Verkehrsproblems wird in erster Linie durch den Ausbau der steirischen Straßen, die aus dem Westen und Nordwesten in das Landesinnere führen, versucht. Gleichzeitige Bemühungen, die Steiermark mit besseren Bahnverbindungen dem Ausländer weiter zu erschließen, scheitern vielfach an technischen Schwierigkeiten. So war es trotz besonderer Bemühungen der österreichischen Bundesbahnen bisher nicht möglich, die Fahrzeit des einzigen Zuges, der günstige internationale

Tagesanschlüsse in Salzburg hat und der noch am Tag in Graz ankommt, wesentlich zu verkürzen. Die Reisezeit des Steiermark-Expreß von Salzburg nach Graz (299 km) beträgt nach wie vor 6 Stunden und 5 Minuten. Der Transalpin legt vergleichsweise in derselben Zeit eine Strecke von 512 km zurück, das ist etwa die Entfernung von Wien nach Wörgl. Die Tatsache ist insofern sehr schmerzlich, als es bisher aus diesem Grunde nicht gelungen ist, jene großen westdeutschen Reisebürokonzerne, die an die Bahn gebunden sind, über die Obersteiermark hinaus in andere Teile des Landes zu bringen. Doch ist durch die zunehmende Motorisierung und durch die Fertigstellung einiger noch im Ausbau befindlicher Straßen im Lande jedenfalls mit einem immer mehr zunehmenden Strom von Ausländern auch für die weitere Steiermark zu rechnen.

Sowohl das Land selbst (Fremdenverkehr ist nach der Verfassung Sache der Bundesländer) als auch die einzelnen Fremdenverkehrsorte machen alle Anstrengungen, um Fremdenverkehrseinrichtungen zu fördern und neue Attraktionen zu schaffen. So wurden in diesem Sommer ausgebaut:

eine Straße von Schladming auf die Hochwurzen (1850 Meter) mit einem herrlichen Rundblick, gegenüberliegend das gewaltige Dachsteinmassiv;

eine Straße von der Ramsau ohne wesentliche Steigungen bis an den Fuß der Dachstein-Südwand in eine Höhe von 1750 Meter;

eine ausgezeichnete Straße von Gröbming auf den Stoderzinken in eine Höhe von etwa 1800 Meter, von der an schönen Herbsttagen der Großglockner und andere Teile der Hohen Tauern zu sehen sind.

Aber auch neue Heilquellen werden mit Hilfe des Landes ausgebaut, ebenso erfahren die Schwimmbäder, Schutzhütten und Lifte eine wesentliche Förderung durch das Land.

Die Beliebtheit eines Landes als Reiseziel wird aber nicht nur durch seine vorhandenen Naturschönheiten bestimmt, sondern auch durch seine Preise. Und in diesem Punkt darf von der Steiermark lobenswert gesagt werden, daß es bisher gelungen ist, den guten Ruf als preiswertes Reiseland zu bewahren. Der steirischen Fremdenverkehrspolitik liegt auch in Zukunft die Erhaltung dieser Preisgünstigkeit sehr am

Vor wenigen Jahren noch konnte man nebst dem Burgenland die Steiermark als „Stiefkind" des österreichischen Fremdenverkehrs bezeichnen, und das mit Recht, denn im Verhältnis zur wirtschaftlichen Bedeutung des Fremdenverkehrs in anderen Bundesländern spielte dieser in der Steiermark nur eine untergeordnete Rolle. Heute haben bereits große Teile des Landes den Anschluß an das „westösterreichische Touristengeschäft“ gefunden, ohne dabei den Charakter der Steiermark als überwiegendes Inländerreiseland wesentlich zu verändern.

Die gegenwärtige Situation der Steiermark als Fremdenverkehrsland ist daher einerseits durch die Tatsache gekennzeichnet, daß das Land nach wie vor nach Niederösterreich das beliebteste Reiseland des Inländers ist und anderseits rund ein Viertel der Gesamtübernachtungen auf Ausländer entfallen. Beachtenswert ist an dieser Entwicklung, daß der Zuwachs an ausländischen Gästen von Jahr zu Jahr um etwa fünf Prozent größer ist als die Zuwachsrate inländischer Touristen. Dementsprechend konnte die Steiermark ihre Position im gesamtösterreichischen Ausländerfremdenverkehr von Jahr zu Jahr stärken.

Die Zweigesichtigkeit der Steiermark als nationales und internationales Reiseziel stellt das Land freilich vor eine Reihe von Problemen, die in anderen Bundesländern nur in geringerem Maße auf treten. Dazu gehört die Konzentration des Ausländerfremdenverkehrs auf das Ausseer Land und das Ennstal wie die damit verbundenen Bemühungen der steirischen Fremdenverkehrspolitik, auch andere Teile des Landes dem internationalen Tourismus zu erschließen. Das heißt also, das besondere Bemühen, den ausländischen Gast etwa in die mittlere Steiermark oder in die Ost-, West- oder Südsteiermark zu bringen. Die Voraussetzungen für den Ausländertourismus sind in den angeführten Gebieten heute vielfach bereits gegeben, und einem intensiven Ausländerverkehr in das traditionelle Inländerreisegebiet der Oststeiermark steht heute eigentlich nur mehr das Verkehrsproblem entgegen, das damit das hauptsächliche Handikap in der Entwicklung der Steiermark zum „totalen“

Herzen, und sie läßt nichts unversucht, immer und überall darauf hinzuweisen, daß die größte Chance der Steiermark als internationales Reiseland in der Preisgestaltung ihrer Fremdenverkehrsbetriebe liegt.

Die Steiermark hat als Wintersportland eine langjährige Tradition aufzuweisen; dementsprechend ist sie bemüht, ihre Wintersportplätze auszubauen und bisher unbekannte Gegenden für den Wintersport zu erschließen. Gerade die Entwicklung des winterlichen Fremdenverkehrs zeigt, auf welch fruchtbaren Boden die bisherigen Bemühungen um den erholungsbedürfti gen Wintergast gefallen sind. Die Steiermark verfügt heute übet zahlreiche, modern ausgebaute Wintersportorte, deren Namen auch im Ausland einen guten Klang haben, und kann sich mit mehr als 110 Seilbahnen, Sesselliften und Skischleppliften zu Recht das führende Wintersportland des Ostens unseres Vaterlandes nennen. Wenn auch zur Zeit noch der größte Teil der Gäste im Winter aus Inländern besteht, so gewinnt die Steiermark doch von Jahr zu Jahr auch mehr Bedeutung als winterliches Reiseziel für den Ausländer.

Bei allen Anstrengungen, die der steirische Fremdenverkehr zur Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit in den letzten Jahren unternommen hat, konnte er jede „Industrialisierung“ des Touristenwesens von sich fernhalten. Die Steiermark hat trotz vieler Tausende ausländischer Besucher, und vielleicht gerade deshalb, ihre Ursprünglichkeit und ihre Natürlichkeit bewahren können. Die Wurzeln dieser erfreulichen Erscheinung liegen im Wesen des Steirers selbst, der seit jeher die „Überkommerzialisierung“ des Wirtschaftslebens abgelehnt hat, und vielleicht auch in der Tatsache, daß der steirische Fremdenverkehr eine im Verhältnis zu anderen Bundesländern relativ langsame, aber dafür volkswirtschaftlich günstigere und krisenfestere Entwicklung genommen hat.

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